Die Entwicklungshilfe soll stärker mit der Migrationspolitik verknüpft werden – das ist das Ziel von Aussenminister Ignazio Cassis (FDP). Die Eckwerte sind seit Monaten bekannt und haben bereits heftige Kritik ausgelöst.
Nun sind die ersten Details der Neuausrichtung publik geworden.
Die Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter ist Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission. Ihre Partei verlangt seit Jahren entsprechende Justierungen. 2016 wollte sie gar das Entwicklungshilfeprogramm zurückweisen – weil es zu wenig auf die gegenwärtigen Herausforderungen fokussiert sei. Schneider-Schneiter selbst forderte in einem Vorstoss die engere Verzahnung von Migration und Entwicklungshilfe.
Die Entwicklungsgelder sollen fortan stärker den Interessen der Schweiz dienen, die Reduktion der Armut wird nicht mehr explizit als Ziel genannt. Schadet dies nicht der Glaubwürdigkeit der Schweiz?
Elisabeth Schneider-Schneiter: Ich begrüsse den Kurs von Bundesrat Cassis. Er setzt damit langjährige Forderungen der CVP um. Die traditionelle, einseitige Entwicklungshilfe ist nicht mehr zielführend, sie reduziert die Armut nicht in genügendem Masse. Das äussert sich etwa im starken Migrationsdruck, der sich noch verschärfen wird. So findet eine Transformation hin zu einer wirkungsvollen Entwicklungszusammenarbeit statt. Damit begegnen wir den von uns unterstützten Staaten auf Augenhöhe.
Aussenminister Cassis rückt das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen stärker in den Fokus. Ist Entwicklungshilfe nur dann nützlich, wenn sie der Schweiz einen ökonomischen Nutzen bringt?
Überhaupt nicht, aber gerade bei der wirtschaftlichen Entwicklung ist das Defizit in vielen Partnerstaaten gross. Eine stärkere Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft schafft Arbeitsplätze, hält gut ausgebildete Fachkräfte im Land und hilft den Staaten, sich gewinnbringend in die Weltwirtschaft einzubringen.
Cassis will unbedingt einen stärkeren Bezug zur Migration. Lassen sich damit wirklich Probleme in diesem Bereich lösen?
Ja, Migration ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Es ist wichtig, dass die Entwicklungszusammenarbeit darauf reagiert und sich fokussiert. Mit Massenauswanderungen kann Armut nicht nachhaltig gelöst werden.
Und wie soll das in der Praxis funktionieren?
Indem dem Menschen vor Ort eine menschenwürdige Zukunft ermöglicht wird. Die bilaterale Zusammenarbeit soll sich deshalb auf jene Staaten konzentrieren, die bereit sind, Migrationsfragen gemeinsam anzugehen. Ich denke da letztlich auch an Themen wie Rückübernahmeabkommen. Die Devise ist klar: Wer von der Schweiz unterstützt wird, muss bereit sein, zu kooperieren. Das soll sich zwingend in den Verträgen mit den betroffenen Ländern niederschlagen.
Sie fordern schon lange eine verstärkte Verknüpfung von internationaler Zusammenarbeit und Migration. Warum ist diese so wichtig?
Weil vor allem die Armutsmigration ein immer grösseres Ausmass annehmen wird und die Hilfe in der Region des Ursprungslandes für die CVP effizienter ist. Damit hängt übrigens auch die Forderung zusammen, dass die Regierungen in der Korruptionsbekämpfung kooperativ sind. Im Gegensatz zu anderen bürgerlichen Parteien hat sich die CVP immer gegen Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit gewehrt. Die eingesetzten Mittel sollen aber effizient verwendet werden.
Die OECD kritisiert die Schweiz: Ziel dürfe nicht primär sein, Migration zu verhindern. Der neue Kurs passe nicht zur Neutralität des Landes.
Nun gut, früher hat die OECD immer bemängelt, dass sich die Schweiz mit ihren Projekten geografisch und thematisch verzettle. Zu Recht. Jetzt konzentriert die Schweiz ihre Kräfte auf die Herausforderungen der Migration, das ist richtig so …
... auch mit Blick auf den so wichtigen Grundsatz der Neutralität?
Das hat keinerlei Auswirkungen. Es geht nicht um einen politischen Akt. Wie gesagt: weg von der Entwicklungshilfe, hin zur Entwicklungszusammenarbeit – darum geht es.
Also sehen Sie keine Gefahr, dass der gute Ruf der Schweiz Schaden nimmt?
Überhaupt nicht. Die Schweiz wird geschätzt für ihr vielfältiges humanitäres und entwicklungspolitisches Engagement. Doch unsere Entwicklungszusammenarbeit muss sich den neuen Herausforderungen anpassen. Darum braucht es neue geografische und inhaltliche Schwerpunkte.
Dass sich die Schweiz aus einem Land zurückzieht, das nicht kooperiert, will offenbar selbst Aussenminister Cassis nicht. Geht es am Ende also doch bloss um Symbolik?
Letztlich muss jedes einzelne Projekt für sich geprüft werden. Es soll aber erklärtes Ziel sein, die Schwerpunktländer zu Kooperationen zu bewegen. Nur so ergibt sich eine wirkungsvolle Zusammenarbeit.
Man müsste meinen das dies eigentlich jedem einleuchten sollte? Sozusagen das 1x1 der Entwicklungshilfe?