Fast hätte die Branche zu einer Ehrenrunde ansetzen müssen, weil ein Teil der Ärzteschaft rebellierte. Nun ist das Gesamtpaket «Ambulante Tarife» tatsächlich im Ziel, am Freitag wurde es eingereicht. Tausende Stunden Arbeit stecken darin, zwischenzeitlich hat kaum mehr jemand an den Erfolg geglaubt. Doch der feierliche Akt bleibt aus. Bis zum Schluss war die Megareform ein Murks.
Das zeigt der Streit unter der Ärzteschaft, den die Ärztevereinigung FMH in letzter Sekunde unterbinden konnte. Ein Referendum gegen das Gesamtpaket wird abgeblasen. Das haben die Delegierten der Ärzteschaft am Donnerstagabend entschieden und die FMH am Freitagmorgen kommuniziert, am Tag der Einreichung. Zeitlich war das äusserst spitz. Die Einreichungsfrist ist gleichentags verstrichen.
Dabei tobte in der Ärzteschaft ein Streit. Radiologen verbrüderten sich mit den Pathologinnen, die HNO-Spezialisten spannten mit Handchirurginnen zusammen und wollten den Tarif-Deal verhindern. Vor knapp zehn Tagen erklärten sie, das Referendum zu ergreifen, nachdem alle anderen Tarifpartner bereits ihre Unterstützung erklärt hatten. Das sind nebst den anderen rund 60 Fachgesellschaften auch die Spitäler und die Krankenkassen.
Die Ausgestaltung der ambulanten Pauschalen passte den erwähnten Fachgesellschaften nicht. Sie bestimmen vor allem Leistungen von Spezialärzten wie Computertomografien, Laboranalysen, aber auch konkrete Eingriffe. Festgeschrieben ist darin, wer für welche Leistungen wie viel Geld erhält. Über den Tarif werden bald 14 Milliarden Franken abgerechnet werden.
Wütend waren unter anderem die Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Von den 39 neuen Pauschalen könne man «knapp 6» unterstützen, erklärte die Gesellschaft in einer Mitteilung. Die Pauschalen seien viel zu pauschal.
Man kann sich dies anhand eines Beispiels vorstellen: Wer mit einem Karzinom zur Ärztin geht, muss dieses womöglich entfernen lassen. Stellt sich dann in einer Analyse heraus, dass es sich dabei um ein spezielles Krebsgewebe handelt, braucht es weitere Tests. Diese sind mitunter teuer. Für die behandelnden Ärzte, die nur die Pauschale eines zu entfernenden Karzinoms abrechnen können, würde sich dies aber nicht lohnen.
Dass sich Radiologinnen und Radiologen dem Protest anschliessen, war absehbar. Im September schickten sie der FMH einen gehässigen Brief. Ein «Armutszeugnis» sei es, wie wenig sich diese für die einzelnen Interessen der Ärzteschaft einsetzten.
Allerdings sehen sich Spezialisten immer wieder der Kritik ausgesetzt, sie würden lediglich ihre Pfründe verteidigen wollen – und so das Kostenwachstum im Gesundheitswesen vorantreiben. Gerade in der Computertomografie gibt es Entwicklungen, die im aktuellen Tarifsystem nicht abgebildet sind. Bilder von Organen, auf die man früher eine Viertelstunde wartete, können heute in Sekundenschnelle erstellt werden – Ärztinnen und Ärzte dürfen aber nach wie vor 15 Minuten verrechnen.
Ein Referendum hätte den Status quo verlängert. Doch Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider will vorwärtsmachen. Vergangenen Sommer hatte sie angekündigt, die neuen Tarife selbst zu verfügen. Das zeigte nun abermals Wirkung.
Den Delegierten der Ärzteschaft war die Dringlichkeit, vor allem aber auch die Alternativlosigkeit, bewusst, wie in der Medienmitteilung zu lesen ist: «Ohne Einigung der Tarifpartner müsste der Bundesrat die ambulante Tarifstruktur ohne Einbezug ärztlicher Expertise selbst umsetzen.»
Ein kleiner Widerstand bleibt. Die FMH fordert: «Die vorliegenden ambulanten Pauschalen müssen unverzüglich überarbeitet werden.» In der gemeinsamen Tarifgesellschaft ist das möglich. Doch für Änderungen bleibt wenig Zeit: Per 1. Januar 2026 soll das neue Tarifsystem gelten. (aargauerzeitung.ch)
Obwohl meine Fachgesellschaft nicht unter den 7 “Rebellen“ war, sind wir Anästhesisten ebenfalls äusserst unzufrieden mit den aktuellen Pauschalen! In der jetzigen Form sind sie kontraproduktiv!
DAS ist krank!