Maudet und der grosse Fehler der Bürgerlichen: 3 Lektionen nach den Wahlen in Genf
Pierre Maudets Halbversagen
38'184 Personen haben für Pierre Maudet gestimmt. Trotz der Lügen. Trotz der Verurteilungen. Trotz der Vertuschungen.
Der böse Bube vom See hat besser abgeschnitten als die beiden anderen rechten Kandidaten zusammen – Yves Nidegger (SVP) und Delphine Bachmann (CVP/Mitte). Wie erklärt sich diese wichtige Unterstützung durch das Volk, während ihm fast die gesamte politische Klasse den Rücken gekehrt hat?
- Pierre Maudet hat Charisma. In der Politik ist das wichtig.
- Pierre Maudet hat vor Ort und in den sozialen Netzwerken eine sehr aktive Kampagne geführt. Im Jahr 2021 ist das was wert.
- Pierred Maudet hat seine Sprache komplett überarbeitet: Näher am Volk, näher an den Problemen der Welt, direkter. Und er hat die Krawatte fallen lassen. Auch wenn es reine Demagogie ist, es zahlt sich aus.
- Einer gegen alle. Der Mensch neigt dazu, sich mit mit demjenigen zu identifizieren, der als Opfer angesehen wird – ob erwiesen oder nicht. Allerdings haben einige Personen (allen voran Christan Lüscher) in den sozialen Netzwerken ziemlich zugeschlagen und den Kandidaten Maudet frontal angegriffen.
Der grosse Fehler der Bürgerlichen
Mit dem Einzug der Grünen Fabienne Fischer in den Staatsrat ist die Genfer Regierung zum zweiten Mal in ihrer Geschichte nach links gerückt. Die Bürgerlichen können sich nur selbst die Schuld geben, da sie nicht in der Lage waren, sich auf einen einzigen Kandidaten zu einigen. Sie begannen in der ersten Runde völlig zerstreut und konnten sich im Anschluss nicht mehr zusammenreissen. Nach dem Scheitern ihres Schützlings Cyrill Aellen ist die FDP völlig zusammengebrochen.
Die Spaltungen sind tief und man kann sich kaum vorstellen, wie sich die bürgerlichen Parteien für 2023 aufbauen sollen, wenn es um die Erneuerung des Gesamtstaatsrates geht – trotz der Aufrufe, unter anderem von Céline Amaudruz, Vizepräsidentin der SVP, sich zusammenzuschliessen, um wieder eine Mehrheit in der Regierung zu erlangen.
Die Linke greift die welschen Zentren an
Nach Jura, Neuenburg und Waadt ist Genf der vierte Kanton, der in der Westschweiz zur Linken kippt. Für den Lausanner Politologe Georg Lutz ist ein grundlegender Trend: Seit dreissig Jahren verlieren die bürgerlichen Parteien die urbanen Zentren.
Die Genferseeregion hat grosse Agglomerationen, die sich alle links verorten, wie Genf, Lausanne und seit Sonntag auch Vevey, Montreux und Yverdon. In den Bereichen der Mobilität, des öffentlichen Verkehrs und der Kinderbetreuung sind die Vorschläge der bürgerlichen Parteien nicht überzeugend genug. Die Bürgerinnen und Bürger neigen eher dazu, die linken Parteien, die Sozialisten und jetzt auch die Grünen zu unterstützen.
3 Lektionen, die man aus dieser verrückten Wahl ziehen kann
- Pierre Maudet hat sein letztes Wort noch nicht gesprochen. Man kann sich sicher sein, dass er zurückkehren wird. In seiner kurzen Ansprache vor den Medien kündigte er Bedenkzeit an, versprach seinen Anhängerinnen und Anhängern aber eine baldige Rückkehr.
- Die bürgerlichen Parteien müssen sich ernsthaft hinterfragen. Sie müssen vor allem ihre Strategie und ihren politischen Diskurs überdenken, sonst werden sie zusammenbrechen. Dasselbe gilt für das Wallis, wo die CVP ihre historische Mehrheit im Staatsrat verloren hat. Auch sie müssen ihren Wahlkampfstil überdenken.
- Die Wählerschaft will starke Persönlichkeiten mit einer klaren Position. Eine Botschaft, die bei Fabienne Fischer angekommen ist. Die vor Monaten noch völlig unbekannte Grüne startete gleich nach der Wahl einen Appell an die Bürgerinnen und Bürger: «Falls ich mich zu weit von meinem Kurs entfernen sollte, erinnern Sie mich daran.» Da kann sie sicher sein. Das Urteil wird noch früh genug kommen: 2023 finden die Gesamterneuerungswahlen des Staatsrats statt.
