Schweiz
Gesundheit

Bundesrat will 14 Wochen Ferien für Angehörige von Schwerkranken.

Hat das Kind plötzlich Krebs, muss es von den Eltern rund um die Uhr versorgt werden.
Hat das Kind plötzlich Krebs, muss es von den Eltern rund um die Uhr versorgt werden. bild: shutterstock

14 Wochen Ferien für Angehörige von Schwerkranken – doch dagegen regt sich Widerstand

Bis zu 14 Wochen Urlaub soll es für die Betreuung Angehöriger geben. Arbeitgeber wehren sich und sprechen von «gesetzlichen Einheitslösungen».
23.05.2019, 05:32
Maja Briner / ch media
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Sie kümmern sich um schwerkranke Eltern, Kinder oder Ehepartner – und geraten dabei nicht selten an ihre eigenen Grenzen. Laut dem Bundesamt für Statistik leisteten im Jahr 2016 rund 300 000 Personen unbezahlte Arbeit für pflegebedürftige Angehörige oder Bekannte. Viele von ihnen hatten einen Job und standen damit vor der Herausforderung, Pflege und Arbeit unter einen Hut zu bringen.

Der Bundesrat will ihre Situation nun verbessern. Gesundheitsminister Alain Berset betonte gestern an einer Medienkonferenz die Bedeutung der unentgeltlichen Pflegearbeit: «Wer Angehörige pflegt, leistet sehr wichtige Arbeit – nicht nur für die betroffenen Menschen, sondern auch für die Gesellschaft.»

Betreuungsurlaub für Eltern

Die grösste Änderung plant der Bundesrat für Eltern: Wenn ein Kind schwer verunfallt oder erkrankt, soll seinen Eltern künftig ein bezahlter Betreuungsurlaub von maximal 14 Wochen gewährt werden – am Stück oder verteilt auf anderthalb Jahre. Betroffen sind laut Bund ungefähr 4500 Familien jährlich. Berset sagte, heute müssten berufstätige Eltern unbezahlten Urlaub nehmen, sich selbst krankschreiben lassen oder den Job vorübergehend ganz aufgeben. Das sei eine «brutale Situation».

Der geplante «Betreuungsurlaub» soll wie beim Mutterschaftsurlaub über das Erwerbsersatzgesetz finanziert werden. Der Bund schätzt die Kosten auf jährlich 74 Millionen Franken. Anders als zunächst gedacht, muss der Beitragssatz dafür nicht extra erhöht werden; Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen also künftig nicht mehr bezahlen.

Eine zweite Massnahme, die der Bundesrat plant, soll allen zugutekommen, die Familienangehörige pflegen: Die Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, ihnen bei kürzeren Absenzen weiterhin den Lohn zu zahlen. Der Kurzurlaub ist auf drei Tage pro Ereignis beschränkt; pro Jahr sind es maximal zehn Tage. Die Wirtschaft kostet diese Massnahme gemäss Angaben des Bundes zwischen 90 und 150 Millionen Franken jährlich.

Laut Bundesrat gewähren rund zwei Drittel der Firmen bereits heute Kurz-Absenzen, wenn Mitarbeitende verwandte oder nahestehende Personen betreuen – teils mit Lohn, teils ohne. Damit alle gleich behandelt werden, brauche es eine Regelung, sagte Bundesrat Berset.

Der Arbeitgeberverband sieht das allerdings anders. Er wehrt sich gegen «gesetzliche Einheitslösungen». Besonders für kleine Betriebe sei es finanziell wie auch organisatorisch schwierig, zusätzliche Absenzen aufzufangen, kritisiert Sprecher Fredy Greuter. Die Arbeitgeber seien aber bereit, einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Angehörigenbetreuung zu leisten. Heute würden auf betrieblicher Ebene individuelle Lösungen gefunden, «die häufig grosszügige, freiwillige Leistungen der Arbeitgeber beinhalten», so Greuter.

Kaum Verbesserungen bei Demenz

Anderen gehen die Vorschläge des Bundesrats nicht weit genug. Die Schweizerische Alzheimervereinigung etwa forderte in der Vernehmlassung, dass ein Betreuungsurlaub nicht nur für die Pflege von Kindern eingeführt werden soll, sondern auch für die Pflege und Betreuung erwachsener Angehöriger. Gerade erwerbstätige Angehörige von demenzkranken Menschen seien einer grossen Belastung ausgesetzt, argumentiert Alzheimer Schweiz.

Betroffene Eltern befinden sich heute in einer brutalen Situation.
Bundesrat Alain Berset.

Bundesrat Berset verteidigte seine Pläne gegen diese Kritik. Für die Pflege älterer Personen gebe es Angebote, erklärte er. Bei den Kindern sei dies anders. Die geplante Gesetzesänderung sei kein riesiger Schritt, gab er zu, aber sie sei ein wichtiger Schritt. «Wir müssen Prioritäten setzen», sagte er. Jürg Brechbühl, Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV), ergänzte: «Wir sind schon froh, wenn wir diese Vorlage durchs Parlament und das Volk bringen.» Widerstand ist bereits angekündigt: Die SVP lehnt die Vorschläge ab, auch die FDP zeigte sich skeptisch.

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Ein Lächeln für kranke Kinder
Video: srf
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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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b4n4n4j03
23.05.2019 05:57registriert Dezember 2016
Supper sache!
Bin ich 100% dafür!


Ich verstehe nicht wie man dagegen sein soll?!
Ich verstehe svp und fdp nicht! Wie kann man nur dagegen sein. Man stelle sich vor das eigene kind erkrankt an krebs, zusätzlich zu diesem traumatischen erlebnis kann das auch noch existenzielle risiken miteinbeziehen, da man unbezahlt urlaub machen muss!
Die schweiz ist eines der reichsten länder, jeder der gegen so ein elternurlaub ist soll sich so etwas von schämen!
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Ricardo Tubbs
23.05.2019 09:02registriert März 2019
die, die ohnehin schon mehr/zu viel haben wehren sich dagegen, man "könnte ja zu kurz kommen" (wie beim thema vaterschaftsurlaub)

eine schande für eines der reichsten länder der welt!
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Michael Heldner
23.05.2019 08:25registriert März 2017
Den Arbeitgeber, welcher z.b. In einem Fall von chronischer Erkrankung „ca jährlich“ 14 Wochen Urlaub gewährt möchte ich sehen. Das macht er 2 Jahre mit und dann wird jmd für die Stelle gesucht, der auch in der Firma arbeitet und nicht nur kostet
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