«Reaktion auf Komplizenschaft im Genozid in Gaza» – Studierende besetzen Universität Bern
Rund 60 Studierende haben am Sonntagabend um 18 Uhr Räumlichkeiten der Universität Bern an der Unitobler im Länggassquartier besetzt. Bei den Besetzern handelt es sich laut einem Sprecher mehrheitlich um Studierende der Uni Bern. Zur Teilnahme am Protest eingeladen seien aber auch alle anderen Menschen.
«Die Besetzung ist eine Reaktion auf die Komplizenschaft der Universität Bern im anhaltenden Genozid in Gaza und der Kolonialisierung Palästinas», schreibt die Gruppe «UniBern_Besetzt» in einer Medienmitteilung.
Aufruf zu akademischem Boykott
«Viele israelische Universitäten sind aktiv am israelischen Besatzungsregime, Siedlerkolonialismus und Apartheid beteiligt», heisst es in der Mitteilung weiter. An israelischen Universitäten würden Waffen, Überwachungstechnologien und Militärstrategien entwickelt, welche die israelische Armee gegen die Palästinenserinnen und Palästinenser einsetze.
Aus diesem Grund fordern die Studierenden, die akademischen Beziehungen der Universität Bern zu allen israelischen Institutionen zu beenden.
Kritik an «repressivem Klima»
Zudem kritisieren die Studierenden das «repressive Klima» an der Universität Bern. So habe die Universität mit der Kündigung eines Mitarbeiters, der Beurlaubung einer Professorin und der Auflösung des Instituts für Nahostwissenschaften die akademische Freiheit von kritischen Mitarbeitenden in Solidarität mit Palästina angegriffen. Die Besorgnis über die Erosion der akademischen Freiheit wurde von 531 Schweizer Akademiker in einem offenen Brief geteilt.
Gleichzeitig sei ein «zionistischer Professor», der angeblich einem Studenten gegenüber handgreiflich wurde, nahezu frei von Konsequenzen geblieben. Die Studierenden werfen der Universitätsleitung aufgrund dieser Handlungen vor, eine klare politische Position im Krieg bezogen zu haben. Sie bemängeln zudem das Fehlen «jeglicher offiziellen Verurteilung des Genozids in Gaza».
Die Studierenden wollen die besetzten Räumlichkeiten zur «Wissensproduktion durch Diskussionen, Workshops oder kulturellen Angeboten» nutzen, wie der Stellungnahme zu entnehmen ist. Sie tolerieren keine Diskriminierung und fordern die Universität dazu auf, die «friedliche Besetzung» zu respektieren und mit den Studierenden in Dialog zu treten.
Uni wartet ab
Die Uni-Leitung liess zunächst offen, ob sie die Besetzer gewähren lassen will. Sie beobachte die Situation aufmerksam, schrieb sie in einer Stellungnahme.Die Diskussion zum Thema sei wichtig, solle jedoch im Rahmen eines geordneten Betriebs erfolgen. Die Uni wolle den Unterricht an der Hochschule vollumfänglich gewährleisten und falls nötig «Massnahmen treffen, die dies zulassen».
Mit der Universitätsleitung nahmen die Besetzer nach eigenen Angaben unmittelbar nach Beginn der Aktion Kontakt auf. Gegenüber Medienschaffenden beteuerten sie, den Betrieb ab Montag nicht stören zu wollen.
«Wir nehmen uns bloss Raum, um auf unsere Anliegen aufmerksam machen zu können», sagte eine Aktivistin. «Wir werden so lange bleiben, wie es nötig ist.» Der Protest solle in jedem Fall friedlich bleiben.
«Zensur» angeprangert
Pro-Palästina-Proteste hatte es vergangene Woche auch in Genf, Lausanne und Zürich gegeben. In Bern hatte die Uni Anfang Jahr entschieden, das Nahost-Institut in der jetzigen Form aufzulösen. Sie reagierte damit auf die Resultate einer Administrativuntersuchung, nachdem sich ein Dozent des Instituts positiv zum Hamas-Angriff auf Israel geäussert hatte.
Die Besetzer sprachen am Sonntag von «Zensur, welche die akademische Freiheit von kritischen Mitarbeitenden in Solidarität mit Palästina angreift». Durch dieses repressive Klima erfülle die Uni Bern nicht die Rolle des «progressiven» Raums, den sie sein wolle.
Hausverbot in Genf
Nach der Universität Lausanne, ETH Zürich und Universität Genf ist es die vierte Besetzung von Universitäten in der Schweiz.
Als Reaktion auf die pro-palästinensischen Proteste und die Besetzung von Räumen verhängte die Universität Genf am Samstagabend ein Hausverbot für Aussenstehende. Die Massnahme erfolge aus Sicherheitsgründen und weil die Protestierenden ihre Besetzung ausserhalb der normalen Öffnungszeiten beibehalten wollten, begründete die Universitätsleitung den Schritt.
Der Zutritt sei ab sofort auf Mitglieder der Universitätsgemeinschaft, Studentinnen und Studenten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschränkt, welche ihre Karte vorweisen. (aargauerzeitung.ch/wro/lyn/sda)
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