Manchmal geht es nur um ein paar wenige Stunden: Baby Alain*, das am Abend des 31. Juli 2019 in einem Genfer Spital auf die Welt kommt, kann nach dem Mutterschaftsurlaub von seinem Mami sofort in eine städtische Kita. Sein Zimmernachbar Xavier*, der am frühen Morgen des 1. August geboren wird, darf hingegen erst ab Herbst 2020 in die Krippe.
Der Grund für dieses etwas absurd anmutende Szenario: In Genf gilt für den Eintritt in die städtischen Kitas der Stichtag 31. Juli. Wie für den Schulanfang.
Für die Zeit nach dem Mutterschaftsurlaub muss für manche Familie deshalb eine andere Betreuungslösung her. In der Genfer Tageszeitung «Tribune de Genève» erklärte kürzlich Adrienne*, die ihr Kind am 11. August geboren hat, dass ihre Kleinfamilie im kommenden Januar vor einem Problem stehen wird: «Meine Mutter kann unseren Sohn einmal pro Woche hüten. Aber mein Partner arbeitet auch 100 Prozent. Für sechs bis acht Monate werden wir nun eine Tagesmutter suchen müssen.»
Ein organisatorisches Problem für die Eltern. Aber nicht nur: Die Betreuung bei einer Tagesmutter kostet oft mehr als ein Platz in der Kita.
Um sich diese Mühen zu ersparen, helfen gewisse werdende Papis und Mamis nach. Adrienne hat vieles versucht: Sport, scharfes Essen, energisches Putzen.
Bei einem Gynäkologie-Termin im achten Monat wollte sie einen Schritt weiter gehen: Als der Arzt wegen der Grösse des Babys die Möglichkeit erwog, die Geburt frühzeitig einzuleiten, fragte sie ihn, ob dies vor dem 1. August möglich wäre. Der Arzt lehnte ab.
Anders in einer Genfer Privatklinik Ende Juli. Laut der «Tribune de Genève» ist dort auf diese Weise ein Kind – gerade noch rechtzeitig – am 30. Juli zur Welt gekommen. Der Arzt sei der Bitte der Eltern nach einer früheren Einleitung der Geburt nachgekommen. Geplanter Geburtstermin wäre der 4. August gewesen.
Andere Mütter setzten laut der Zeitung auf eine spezielle Massage, die sogenannte Eipollösung. Dabei massiert die Hebamme oder der Arzt den inneren Muttermund und löst dadurch die Eihäute vom Rand der Gebärmutter. Das kann schmerzhaft sein, zeigt aber oft die gewünschte Wirkung – die Geburtswehen folgen oft innerhalb der nächsten 48 Stunden.
Doch warum überhaupt das starre Stichdatum für den Kita-Eintritt? Die Erklärung ist mutet etwas seltsam an.
Die Stadt Genf habe ihre Kita-Regeln in einem «Bemühen um Kohärenz» an das Stichdatum für den Eintritt in die Schule angepasst, sagt Patrice Chauveau, Chef des Jugendamtes der Stadt Genf.
Mit der Einführung von HarmoS (der interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule) treten die Kinder mit vollendetem viertem Altersjahr am Stichtag 31. Juli in den Kindergarten bzw. in die Eingangsstufe ein.
Auf der hiesigen Seite des Röstigrabens scheint sich das Problem nicht zu stellen, wie ein Blick auf die Bestimmungen der Kitas mehrerer grossen Städte zeigt. Ein Stichdatum als solches gibt es nicht. Sie schreiben lediglich ein Mindestalter (oft drei Monate) für den Eintritt vor.
*Namen geändert.
Ich persönlich halte aber auch von Kitas für Säuglinge nichts... Die ersten 2-3 Jahre sind so entscheidend für die Bindung und die soziale Entwicklung... das will ich als Elternteil doch selber übernehmen und nicht wildfremden überlassen...
bin ja sonst nicht der konservative, aber hier sehe ich unbedingt Handlungsbedarf in Richtung ausgedehntere Mutterschafts- (oder Vaterschafts-) urlaube.
Die Welt hat schon genug Egoisten, wir müssen sie nicht noch systematisch heranzüchten....
Wenn beiden Elternteilen die Arbeit so wichtig ist, sollten die evtl. auf Kinder verzichten. Was für Egoisten!
Kinder sind doch kein Freizeit Spielzeug!