Die Summe ist eindrücklich. Allein in der Eisenleger-Branche werden die Sozialversicherungen und die Mehrwertsteuer jährlich um mindestens 60 Millionen Franken betrogen. Das geht aus einer Berechnung der Unfallversicherung SUVA vor, die CH Media vorliegt.
Diese Berechnung ging an die Baubranche. Und zwar im Hinblick auf die Sitzung der nationalrätlichen Wirtschaftskommission WAK vom kommenden Montag. Die WAK befasst sich an diesem Tag mit der parlamentarischen Initiative von SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr, die gegen Schwarzarbeit und Sozialversicherungsbetrug vorgehen will.
Gutjahrs Vorstoss trägt den Titel «Wettbewerb und Sozialversicherungen mit Solidarhaftung schützen». Zentrale Forderung ist: Erstunternehmer sollen zivilrechtlich haften, wenn ihre Subunternehmer die Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen oder wenn sie Netto-Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen nicht einhalten.
Die Forderung ist brisant, sie gefällt natürlich nicht allen. Denn mangels Solidarhaftung profitieren heute Baufirmen, aber auch Bauherren davon, dass kriminelle Akteure aus dem In- und Ausland systematisch die Sozialversicherungen betrügen.
Es werde zu wenig gegen Missbräuche wie Schwarzarbeit gemacht, sagte Diana Gutjahr vor einem Jahr zu CH Media, als sie die Initiative einreichte: «Mich stört es politisch, wenn die Sozialversicherungen, wenn Angestellte, wenn wir alle betrogen werden. Mich stört es unternehmerisch, wenn der Wettbewerb verzerrt und wenn korrekt abrechnende Firmen benachteiligt werden.»
Allein in der Eisenleger-Branche beträgt die Betrugssumme also mindestens 60 Millionen. Wie kam die SUVA auf diese Zahl?
In ihrer Analyse hält die SUVA fest: Eine fundierte Hochrechnung zur Betrugssumme im gesamten Bauhaupt- und Nebengewerbe sei nicht möglich, da die SUVA nicht über alle notwendigen Daten verfüge.
Möglich sei aber eine Schätzung für die Eisenleger-Branche. Die SUVA habe aus dieser Branche Angaben erhalten, welche Lohnsumme tatsächlich abgerechnet werden müsse.
Die SUVA stellte diese Angaben ihren eigenen Daten zur tatsächlich abgerechneten Lohnsumme gegenüber. Die Differenz ergab «die mutmasslich nicht abgerechnete Lohnsumme», so die Versicherung.
Zum Resultat von 60 Millionen nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge und Mehrwertsteuer pro Jahr hielt die SUVA fest: «Diese Schätzung ist konservativ, bestätigt jedoch das erhebliche Ausmass der Schwarzarbeit.
CH Media hat in diversen Teilen des Clan-Reports beschrieben, wie dieses Betrugssystem funktioniert. In einem Aargauer Fall, der 2023 vor Gericht kam, ging es um eine Million Franken. Die Arbeiten wurden angeblich von Subunternehmen durchgeführt, daher waren für den Erstunternehmer keine Sozialversicherungsbeiträge fällig. Aber die angeblichen Subunternehmer waren fünf Briefkastenfirmen, alle in Liquidation. Sie zahlten keine Sozialversicherungsbeiträge. Die SUVA entdeckte den Betrug. Aber zu holen ist in der Regel nichts mehr, weil kein Geld mehr da ist und weil der Erstunternehmer nicht haftet für seine Subunternehmer.
Letztes Jahr wurden in Luzern Verantwortliche einer alteingesessenen Luzerner Eisenlegerfirma verurteilt, die über Jahre ein Betrugssystem aufgezogen hatten. Sie lagerten rund 100 Eisenleger gruppenweise an «unabhängige» Subunternehmer aus. Aber die 27 Subunternehmen waren blosse Tarnvehikel ohne irgendwelche Aktivität.
Alles lief faktisch nach wie vor über die Eisenleger-Firma, die aber in einem halben Dutzend Jahren gut 12 Millionen an Sozialversicherungsbeiträgen« sparte»: Eine Lohnsumme von 47 Millionen wurde nicht gemeldet. Die 27 Tarnvehikel hinterliessen laut Anklage mindestens 6 Millionen Franken an Ausständen.
Die parlamentarische Initiative von Gutjahr kommt zuerst in den Nationalrat, dann in den Ständerat.
Erstaunlich, dass so ein Vorstoss von einer SVP-Politikerin kommt. Leider wird sie vermutlich von der Milliardärs-Führung zurückgepfiffen werden.