Schweiz
Eurovision Song Contest

ESC: Diverse Parteien gehen gegen die Austragung in der Schweiz vor

Widerstand gegen ESC-Austragung: Die Junge SVP ergreift Referendum, die JUSO ist empört

Seit dem Sieg von Nemo am Eurovision Contest steht fest: Der Event findet nächstes Jahr in der Schweiz statt. Diverse Städte haben Interesse an der Austragung bekundet. Nicht überall aber stösst dieses Vorhaben auf Begeisterung.
10.07.2024, 12:1110.07.2024, 19:53

Junge SVP ergreift Referendum

In Zürich ist das Referendum bereits Realität. Gestern Abend wurde es von der Jungen SVP gegen den 20-Millionen-Kredit der Stadt ergriffen. Das teilte die Jungpartei am Dienstagabend in einem Communiqué mit. Sie argumentiert, der Kredit für «einen derart umstrittenen Grossanlass» sei in keiner Weise gerechtfertigt. Es sei befremdend, dass öffentliche Gelder eine Veranstaltung unterstützen, die für politische Statements missbraucht werde.

Nemo, representing Switzerland, wins the final of the 68th edition of the Eurovision Song Contest at the Malm
Die Freude über den Sieg von Nemo und eine ESC-Austragung in der Schweiz ist nicht überall gleich gross.Bild: keystone

Dabei nennt die Junge SVP die Einführung eines dritten Geschlechts und «offenkundigen Antisemitismus». Am ESC in Malmö seien Antisemitismus und Diskriminierung unreflektiert geduldet worden. Die Junge SVP ergreife das Referendum, um ihr «Verständnis einer freien und toleranten Gesellschaft zu stärken» und das Ansehen der Stadt Zürich zu wahren.

In Zürich, wo das Stadtparlament vergangene Woche einen 20-Millionen-Franken-Kredit genehmigte, will sich auch der Bund der Steuerzahler gegen den ESC wehren. Am Mittwochabend will die SVP-nahe Organisation das Referendum offiziell beschliessen.

EDU will Referendum in allen Bewerberstädten

Der Gesangswettbewerb hätte zwar das Potenzial zu einem fröhlichen Volksfest, habe sich aber in den letzten Jahren «in eine andere Richtung» entwickelt, findet auch die EDU.

Zuletzt hätten sich antisemitische Vorfälle gehäuft. Die Demonstrationen gegen die israelische Sängerin Eden Golan liessen zudem befürchten, dass die Durchführung des ESC in der Schweiz ein erhebliches Sicherheitsrisiko mit sich bringen könnte.

Zudem gebe es immer mehr Auftritte, in denen Satanismus und Okkultismus zelebriert werde. Ein zumindest optisches Beispiel dafür war der diesjährige Auftritt von Bambie Thug aus Irland.

epa11333905 Bambie Thug representing Ireland with the song 'Doomsday Blue' performs during the grand final of the 68th Eurovision Song Contest (ESC) at the Malmo Arena, in Malmo, Sweden, 11  ...
Kam bei der EDU nicht gut an: Bambie Thug.Bild: keystone

Die rechtskonservative und christlich ausgerichtete EDU fordert, dass alle Kredite für die Durchführung des ESC dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Wie sie am Dienstag mitteilte, will sie deshalb das Referendum gegen die verschiedenen ESC-Kredite in den Bewerberstädten ergreifen.

Im Rennen um die Austragung sind Zürich, Genf, Basel und Bern/Biel. Die geschätzten Kosten von über 40 Millionen Franken würden zum grössten Teil aus Steuergeldern finanziert, kritisiert die Partei.

Referendumsdrohungen auch in Bern

Referendumsdrohungen stehen auch in Bern im Raum. Im Stadtberner Parlament war ein Antrag gescheitert, den Beitrag der Stadt von sieben Millionen Franken freiwillig dem Volk zu unterbreiten. Exponenten der SVP und der Grün-Alternativen Partei haben mittlerweile den Referendumsbogen zur Vorprüfung eingereicht.

Auf kantonaler Ebene drohen SVP und EDU mit dem Referendum gegen den Kredit von knapp 30 Millionen Franken, den die Kantonsregierung vorlegte. Mit dem Geld sollen vor allem Sicherheitskosten gedeckt werden.

SVP-Präsident Marcel Dettling fand gegenüber dem Tagesanzeiger klare Worte:

«Das Geld sollte besser den schwer betroffenen Unwettergeschädigten gespendet, statt für diesen peinlichen Regenbogen-Anlass verschwendet werden.»
Marcel Dettling, SVP-SZ, spricht ueber seine Motion "Asylnotstand. Aufnahmestopp", waehrend einer Sondersession des Nationalrats, am Mittwoch, 17. April 2024, im Nationalrat in Bern. (KEYSTO ...
Marcel Dettling ist kein Fan vom ESC.Bild: keystone

Albert Rösti: «Das ist Ideologie»

Bundesrat Albert Rösti (SVP) äusserte sich nun ebenfalls zum Streit um den ESC: 180 Millionen Zuschauer: Das ist ein riesiger Anlass und eine grosse Chance für die Schweiz», sagte er dem «Tagesanzeiger» zufolge am Rand des Medienevents am Oeschinensee.

Für den Widerstand konservativer Gruppen wie der EDU findet er klare Worte: «Das ist Ideologie – wir sind eine offene Schweiz.» Trotzdem verstehe er die Bedenken, dass Steuergelder den Anlass mitfinanzieren sollen. Er schlägt vor, dass sich eventuell «private Sponsoren beteiligen» könnten.

JUSO äussert scharfe Kritik

Was meint die queer-freundliche JUSO zu solchen Aussagen? Dettling und seine SVP würden wie immer jede Gelegenheit nutzen, um gegen Minderheiten zu hetzen, sagt die JUSO auf Anfrage von watson. In Dettlings Aussagen sieht sie eine Problematik, die über die Debatte um den ESC hinausgeht:

«Die Partei ist eine Gefahr für unser aller Freiheit, sie wollen nicht zuletzt queere Menschen ausgrenzen und unsere Rechte einschränken.»

Die Debatte um den ESC werde für diese Motive missbraucht. Die weiteren Begründungen, wonach Steuersenkungen oder anderweitige Benützung der Gelder besser wäre, lässt die JUSO nicht gelten:

«Steuersenkungen kommen immer vor allem den Reichsten zugute, während von kulturellen Anlässen mit dem ganzen Programm rundherum alle profitieren können. Langfristig bedeuten weniger Steuereinnahmen aber vor allem den Abbau von Service Public.»

Die JUSO ist damit auf einer Linie mit der Stadt Zürich, die in ihrer Medienmitteilung vom 27. Juni schreibt:

«Der Anlass wäre aus kultureller, gesellschaftlicher und auch wirtschaftlicher Sicht ein Gewinn für den Kanton Zürich.»

Dass die SVP nun gegen diesen Anlass poltert, empfindet die JUSO als Rosinenpickerei. Denn:

«Bei den Eidgenössischen Schwing- und Älplerfesten hat die Partei kein Problem, wenn grosse Summen aufgewendet werden.»

Eine Anfrage um eine Stellungnahme zu diesen Aussagen liess Marcel Dettling unbeantwortet.

Die Diskussion um Beiträge gingen im Zürcher Kantonsrat allerdings auch nicht ohne Misstöne über die Bühne.

Lange Diskussion im Zürcher Kantonsrat

Der Zürcher Kantonsrat hat am Montagnachmittag einen Beitrag von 5 Millionen Franken aus dem Gemeinnützigen Fonds für die Kandidatur der Stadt Zürich als Austragungsort für den Eurovision Song Contest (ESC) 2025 bewilligt. Dem Entscheid ging eine längere Diskussion voraus.

Der Kantonsrat stimmte dem Beitrag für die ESC-Kandidatur Zürichs mit 105 zu 62 Stimmen bei einer Enthaltung zu. Die Kritik im Kantonsrat richtete sich sowohl gegen den Anlass selber, als auch gegen den Umstand, dass der Beitrag des Kantons dem gemeinnützigen Fonds entnommen werden soll.

Die SVP bezweifelte, dass es sich beim ESC überhaupt um einen gemeinnützigen Anlass handelt, und lehnte den Beitrag deshalb ab. «Es ist schlicht nicht vereinbar mit den Bedingungen, die für Beiträge aus dem gemeinnützigen Fonds gelten», sagte Elisabeth Pflugshaupt (SVP, Gossau).

Tatsächlich schliessen die Vorgaben unter anderem Beiträge an «Aufführungen, andere Produktionen, Wettbewerbe und Preisverleihungen» ein. Gleichzeitig gibt es aber eine Ausnahmeklausel.

Auch die SP stimmte nur «zähneknirschend» zu, wie Hannah Pfalzgraf (SP, Zürich) sagte. Eigentlich handle es sich um eine Wirtschaftsförderungsmassnahme, die ins ordentliche Budget gehöre.

Teilweise wurde auch der Anlass selber als Grund angeführt, um den Beitrag abzulehnen. So kritisierten verschiedene Rednerinnen und Redner, dass der ESC instrumentalisiert oder für politische Zwecke missbraucht werde. «Im Umfeld des ESC ist Judenhass salonfähig geworden», sagte Hans Egli (EDU, Steinmaur) mit Blick auf die Proteste im schwedischen Malmö gegen die Teilnahme Israels an der diesjährigen Veranstaltung. (saw/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Wegen dieser Szene wird Nemo nun von der ganzen Welt gefeiert
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
428 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Rick Hunter
10.07.2024 10:27registriert November 2022
Ich finde es immer amüsant, wie SVP-Anhänger und Sympathisanten ähnlicher Parteien diejenigen, die sie als Gegner betrachten, beschuldigen, überempfindlich und sogar Schnee.f.locken zu sein. Aber sobald es um Themen geht, die ihnen nicht gefallen, übernehmen sie begeistert ihre eigene Variante der Cancel Culture.
26251
Melden
Zum Kommentar
avatar
Unicron
10.07.2024 10:35registriert November 2016
Kann schon mal einer anfangen konservative Veranstaltungen raus zu schreiben damit wir anfangen können uns regelmässig gegenseitig den Spass zu verderben?
23232
Melden
Zum Kommentar
avatar
Garp
10.07.2024 10:40registriert August 2018
Wenn dann sollen sie doch gleich eine Initiative machen, dass die Schweiz nicht mehr am ESC teilnehmen darf.
So ein Affentheater aber auch.

Hätte Gölä teilgenommen und gewonnen, hätte die Junge SVP nichts dagegen den ESC auszurichten, so sieht es doch aus.

Wie hoch sind die Kosten eines Referendums? Weiss das jemand?
21231
Melden
Zum Kommentar
428
    Aeschi: «Die Welt geht nicht unter mit 31 Prozent Strafzöllen» – für Pult fehlt nicht viel
    Die USA erheben 31 Prozent Strafzölle auf Schweizer Produkte – und der Bundesrat setzt auf Dialog statt Gegenmassnahmen. In der «Arena» von SRF zeigt sich: Für manche ist das Diplomatie, für andere gefährlich.

    Trump überzieht die Weltkarte mit Strafzöllen – und die Schweiz trifft es besonders hart: Für Exporte in die USA sollen Schweizer Produkte künftig 31 Prozent teurer werden.

    Zur Story