Schweiz
Interview

Dieter Widmer ist der «günstigste» Bankchef der Schweiz

Die AKB blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2018 zurueck. Der Geschaeftsertrag erhoeht sich gegenueber dem Vorjahr um CHF 4,8 Millionen und erreicht mit CHF 391,0 Millionen einen neuen Hoechstwert. Der  ...
Bild: Aargauische Kantonalbank/Keystone
Interview

«Geld ist nicht alles» – Dieter Widmer ist der «günstigste» Bankchef der Schweiz

Dieter Widmer führt eine grosse Kantonalbank, doch er verdient viel weniger als seine Kollegen bei der Konkurrenz. Dies, weil der Kanton Aargau den CEO-Lohn gedeckelt hat.
22.04.2023, 16:0422.04.2023, 16:05
Patrik Müller / ch media
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Der Chef der Zürcher Kantonalbank verdiente letztes Jahr für acht Monate 2.7 Millionen Franken, andere Kantonalbankchefs deutlich über 1 Million – doch der Chef der Aargauischen Kantonalbank AKB muss sich mit 610'000 Franken zufriedengeben.

Denn der Lohn des AKB-Chefs wurde 2015 vom Kantonsparlament gedeckelt, auf das Doppelte eines Regierungsratslohns. Auch wenn noch Pensionskassenbeiträge von rund 120'000 Franken hinzukommen, ist Dieter Widmer der «günstigste» Chef einer grösseren Bank in der Schweiz.

Fühlen Sie sich unterbezahlt?
Dieter Widmer:
Nein, für mich stimmt dieser Lohn. Ich habe drei Viertel meines Erwerbslebens bei der Aargauischen Kantonalbank verbracht und hier die Möglichkeit bekommen, diesen tollen Job auszuüben. Ich bin mit vollem Herzen dabei und durchaus gut bezahlt, es interessiert mich nicht gross, was andere verdienen.

«Ich finde interne Karrierechancen wichtig, aber wir brauchen natürlich auch Mitarbeitende von aussen»

Sie wurden Mitte 2018 CEO, nachdem zwei externe Konzernchefs über Affären gestolpert waren. Als interner Kandidat waren Sie «günstiger» - aber offensichtlich sind Sie deswegen nicht schlechter, im Gegenteil: Die AKB ist erfolgreicher denn je, eben hat sie einen Rekordgewinn geschrieben.
Die starken Ergebnisse der AKB werden durch das ganze Team erwirtschaftet. Natürlich hat die Geschäftsleitung mit ihren Entscheiden, Massnahmen und ihrem persönlichen Einsatz einen wichtigen Einfluss darauf. Aber der Erfolg hängt eben nicht einfach nur von den Chefs ab, das wird in Grossunternehmen manchmal vergessen. Hinzu kommt: Der Lohn ist ein wichtiger Faktor, aber bei Weitem nicht der einzige – und auch nicht der entscheidende Ansporn für Leistung und Einsatz.

Der Bankrats-Präsident der AKB sagte, als das Parlament den Lohndeckel beschloss, dieser «schwäche» die Bank, ja sie könne deswegen gar «in Schwierigkeiten geraten». Ein Irrtum, wie sich jetzt zeigt!
Es wäre für die AKB sicher schwieriger, einen Externen als CEO zu holen, da nur wenige freiwillig auf ein paar hunderttausend Franken verzichten. Wenn einer von unten kommt wie ich, dann ist es etwas anderes. Ich finde interne Karrierechancen wichtig, aber wir brauchen natürlich auch Mitarbeitende von aussen.

Gegner des Lohndeckels warnten damals davor, viele Top-Leute würden nach Einführung einer Lohnobergrenze abspringen. Ist das passiert?
Nein, denn wir haben bei der zweiten Führungsstufe und darunter die Löhne nicht gesenkt. Sonst hätten wir sehr gute Leute verloren. Je weiter unten jemand ist, umso wichtiger ist das Salär. Wir haben die Lohnschere enger gemacht. Meine Vergütung ist fünfmal so hoch wie der Medianlohn (der mittlere Lohn, die Red.), und sie ist 10.8-mal so hoch wie die tiefste Entschädigung.

Dann würden Sie die Juso-Initiative erfüllen, die damals ein 1:12-Verhältnis in der Verfassung festschreiben wollte.
Richtig. Innerhalb der Geschäftsleitung haben wir übrigens kaum ein Gefälle, meine GL-Kollegen haben nur unwesentlich tiefere Vergütungen als ich.

Stört Sie das nicht?
Nein. Ich zahle meine Rechnungen mit meinem Lohn und nicht mit der Differenz zu meinen Kollegen. Und ich kann auch nicht mehr als zwei Koteletts pro Tag essen.

«Wenn sich die Leute ganz oben nur noch wegen des Geldes anstrengen, dann wird es gefährlich»

Bei der Credit Suisse haben Boni offensichtlich zu Fehlanreizen geführt. Auch die AKB kennt Boni, wenn auch viel tiefere. Warum braucht es überhaupt Boni?
Der Bankrat hat keine Boni, die Geschäftsleitungsmitglieder bis zum Mitarbeiter herunter schon. Ich finde das richtig, solange das Mass vernünftig ist. Bei uns machen die Boni eine einstellige Prozentzahl des Geschäftserfolgs aus. Der Bonus hat einen Leistungs- und einen Erfolgsteil. Wenn die Leistung stimmt und das Unternehmen Erfolg hat, dann sollen die Mitarbeitenden über alle Stufen hinweg daran teilhaben.

Bei der CS gab es Boni auch dann, wenn die Bank riesige Verluste schrieb.
Das wäre bei uns anders. Allerdings hat die AKB noch nie einen Verlust geschrieben. Aber geschähe das, würde es keinen Erfolgsanteil geben. Somit wäre auch schon ein Sparbeitrag für das Unternehmen geleistet. Diese Logik war mit ein Grund dafür, dass ich beim Amtsantritt sagte, ich wolle kein Fixsalär von 600'000 Franken, sondern 100'000 Franken davon variabel.

Und dem Personal würden Sie den Bonus im Verlustfall auch streichen?
Der Geschäftsleitung, ja, beim Personal müsste man differenzieren.

«Vertrauen lässt sich nicht regulieren, die Firmenkultur ebenso wenig»

In Zürich und Basel laufen zurzeit politische Diskussionen über den Lohn des Kantonalbank-Chefs, ebenso in Baselland. Warum, glauben Sie, gibt es noch immer so grosse Ängste, dass sich ohne Millionen-Lohn kein guter Chef finden lässt?
Wahrscheinlich wird die Bedeutung des Cheflohns überschätzt. Am Ende sind immer die Motivation und die Unternehmenskultur entscheidend. Bei der CS hat die Firmenkultur nicht gestimmt. Wenn sich die Leute ganz oben nur noch wegen des Geldes anstrengen, dann wird es gefährlich. Bei international tätigen Banken wird diese Gefahr nie ganz wegzubringen sein; für die Kantonal- und Regionalbanken ist die Frage der Kultur und der Identifikation aber eine grosse Chance.

Wer rein geldgetrieben ist, läuft Gefahr, wichtige Entscheidungen für das Unternehmen nur darauf auszurichten?
Es ist oft eine Frage des Egos, bei Männern vielleicht noch ausgeprägter als bei Frauen: Man schaut nicht, was man selbst verdient, sondern was der andere verdient, und will dann mehr als der. Diese Ego- und Vergleichsmentalität treibt die Cheflöhne, bei Weitem nicht nur in der Bankenwelt. Ich wehre mich dagegen, dass man Bankangestellte generell als geldgetrieben darstellt. Es sind Menschen wie alle anderen auch, oft sehr gute Leute, übrigens auch bei der CS. Und es ist nun einmal so, die Bankbranche hat eine sehr hohe Wertschöpfung.

Sind Sie dafür, dass die Politik die Cheflöhne und die Boni bei den Banken reguliert?
Es ist ein Irrtum, zu glauben, alle Probleme liessen sich durch Gesetze und Vorschriften beseitigen. Vertrauen lässt sich nicht regulieren, die Firmenkultur ebenso wenig. Daran muss man stetig arbeiten. (aargauerzeitung.ch)

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56 Kommentare
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Nummy33
22.04.2023 16:35registriert April 2022
immer noch ein super Lohn aber nicht so völlig überrissen wie andere. Warum können das andere Kantone das nicht auch einführen?!
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Katerchen
22.04.2023 17:15registriert März 2023
Sehr sympathisches Interview. Die Deckelung des Gehalts bei Staatsbetrieben ist das einzig richtige!
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Nefelibata
22.04.2023 16:39registriert Februar 2023
Solide, langfristig ausgelegte Unternehmen verlieren nicht die Besten, wenn sie die Löhne deckeln. Sie verlieren die Risikobereiten die zwar für hohe Gewinne, aber auch für hohe Verluste sorgen.
Und wenn man diese Kultur eben nicht haben will, gewinnen sie so die Besten für ihre Unternehmensstrategie, die u.u. sonst nieeine Chance gehabt hätten.
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