Schweiz
Gesellschaft & Politik

Initiative für besseren Einbezug von Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Behinderungen fordern «effektive Gleichstellung»

27.04.2023, 14:0027.04.2023, 16:37
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Die Inklusions-Initiative will den Angaben zufolge das, was für Menschen ohne Behinderung selbstverständlich ist: Über die eigene Lebensgestaltung entscheiden.
Die Inklusions-Initiative will den Angaben zufolge das, was für Menschen ohne Behinderung selbstverständlich ist: Über die eigene Lebensgestaltung entscheiden.bild: screenshot twitter

Die 1.7 Millionen Menschen mit Behinderungen stossen in der Schweiz auf zahlreiche Barrieren. Obwohl ihre Rechte Menschenrechte sind, schliesst sie die Gesellschaft vielfach aus. Um dem entgegenzuwirken, hat ein breites Netzwerk die Inklusions-Initiative lanciert.

Das Netzwerk aus Menschen mit Behinderungen, Zivilgesellschaft, Fachorganisationen und Verbänden machte am Donnerstag vor den Medien in Bern deutlich, welche Barrieren bestehen: Es gebe kaum einen Bereich ohne Benachteiligungen, obwohl die Bundesverfassung seit 2000 ausdrücklich Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung verbietet, so der Tenor.

So müssten Menschen mit Behinderungen oft im Heim leben. Arbeitsplätze blieben ihnen verwehrt, obwohl sie arbeiten wollten. Der Zugang zu vielem scheitere an fehlenden Anpassungen. «Es braucht nun eine effektive Gleichstellung», sagte Daniela Enzler von Amnesty International Schweiz.

Neuer Verfassungsartikel

Die eidgenössische Volksinitiative «Für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Inklusions-Initiative)» will laut den Urhebern das, was für Menschen ohne Behinderung selbstverständlich ist: über die eigene Lebensgestaltung zu entscheiden. Gleichstellung, Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen müssten garantiert sein.

Heute steht in der Bundesverfassung: «Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.» Diesen Absatz unter Artikel 8 zur Rechtsgleichheit möchten die Initiantinnen und Initianten streichen. Stattdessen soll ein separater Artikel 8a Eingang in die Verfassung finden.

Demnach muss das Gesetz für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen in allen Lebensbereichen sorgen: «Menschen mit Behinderungen haben im Rahmen der Verhältnismässigkeit Anspruch auf die dafür erforderlichen Unterstützungs- und Anpassungsmassnahmen, insbesondere auf personelle und technische Assistenz.»

Zudem sollen Menschen mit Behinderungen gemäss Verfassung das Recht haben, ihre Wohnform und den Ort, an dem sie wohnen, frei zu wählen; sie sollen im Rahmen der Verhältnismässigkeit Anspruch auf die dafür erforderlichen Unterstützungs- und Anpassungsmassnahmen haben.

«Lassen wir uns nicht behindern»

An der Medienkonferenz nahmen mehrere Menschen mit Behinderungen teil und machten auf verschiedene Alltagshürden aufmerksam. Weil nötige bauliche oder technische Anpassungen nicht vorgenommen würden, sei der Zugang etwa zum öffentlichen Verkehr, zu einer Ausbildung, zur Arztpraxis oder zum Restaurant erschwert oder gar unmöglich. Eingeschränkt seien Menschen mit Behinderungen auch bei der Ausübung der politischen Rechte.

Die heute vom Assistenzbeitrag erfassten Lebensbereiche sind laut dem Initiativkomitee zu eng gefasst. Beispielsweise könne sich ein Mensch mit Sprechbehinderung mit dem heutigen System nicht die benötigte Verbalassistenz leisten, um einer Arbeit nachzugehen. Eine gehörlose Person, die sich politisch engagieren möchte, benötige eine Gebärdendolmetscherin. Das heutige System sehe dies nicht vor.

«Lassen wir uns nicht behindern, packen wir es an», sagte Islam Alijaj, Präsident des Verbands Tatkraft. Hinter der Inklusions-Initiative stehen ein überparteiliches Komitee, ein Bürgerinnen-Komitee mit über tausend Unterstützenden und eine Trägerschaft aus Agile.ch, Amnesty International Schweiz, Inclusion Handicap, Stiftung für direkte Demokratie und Tatkraft.

Vor der Medienkonferenz startete in Bern die erste Sammelaktion für das Volksbegehren. Das Komitee hat bis zum 25. Oktober 2024 Zeit, 100'000 Unterschriften zu sammeln. (oee/sda)

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