Herr Metzger, wann ist ein Werbeanruf illegal, wann nicht?
Philipp Metzger: Wer keinen Sterneneintrag im Telefonbuch hat, der signalisiert, dass diese Person keine Werbung wünscht, kann grundsätzlich von Call Center zwecks Werbung angerufen werden. Illegal ist ein Werbeanruf nur dann, wenn dieser Sterneneintrag missachtet wird und keine vertragliche Beziehung zwischen dem Angerufenen und der Firma besteht. Wer seine Telefonnummer nicht im Telefonbuch publiziert, ist nicht geschützt vor Werbeanrufen. Nur der Sterneneintrag verbietet solche Anrufe.
Bei der SECO und beim BAKOM sind alleine 2014 11'502 Beschwerden wegen Nichtbeachtung des Sterneneintrags eingegangen. Hatte diese Massnahme überhaupt Wirkung?
Wir haben uns von der Einführung des Sterneneintrags in der Tat mehr erhofft. Es sollte eine rechtliche Grundlage bieten, die den Konsumenten vor unlauterer Werbung schützt. Leider gibt es aber viele Call Center, die den Eintrag einfach missachten und trotzdem anrufen. Solche Unternehmen befinden sich häufig im Ausland und bedienen sich zum Teil auch des sogenannten Spoofing. So kann dank den neuen Internet-basierten Technologien eine beliebige Nummer ausgewählt werden, die der angerufenen Person angezeigt werden soll. Es ist sehr schwierig, solche Firmen rechtlich zu belangen.
Aber wie gelangen solche Firmen überhaupt an meine Nummer?
Die meisten dieser Anrufe werden zufällig getätigt. Ein Computer wählt dabei eine zufällige Kombination aus Zahlen. Der Computer eines Call-Center-Angestellten wählt dabei mehrere Nummern gleichzeitig. Dabei werden auch nichtvergebene Nummern angewählt. Aber die Chance, eine vergebene Nummer zu wählen, liegt bei Mobiltelefonen etwa bei 50 Prozent. Wenn ein Computer zwei oder mehrere vergebene Nummern wählt, wird einfach der erste verbunden, der abnimmt. Die Anderen hören nur ein Rauschen.
Kann es auch sein, dass Schweizer Nummern durch Firmen im Ausland verwendet werden?
Ja, das ist möglich. Es ist aber mittlerweile umstritten bzw. wird auch auf europäischer Ebene diskutiert, ob weiterhin Nummern an ausländische Firmen vergeben werden sollten. Wir prüfen auch diese Frage. Bevor in dieser Hinsicht allenfalls Anpassungen vorgenommen werden, ist aber eine Gesamtschau der Vor- und Nachteile vorzunehmen. So dürfte es kaum im Interesse der Konsumenten sein, wenn sie in Zukunft beispielsweise für den Support eines ausländischen Computers eine ausländische Nummer anrufen müssten statt eine Schweizer Nummer.
Gibt es einen gewissen Hotspot, von wo die meisten unlauteren Werbeanrufe kommen?
Nein. Wir haben solche Anrufe aus jeder erdenklichen Region verzeichnet. Viele Call Center, ob sie unlauteren Praktiken nachgehen oder nicht, sind im Ausland ansässig. Wenn Sie eine Hotline anrufen ist die Chance gross, dass sie bei einem ausländischen Call Center landen.
Wie will man nun gegen unlautere Call Center vorgehen?
Wenn es sein muss mit weiteren Vorschriften. Eine zu hohe Einschränkung der Telekommunikation könnte aber dazu führen, dass die Innovation ebenfalls leiden würde. Dies wollen wir verhindern. Das zweite Standbein ist, dass der Konsument mehr Eigenverantwortung übernimmt. Wir versuchen zusammen mit dem Seco, Telecomfirmen, Konsumentenorganisationen und Branchenverbänden, Instrumente ausfindig zu machen, welche den Konsumenten dabei helfen, z.B. Filterlösungen.
Also nimmt man auch zum Beispiel die Swisscom mehr in Verantwortung?
Die Telecom-Provider haben sich bisher als sehr kooperativ erwiesen, da sie lieber mit uns zusammen Lösungen erarbeiten wollen, anstatt mit zum Teil grossem Aufwand neue Vorschriften umsetzen zu müssen. Ich bin überzeugt, dass jede legitime Telecomfirma das Problem der Werbeanrufe erkannt hat und aktiv dagegen vorgehen will.
Was ist mit den Krankenkassen?
Offenbar stammen derzeit effektiv viele unerwünschte Werbeanrufe von Krankenkassenvermittlern.
Was halten sie vom freiwilligen Verzicht auf Werbeanrufe durch die Krankenkassen selbst?
Dass eine Branche von sich aus aktiv wird und nach Lösungen sucht ist grundsätzlich zu begrüssen. Dabei muss aber natürlich darauf geachtet werden, dass nicht plötzlich wettbewerbsbehindernde Absprachen herauskommen. Aber auch Reglementierungen unsererseits sind Grenzen gesetzt, ist doch die Wirtschaftsfreiheit zu beachten.
Warum kommt erst jetzt ein Vorstoss gegen unlautere Werbeanrufe?
Er kommt nicht erst jetzt. Die Telecom-Liberalisierung hat viele neue Geschäftsmöglichkeiten und Dienstleistungen für die Konsumenten mit sich gebracht, Missbräuche waren aber immer ein Thema. Der Schnelligkeit der Innovationen im Kommunikationsbereich werden wir immer etwas hinterherhinken. So haben wir beispielsweise viel Zeit und Energie darauf verwendet, mit neuen Vorschriften und Aufsichtskampagnen die Probleme der Mehrwertangebote via SMS in den Griff zu bekommen. Danach haben wir rasch festgestellt, dass diese Dienste Angeboten via Internet weichen und wir sozusagen wieder von vorne beginnen mussten. So ist es auch bei diesen unlauteren Telefonanrufen. Wir wollen Missbräuche verhindern, wollen dabei aber die Innovation und die Freiheiten des Individuums nicht einschränken. Das ist ein schwieriger Spagat.
Wie sieht es mit der Zusammenarbeit mit dem Ausland aus?
Es gibt mit der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) in Genf eine Spezialagentur der UNO, die globale Lösungen sucht und die CEPT, die pan-europäisch in diesem Bereich tätig ist. Zwischen den Behörden der Staaten findet ein reger Austausch statt, da wir dieses Problem nicht allein im Inland lösen können. Es ist aber schwierig, etwa die klassischen Instrumente der internationalen Rechtshilfe zur Bekämpfung von grenzübergreifender Kriminalität auf den Kommunikationsbereich anzuwenden, denn dort haben wir es mit einer wahren Flut von Tatbeständen zu tun. Dafür ist die internationale Gemeinschaft noch nicht gerüstet und steckt noch in den Kinderschuhen.