Am Freitagmorgen fand die Polizei die Leichen von zwei älteren Personen in einer Wohnung in Zürich-Albisrieden. Der Mann erschoss mutmasslich die Frau und dann sich selbst. Noch sind die Hintergründe unklar. Sollte es sich aber herausstellen, dass es sich um einen Mord innerhalb einer Beziehung handelt, wäre dies der siebte Fall diesen Sommer, alleine in der Region Zürich.
Am Montag erst tötete ein 37-jähriger Mann seine von ihm getrennt lebende Frau in Dietikon ZH mit einem Messer. Es sind die jüngsten Beispiele eines tödlichen Phänomens. Männer töten Frauen aus Eifersucht, Besitzanspruch oder Verlustangst. Alle zwei Wochen verliert in der Schweiz eine Frau ihr Leben durch die Hand eines Mannes, mit dem sie in einer Beziehung gestanden hatte. Letztes Jahr starben so zwei Dutzend Frauen.
Der mutmassliche Täter von Dietikon war der Polizei bekannt. Er hatte zeitweise wegen häuslicher Gewalt und Drohung ein Kontaktverbot zu seiner Ehefrau und war nur Stunden vor der Tat vor der Wohnung des späteren Opfers weggewiesen worden. Die Polizei geriet darum in die Kritik. «Die Polizei hat versagt!», sagte Susan Peter, die Präsidentin der Dachorganisation der Schweizer Frauenhäuser, zur Zeitung «Blick».
Nun nimmt die höchste Schweizer Polizistin die Zürcher Beamten in Schutz. «Es ist total daneben, wenn man der Polizei die Schuld für die Morde an den Frauen in die Schuhe schiebt», sagt Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Schweizerischen Polizeibeamtenverbandes. Sie gibt zu bedenken, dass die Möglichkeiten der Polizei beschränkt seien. Während ihrer Zeit als Polizistin in Chur erlebte sie immer wieder, dass Frauen um Hilfe baten und sie gerne mehr getan hätte, um diese zu schützen. Bundi Ryser sieht zwei Möglichkeiten, wie Frauen besser vor gewalttätigen Männer geschützt werden können: Präventivhaft und eine Verbesserung des Informationsflusses zwischen verschiedenen Ämtern.
Wenn sich Frauen bei der Polizei melden, werden die Männer, von denen sich die Frauen bedroht fühlen, vorgeladen. Doch die gesetzlichen Hürden, um jemanden zu verhaften, bevor etwas Gravierendes passiert ist, sind laut Bundi Ryser sehr hoch. «Manchmal würde man einen Mann gerne präventiv dabehalten, doch kein Richter in der Schweiz bewilligt so etwas. Also müssen wir ihn wieder laufen lassen.»
Täter fielen zudem oft auf, bevor sie töteten, etwa bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb), in der Schule der Kinder oder auf dem Sozialamt. «Leider gelangen aber zu wenig Warnhinweise über solche Behörden zur Polizei. Der Datenschutz für die Täter wird höher gewichtet als das Schutzbedürfnis der Frauen», sagt Bundi Ryser. «Wir brauchen mehr Opferschutz und weniger Täterschutz.» Konkrete Vorschläge für Gesetzesanpassungen will Bundi Ryser keine machen. Sie appelliert aber an Politiker und Juristen, sich Gedanken zu machen, wie die Möglichkeiten für Polizisten, Frauen zu schützen, ausgebaut werden könnten.
Die Morde an Frauen werden derweil auch zum Thema der Frauenstreik-Bewegung. Am Donnerstag fand in Zürich innert kurzer Zeit bereits die zweite Kundgebung gegen Gewalt an Frauen statt. Unter dem Motto «Ni una menos» demonstrierten gemäss Veranstaltern rund hundert Frauen. Der Slogan ist spanisch und bedeutet «Nicht eine Frau weniger». Er stammt ursprünglich von Feministinnen aus Argentinien, von wo er sich auf ganz Lateinamerika und über Spanien auch in Europa ausbreitete. In diesen Ländern demonstrieren Feministinnen jedes Mal, wenn eine Frau ermordet wird. Die Morde prangern sie als «Femizid» an, weil Frauen getötet würden, nur weil sie Frauen sind.
Dies soll fortan auch in der Schweiz geschehen. Gemäss Salome Schaerer vom feministischen Frauen*streikkollektiv Zürich soll nun jedes Mal eine Kundgebung stattfinden, wenn es zu einem Femizid kommt. Dazu wurde der Helvetiaplatz bereits symbolisch in «Ni una menos»-Platz umgetauft. Für Schaerer sind die Frauenmorde die Folge einer sexistischen Gesellschaftsstruktur, in dem Männer Macht über Frauen ausüben.
Der Anteil von Frauen als Opfer bei Tötungsdelikten ist sehr hoch und der Anteil männlicher Täter ebenfalls. Eine Zunahme ist aber nicht feststellbar.