Sie werden einen pinken Punkt tragen mit der Aufschrift «Gleichberechtigung. Punkt. Amen.» Einige werden eine selbst gebastelte pinke Mitra, die bischöfliche Kopfbedeckung für die Liturgie, tragen. Und pinke Stiefel anziehen. «Um symbolisch aufzuzeigen, dass wir Kirchenfrauen aus dem Sumpf der katholischen Kirche waten wollen», sagt Vroni Peterhans.
«Aus einem Sumpf von sexuellem Missbrauch und Ungleichbehandlung der Geschlechter», ergänzt die Vizepräsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF), der 130 000 Frauen vertritt. Das lohne sich. Denn trotz ihrer Fehler hätten die Frauen die Kirche gerne, sie biete eine emotionale Heimat.
Von der «reformunfähigen hierarchischen Kirche» ist Peterhans enttäuscht. Die Katechetin aus dem Kanton Aargau wirkt bei den Vorbereitungen der Kirchenfrauen für den nationalen Frauenstreiktag vom Freitag, 14. Juni, mit. Sie werden auch in der katholischen Kirche fordern. Unterstützt wird der SKF unter anderem von der IG feministische Theologinnen der Schweiz und Liechtensteins sowie den Evangelischen Frauen der Schweiz (EFS).
#Frauenstreik erfasst die katholische Kirche - mit pinken Hüten zu mehr Rechten. Schwerpunkt in den heutigen CH-Media-Zeitungen https://t.co/lzMrJ4sjqF
— Patrik Müller (@patrik_mueller) 4. Mai 2019
In den Leitungsgremien seien Frauen bei den Protestanten untervertreten, sagt EFS-Präsidentin Dorothea Forster. Und die EFS bekundeten ihre Solidarität mit den katholischen Frauen und deren Forderung nach der Öffnung sämtlicher kirchlicher Ämter für Frauen wie in der reformierten Kirche.
Zum einen werden sich die Kirchenfrauen überall in der Schweiz unter die Streiks mischen, die von gewerkschaftlicher Seite organisiert werden. Sie tragen deren Anliegen wie Lohngleichheit oder eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit.
Zum anderen werden sie am folgenden Samstag und Sonntag vor und in Kirchen mit diversen Aktionen auf ihre Anliegen aufmerksam machen. «Denkbar ist zum Beispiel, dass Frauen den Gottesdienst vor der Tür feiern, an Kirchtürmen Leintücher mit dem pinken Punkt wehen lassen oder an Kirchentüren Transparente platzieren», sagt Peterhans.
Zudem wollen sie in Gottesdiensten eine Widerstandserklärung verlesen, welche die Luzerner Theologin Jacqueline Keune verfasst hat. Sie kritisiert darin etwa, dass Frauen «allein aufgrund ihres Geschlechts immer noch abgewertet und ausgeschlossen werden».
Peterhans ist nicht bekannt, dass etwa Pastoralassistentinnen oder Sakristaninnen ihre Mitwirkung an Gottesdiensten verweigern. «Wir wollen nicht eine Taufe bestreiken und damit Menschen verletzen», sagt Peterhans. «Wenn es die Umstände an einzelnen Orten aber zulassen, fände ich es toll, wenn gestreikt würde.» Damit könnte man, so die Vizepräsidentin des SKF, aufzeigen, wie wichtig die Frauen für die Aufrechterhaltung des kirchlichen Betriebs sind. «Ohne ihren Einsatz kommt die Seelsorge zum Erliegen», sagt sie.
In der Tat leisten Frauen einen wesentlichen Beitrag, den Priestermangel abzufedern. So stieg zum Beispiel in den letzten Jahren die Zahl der Pastoralassistentinnen kontinuierlich bis auf 403 im Jahr 2017. Als Pastoralassistenten waren in diesem Jahr 451 Männer tätig. Pastoralassistenten und -assistentinnen gestalten Gottesdienste und Predigten, besuchen Kranke und erteilen Religionsunterricht. Sie dürfen auch Kinder taufen und Ehen schliessen.
Allerdings dürfen sie – genau gleich wie Diakone – nicht alle Sakramente spenden. Die Eucharistie, die Beichte und die Krankensalbung bleiben den geweihten Priestern vorbehalten. Kurzum: Pastoralassistenten und -assistentinnen absolvieren zwar die gleiche Ausbildung wie Priester, haben aber weniger Befugnisse.
Jetzt verlangen die Kirchenfrauen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau auf allen Ebenen, den Zugang der Frauen zu allen Ämtern, weniger Hierarchie, mehr Mitbestimmung. Diese Anliegen wollen sie auch bei den Schweizer Bischöfen mit Nachdruck deponieren.
Letztlich laufen die Reformbestrebungen auf die Weihe von Frauen zu Diakoninnen, Priesterinnen oder Bischöfinnen hinaus. Vroni Peterhans ergänzt, wichtig seien vor allem menschen-, aber auch männerfreundlichere Strukturen, zum Beispiel die Abschaffung des Pflichtzölibats, der Zwangsehelosigkeit. «Sonst können Frauen zwar Priesterinnen werden, aber die alten Strukturen bleiben bestehen.»
Es gibt Anzeichen, dass sich die klerikale Obrigkeit der Schweiz gegenüber den Anliegen der Kirchenfrauen öffnet. In seiner Osterpredigt in der Solothurner Kathedrale erklärte zum Beispiel Felix Gmür, Bischof des Bistums Basel und aktuell Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, man müsse auch praktisch denken. Das Frauendiakonat sei in Rom in der Pipeline und er würde einem zukunftsweisenden Entscheid positiv gegenüberstehen.
Mit anderen Worten: Gmür würde es begrüssen, wenn der Papst grünes Licht für die Weihe von Diakoninnen gäbe. Das Diakonat ist eine Vorstufe zum Priester, die auch verheirateten Männern offensteht.
Und der Papst? Für Franziskus kommen Frauen als Priesterinnen weiterhin nicht infrage. In einem apostolischen Schreiben hielt er fest: «Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht.» Das hat viele katholische Frauen enttäuscht.
Eine davon ist Jacqueline Straub, die aus Deutschland stammt und heute in Muri im Kanton Aargau lebt. Dennoch gibt die 28-jährige, verheiratete Theologin die Hoffnung nicht auf, eines Tages doch noch zur Priesterin geweiht zu werden. Sie spüre diese Berufung und diesen Wunsch.
Straub, Journalistin und Autorin des Buches «Kickt die Kirche aus dem Koma», begrüsst den Streik der Kirchenfrauen. «Sie können damit aufzeigen, was sie alles für die Kirche leisten», sagt sie – und hofft, dass der Streiktag das Frauenpriestertum wieder auf die Agenda der Schweizer Bischöfe bringt.
Straub verlangt, dass diese dem Anliegen nicht nur verständnisvolle Worte entgegenbringen, sondern dieses auch in Rom gegenüber den konservativen Kräften verteidigen. Straub selber wird sich nicht an den Streikaktivitäten beteiligen können. Sie weilt für einen Vortrag in Deutschland, wird an diesem Tag aber solidarisch Pink tragen und im Vorfeld über Social Media darauf aufmerksam machen, doch daran teilzunehmen.
Vroni Peterhans hofft derweil, dass am 14. Juni Zehntausende Kirchenfrauen auf die Strasse gehen, sich pink und lautstark bemerkbar machen. Wie viele Frauen insgesamt auf die Strasse gehen werden, ist schwierig abzuschätzen. Beim letzten Frauenstreik vom 14. Juni 1991 waren es schweizweit rund eine halbe Million.
Gedenkt doch Bender in einer der ersten Futuramafolgen auf dem Mond: Dann bau ich halt meinen eigenen Vergnügungspark...