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Gesellschaft & Politik

Wahlen in Genf: Maudet und die Rechten wollen zurück an die Macht

Pierre Maudet, ancien conseiller d'Etat genevois, quitte le palais de justice lors de la deuxieme journee de son proces devant la Chambre penale d'appel et de revision de Geneve, ce mardi 12 ...
Wird der Kandidat Pierre Maudet die grosse Überraschung der Genfer Wahlen sein?Bild: keystone

Maudet und die Rechten wollen zurück an die Macht – es könnte verrückt werden am Genfersee

Diesen Sonntag geht's in Genf wieder an die Urne. Die Bürgerlichen treten gespalten mit Pierre Maudet als freies Elektron an, um den Genfer Staatsrat zurückzuerobern. Ihr gegenüber steht eine geeinte, aber scheidende Linke. Wir werfen einen Blick in die Kristallkugel.
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31.03.2023, 20:5001.04.2023, 09:24
Antoine Menusier
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Seit den Nachwahlen im Jahr 2021, nachdem Maudet-Ausfall, sind die Linken mit zwei Sozialdemokraten und zwei Grünen in der Mehrheit. Zuvor hatten sie erst zweimal die kantonale Exekutive erobert. In den Jahren 1993 und 2005. Die Rechten gehen gespalten ins Rennen, während die Linken als Einheit auftreten. Das erhöht ihre Chancen auf einen Verbleib. Die Ergebnisse des ersten Wahlgangs am Sonntag, dem 2. April, werden wertvolle Hinweise für den zweiten Wahlgang am 30. April liefern.

23 Kandidaten, darunter 8 Frauen

In den diesjährigen Wahlen gibt es 23 Kandidaten. Darunter sind 8 Frauen. Die Kandidaten und Kandidatinnen sind in 13 Listen aufgeteilt. Die vier Kandidatinnen und Kandidatinnen der bisherigen Mehrheit (drei derzeitige Amtsträger und eine neue Kandidatin, die Sozialistin Carole-Anne Kast, die Anne Emery-Torracinta ersetzen wird) werden von den Rechten herausgefordert.

Les deux candidats du Parti socialiste Carole-Anne Kast, gauche, et Thierry Apotheloz, droite, avec les deux candidats Les Verts Antonio Hodgers, 2e gauche, Fabienne Fischer, 2e droite, posent pour le ...
Carole-Anne Kast (links), Antonio Hodgers, Fabienne Fischer, Thierry Apotheloz (rechts)Bild: keystone

Die FDP, die SVP und die Mitte stellen Zweiertickets auf. Dasselbe gilt für die Grünliberalen. Die MCG (Mouvement des citoyens genevois), Elan radical (eine Abspaltung der FDP) und Pierre Maudet (Liberté et Justices sociales) treten mit einem Kandidaten oder Kandidatin an. Das sind sieben Kandidatinnen und Kandidaten aus der Rechten und der Mitte-Rechts-Parteien. Ihre Chancen, den ersten Wahlgang zu überstehen sind sehr gering.

Die Mitte

Das grosse Versäumnis bleibt aber das Fehlen eines gemeinsamen Tickets der FDP, der SVP und von der Mitte. «Die SVP wollte eine grosse Allianz, die FDP war dafür, aber die Mitte wollte sich nicht mit der SVP zusammenschliessen», erklärt der Politologe Pascal Sciarini, Professor an der Universität Genf und Autor.

«Die Mitte» in Genf, das historisch gesehen weiter links steht als «die Mitte» im Wallis, erkennt sich nicht in den Werten der Genfer SVP wieder. Vor allem in Bezug auf die Einwanderung oder gesellschaftliche Fragen. Während eine grosse Allianz zwischen FDP, SVP und die Mitte 2022 in Waadt möglich war, ist sie in Genf nicht möglich.

Die Grünliberalen

Bei den «Rechten und rechte Mitte» hätten auch andere Allianzen entstehen können. «Die Mitte war nicht gegen ein gemeinsames Ticket mit der FDP, aber die FDP wollte dies nicht und zog ein weiteres Ticket mit der SVP vor», so Sciarini.

«Die Mitte hätte mit den Grünliberalen anknüpfen können, aber die Grünliberalen wollten nicht in dieses Spiel eingezogen werden, sagten sie.»

Die Zeit zwischen den beiden Wahlgängen - vor allem wenn in der ersten Runde kein Kandidat oder keine Kandidatin gewählt wird - könnte zu unerwarteten Entwicklungen führen. So könnte der sehr beliebte Staatsrat Mauro Poggia, der nicht mehr kandidiert, am 2. April ins Rennen gehen, falls seine Partei (MCGE) im Grossen Rat ein «Bombenergebnis» erzielt. Die Genfer Politiker und Politikerinnen halten dies aber für unwahrscheinlich.

Pierre Maudet – der Geächtete

Bleibt noch Pierre Maudet. Der 45-Jährige gilt politisch als geächtet. Nicht unbedingt aber von den Wählern. Er gilt sowohl als Favorit als auch als Aussenseiter bei der Wahl zur Kantonsregierung. Bei den Nachwahlen 2021, verlor er seinen Sitz wegen «Problemen mit der Justiz». Dies auch im Zusammenhang mit seiner «voll bezahlten» Familienreise nach Abu Dhabi.

L'affiche electorale du parti Socialiste - Les Verts Carole-Anne Kast / Antonio Hodgers / Fabienne Fischer / Thierry Apotheloz, de Libertes et Justice sociale parti de Pierre Maudet et de l' ...
Pierre MaudetBild: keystone

Wäre die Mitte Politikerin Delphine Bachmann (die auch dieses Jahr wieder Kandidiert) nicht in den zweiten Wahlgang gekommen, hätte er vielleicht Fabienne Fischer (die Grüne) geschlagen, die bei dieser Gelegenheit gewählt wurde und am Sonntag erneut antritt. Sollte er diesmal Glück haben, würde dies den Kanton auf den Kopf stellen.

Viele Fragen zu den Wahlen bleiben offen: Werden die Debatten, die die Gesellschaft in der Schweiz und in Genf bewegen, die Ergebnisse beeinflussen? Wird die FDP unter dem Debakel der Credit Suisse leiden? Haben die Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen, die sich auf die Strasse geklebt haben, den Grünen geschadet? Wird die orthodoxe Auffassung der schweizerischen Neutralität und ihr Diskurs über den Islam der SVP Vorteile oder Nachteile bringen?

Der Grosse Rat

Der Grosse Rat hingegen könnte rechts bleiben - wie gewohnt. Aber auch hier bleibt es spannend: Was wäre, wenn weder die extremen Linken noch die «Libertés et Justice», die Grünliberalen, das MCG, die SVP oder sogar die Mitte das Quorum von 7 Prozent der Stimmen erreichen würden, um Abgeordnete zu stellen? Dieses Szenario wäre nicht unmöglich. Bei einer starken Steuerung der Stimmen könnte dies eintreten. In diesem Fall würden sich nur die FDP, die SP und die Grünen die gesetzgebende Gewalt teilen.

Was bedeutet Quorum?
Unter Quorum versteht man die Anzahl Stimmen, die erreicht sein muss, damit eine Wahl oder Abstimmung Gültigkeit erlangt

In diesem spektakulären Fall würden sich nur die FDP, die SP und die Grünen die gesetzgebende Gewalt teilen. Das spektakulärste wäre jedoch, wenn Pierre Maudet gewählt werden würde.

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Imfall
31.03.2023 21:56registriert März 2016
Also wenn Maudet nochmals gewählt wird.... 🙄
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Mira Bond
01.04.2023 01:16registriert Oktober 2016
Dieser Typ ist so Machtbesessen…unheimlich.
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