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Zürcher Gericht verurteilt Sexarbeiterin wegen Messerangriff auf Freier

Zürcher Gericht verurteilt Sexarbeiterin wegen Messerangriff auf Freier

18.01.2024, 20:2818.01.2024, 20:57
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Das Bezirksgericht Zürich hat eine 20-jährige Transfrau nach einem Messerangriff auf einen Freier wegen versuchter schwerer Körperverletzung schuldig gesprochen. Es verhängte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einen Landesverweis von fünf Jahren.

Das Gebaeude des Bezirksgerichts an der Wengistrasse 30 in Zuerich fotografiert am 3. Oktober 2016 in Zürich. (KEYSTONE/Manuel Lopez)
Das Gebäude des Bezirksgerichts in Zürich.Bild: KEYSTONE

Die Rumänin, die seit knapp einem Jahr in Sicherheitshaft sitzt, wird nach dem Urteilsspruch am kommenden Montag dem Migrationsamt zugeführt und ausgeschafft, wie der Richter in seiner Urteilsbegründung festhielt. Dies, sofern die Staatsanwaltschaft bis dahin keine neuen Anträge auf Haft stellt.

Mit der Ausnahme einer kurzen Zeitspanne war im Fall, den das Bezirksgericht Zürich am Donnerstag verhandelte, eigentlich alles klar: Ein Mann betrat am 9. März 2023 das kleine Appartement einer als Sexarbeiterin tätigen Transfrau in Zürich, vier Minuten später verliess er es nackt und blutend, wie eine Überwachungskamera im Eingangsbereich der Liegenschaft zeigte.

Das Blut stammte - auch dies unbestrittenermassen - von einem Küchenmesser, mit dem die Transfrau dem Freier mehrmals in die Oberschenkel gestochen hatte. Was aber in den vier Minuten geschah, darüber wurden vor Gericht zwei Versionen präsentiert.

Angriff oder Notwehr?

Der Mann habe mit einer Sexarbeiterin ein Treffen vereinbart, hielt die Staatsanwältin in ihrer Anklage fest. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um eine Frau handle, die ihn oral befriedige. Doch als sie sich dann weigerte, auch die Unterhosen auszuziehen, habe er gemerkt, dass es sich um eine Transfrau handle.

Als der Freier daraufhin sein Geld, die bereits übergebenen 100 Franken, zurückforderte, habe die 20-Jährige unvermittelt dreimal mit einem Küchenmesser in die Oberschenkel des Mannes gestochen.

Der Mann sei neugierig gewesen und habe gewusst, auf was er sich einlasse, sagte hingegen die Beschuldigte vor Gericht. Er habe sich in früheren Chats ja auch schon nach ihrer Penisgrösse erkundigt.

Als sie dann ihre Unterhosen heruntergezogen habe, habe er aber merkwürdig reagiert; er sei wohl wegen ihres nach siebenjähriger Hormon-Einnahme verkleinerten Penis unzufrieden gewesen, sagte die 20-Jährige. Er habe sie gewürgt und an den Haaren gezogen. Aus Todesangst habe sie ein am Boden liegendes Messer ergriffen und ein-, zwei-, dreimal zugestochen, bis er sie losgelassen habe und sie sich im Badezimmer habe einschliessen können.

Keine Beweise - einige Indizien

Für die Version der Staatsanwaltschaft mangle es an den sicheren Beweisen, hielt die Verteidigerin in ihrem Plädoyer fest. «Mit grosser Wahrscheinlichkeit hat es sich nicht so zugetragen.» Es habe vielmehr eine Notwehrsituation vorgelegen. Ihre Mandantin sei vom Vorwurf der Körperverletzung freizusprechen und sofort aus der Sicherheitshaft zu entlassen.

Die Staatsanwältin stufte die Aussagen der Transfrau hingegen als nicht über alle Zweifel erhaben ein; sie seien nicht logisch und wiesen Brüche auf. So seien an deren Hals, Kopf und Rumpf keine Verletzungen festgestellt worden, und alle künstlichen Fingernägel seien ganz gewesen. «Das spricht gegen Kampfhandlungen.»

Der Freier habe durch die Messerstiche zwar keine akut lebensgefährlichen Verletzungen erlitten, hielt die Staatsanwältin weiter fest. Doch nur zufällig sei keine Schlagader erwischt worden. Wegen versuchter schwerer Körperverletzung sei die Frau zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und einem Landesverweis von sieben Jahren zu verurteilen.

Motiv spielt keine Rolle

Ob der Freier nun gewusst habe, ob er sich mit einer Frau oder einer Transfrau treffe, spielte für das Gericht letztlich keine Rolle. Die gefährlichen Messerstiche seien erfolgt, eine Notwehrsituation habe nicht vorgelegen, hielt der Richter sinngemäss fest.

Er verwies wie die Staatsanwältin auf widersprüchliche Aussagen. So sei etwa auf Aufnahmen der Überwachungskamera ersichtlich, dass der Mann nackt und blutend aus der Wohnung gestürmt sei, hielt der Richter etwa fest. Hätte sich die Frau wie von ihr vorgebracht im Badezimmer eingesperrt, hätte er sich wohl noch kurz angezogen. (sda)

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3 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Voraus denken!
19.01.2024 06:36registriert März 2022
Welchen Grund gibt es, dass man keine lebenslangen Landesverweise ausspricht? Ich meine damit echt lebenslang, nicht so wie bei den Gefängnisstrafen.

Wir haben genügend einheimische Verbrecher, es braucht keine zusätzlich zugereisten.
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