Nennen wir sie Familie Kumar. Eine fiktive, tibetische Familie. Sie flüchtet 2014 mit den zwei Kindern aus Indien in die Schweiz.
Stellt hier ein Gesuch um Asyl. Lernt in den Jahren bis zum Asylentscheid Deutsch.
Das Gesuch wird abgelehnt - die Familie muss die Schweiz verlassen.
Doch Personen wie die Kumars können, selbst wenn sie wollten, nicht ausreisen. «Es gibt eine Vielzahl an Staaten, die sich weigern, ihre Staatsangehörigen wieder einreisen zu lassen oder ihnen die zur Reise notwendigen Dokumente auszustellen», steht etwa in einem kürzlich publizierten Bericht der staatspolitischen Kommission.
Die Folge: Erhält eine Person einen rechtskräftigen, negativen Asylentscheid und bleibt in der Schweiz, muss sie von Nothilfe leben. Das sind 8 bis 12 Franken pro Tag plus medizinische Grundversorgung. Und ein Dach über dem Kopf, meist in einem Rückkehrzentrum. Geld dazuzuverdienen geht nicht – sie darf nicht arbeiten.
Das Ziel: Ein möglichst unattraktives Leben, damit Familien wie die Kumars die Schweiz verlassen.
Diese für die Betroffenen schwierige Situation soll jetzt geändert werden. Morgen Dienstag behandelt der Ständerat dazu eine Motion mit dem komplizierten Titel «Ausserordentliche humanitäre Aktion für Nothilfe beziehende Personen aus altrechtlichen Asylverfahren». Sie wurde eingereicht von der ehemaligen Mitte-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller.
Der Nationalrat hat im Frühling bereits Ja gesagt.
Der Bundesrat soll, so will es der Vorstoss, eine «einmalige Möglichkeit zur aufenthaltsrechtlichen Regularisierung» dieser Personen schaffen. Heisst: Ihnen eine Aufenthaltsgenehmigung, eine B-Bewilligung, erteilen.
Wichtig: Es geht nur um eine genau abgegrenzte Personengruppe. Konkret um Personen, die den Asylantrag vor dem 28. Februar 2019 eingereicht haben. Und beim negativen Asylentscheid also bereits vier oder mehr Jahre mit Langzeitnothilfe in der Schweiz leben.
Das Stichdatum deshalb, weil seit März 2019 das neue Asylgesetz mit beschleunigten Verfahren in Kraft ist. Seither wissen Geflüchtete rascher, meist binnen 140 Tagen, ob sie in der Schweiz bleiben können oder nicht.
Um wie viele Menschen geht es also konkret? «Wir gehen derzeit von 1500–2000 Personen aus, die eine Härtefallbewilligung erhalten könnten», teilt das Staatssekretariat für Migration SEM auf Anfrage mit. Bei diesen müsste im Einzelfallverfahren noch überprüft werden, inwieweit sie die Voraussetzungen erfüllen.
Diese Personen dürfen zum Beispiel nicht straffällig geworden sein und müssen eine Landessprache auf Niveau A2 sprechen.
Die Idee allerdings dürfte es morgen im Ständerat schwer haben. Der Bundesrat und die vorbereitende Staatskommission SPK-S sind dagegen.
SPK-S Mitglied, FDP-Ständerat Damian Müller (LU), hofft ebenfalls auf ein Nein. Er sagt: «Laut der Schweiz brauchen die betroffenen Migranten keinen internationalen Schutz». Sie könnten morgen freiwillig in ihr Land zurückkehren, doch sie wehrten sich mit allen Mitteln dagegen.
Müller: «Dies ist nicht akzeptabel und es gibt keinen Grund, die betroffenen Migranten mit einer Aufenthaltsgenehmigung zu belohnen.»
Und auch der Bundesrat argumentiert ähnlich: «Personen, die keines Schutzes bedürfen, die die angesetzte Ausreisefrist missachten oder ihre Mitwirkungspflichten verletzt haben, indem sie ihre Identität nicht offenlegen, mit einer Regularisierung zu belohnen, würde dem Rechtsgleichheitsgebot widersprechen und wäre rechtsstaatlich nicht vertretbar.»
Dem widerspricht Eliane Engeler von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe: «Bei den Betroffenen in der Langzeitnothilfe handelt es sich um Personen, die ihrer Ausreisepflicht gar nicht nachkommen können – etwa weil sie keine heimatlichen Reisepapiere erhalten können oder weil sie Menschenrechtsverletzungen im Heimatland befürchten müssen», sagt sie.
Wie die Flüchtlingshilfe hofft auch Ständerätin Lisa Mazzone (GP/GE) auf eine Annahme der Motion. Wie Ratskollege Müller ist Mazzone Mitglied der SPK-S. Ein Nein wäre für sie eine «verpasste Chance». «Damit würde die Schweiz an einer loose-loose-loose-Situation festhalten.»
Warum? Die betroffenen Personen dürften laut Mazzone weiterhin nicht arbeiten, die Kantone hätten weiterhin Kosten aufgrund der Nothilfe und dem Arbeitsmarkt würden die dringend benötigten Fachkräfte weiterhin fehlen. «Deshalb: Ein Ja wäre eine win-win-win-Situation.»
Der Ständerat entscheidet morgen Dienstag über den Vorstoss. Bei einem Ja wären, so das SEM, die Details für eine Aufenthaltsbewilligung wie oben erwähnt «im Rahmen eines Umsetzungsprojekts» festzulegen.
Bei einem Nein ist der Vorstoss vom Tisch. In dem Fall könnte laut SEM der Frühling 2024 für die Betroffenen Hilfe bringen: Dann, fünf Jahre nach Einreichung des Asylgesuchs, sei es abgewiesenen asylsuchenden Personen unter gewissen Voraussetzungen möglich, ein Härtefallgesuch einzureichen.
Alles klar.
Seltsam nur, dass 1000ende von anderen ins gleiche Land zurückreisen können.
Es wäre mir neu, das China seine Bürger nicht zurücknimmt.
Nein. Klar dagegen.
Man löst ein Problem, dass in knapp 1 Jahr eh gelöst ist gemäss Artikel?
Das Argument der Fachkräfte ist für mich unglaubwürdig. Wären sie Fachkräfte in einem Mangelberuf würden sie einen Arbeitgeber finden, der ihnen eine Stelle anbietet und deren Notwendigkeit beim AWA begründen kann. Somit hätten sie einen Grund für Erteilung einer normalen Aufenthaltsbewilligung.
Verstehe hier die Haltung des Bundesrates.
Das Recht muss für alle gleich gelten und wenn wir für jeden Spezialfall Sonderregeln erfinden, explodieren die Kosten.