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Betrug von SBB-Angestellten: Sie kauften sich Luxusgüter für Millionen

SBB-Angestellte bauten ein Betrugssystem auf und finanizierten sich so über Jahre Luxusgüter.
SBB-Angestellte bauten ein Betrugssystem auf und finanizierten sich so über Jahre Luxusgüter.bild: shutterstock, montage: watson

Porsche, Pool & Partys: SBB-Angestellte finanzierten sich Luxus – mit Steuergeldern

Drei SBB-Baustellenverantwortliche bauten mit neun Ostschweizer Unternehmern ein fast perfektes Betrugssystem auf. Nur durch Zufall flog auf, wie sie drei Millionen Franken verschwinden liessen.
18.06.2022, 13:08
Andreas Maurer / ch media
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Die SBB haben während vier Jahren 3.2 Millionen Franken verloren und nichts davon gemerkt. Es war eine externe Firma, die den Fall aufdeckte. Sie hatte ein Thurgauer Bauunternehmen übernommen und bei der Prüfung der Buchhaltung gemerkt, dass etwas nicht stimmen konnte. Die Firma reagierte mit einer Selbstanzeige und liess so das Betrugssystem auffliegen.

10 Jahre Ermittlungen, 16 Verdächtige, 3 Freisprüche

Die Bundesanwaltschaft benötigte zehn Jahre, um den Fall zur Anklage bringen. Am 28. Juni stehen die vier Haupttäter vor dem Bundesstrafgericht.

Der Organisator des Betrugssystems war der Bauführer und vorübergehende Geschäftsführer des Thurgauer Bauunternehmens. Er war damals bekannt als SVP-Politiker. Nachdem die Bundesanwaltschaft sein Haus durchsuchen, seine zwei Autos beschlagnahmen und ihn zehn Tage in Untersuchungshaft stecken liess, trat er unter einem Vorwand aus der Politik zurück. Er schob zeitliche Gründe und angebliche Interessenskonflikte vor. Inzwischen ist er 52 Jahre alt und arbeitet wieder als Bauführer in der Privatwirtschaft.

Zu seinen Komplizen machte er drei langjährige Geschäftspartner, die in der Division Infrastruktur der SBB als Baustellenverantwortliche arbeiteten und ihre Büros im Bahnhofsgebäude von St.Gallen hatten. Sie sind 47, 57 und 60 Jahre alt, gebürtige Ostschweizer ohne Migrationshintergrund.

Blick auf den neu gestalteten Bahnhofsplatz mit der neuen Ankunftshalle, augenommen am Mittwoch, 29. August 2018, in St. Gallen. Der neue Bahnhof fuer 80 Millionen Franken wird heute Freitag nach drei ...
Bahnhof St.Gallen: Hier hatten die Betrüger ihre Büros.Bild: KEYSTONE

Das Strafverfahren richtete sich zwischenzeitlich gegen 16 Beschuldigte. Neun Ostschweizer Unternehmer wurden bereits per Strafbefehl verurteilt. Gegen drei wurde das Verfahren eingestellt, weil die Vorwürfe nicht bewiesen werden konnten oder wegen der langen Ermittlungsdauer bereits verjährt sind.

Die Anklageschrift, die neun Strafbefehle und drei Einstellungsverfügungen liegen CH Media vor. Sie zeigen, wie das Betrugssystem funktionierte. Der Geschäftsführer und seine SBB-Komplizen arbeiteten schon jahrelang zusammen. Sie wussten, was der SBB-Finanzabteilung auffällt und was nicht.

Ein fast perfektes Betrugssystem

Das Thurgauer Bauunternehmen stellte den SBB das Personal für ganze Baugruppen zur Verfügung. Die Arbeiten wurden im Stundenlohn aufgrund von Tagesrapporten verrechnet. Diese Rechnungen schickte der Geschäftsführer an die SBB, wo sie von seinen Komplizen freigegeben wurden. Einige waren echt, andere waren zu hoch und wieder andere waren frei erfunden.

Teilweise basierten sie auch auf gefälschten Rechnungen von Drittfirmen. Deren Geschäftsführer machten mit, um ihren Kumpels einen Gefallen zu tun und sich Aufträge zu sichern. Sie wussten aber nicht, dass sie Teil eines kriminellen Netzwerks waren.

Der Geschäftsführer gründete mit der Zeit auf Drängen eines SBB-Kumpels noch eine eigene Firma, um einige der Rechnungen über diese laufen zu lassen. So sollten die Millionenbeträge in der Buchhaltung unauffälliger platziert werden können.

Der Fall zerstört Lebensträume und Freundschaften

Als der Fall aufflog, gingen in der Ostschweiz einige Beziehungen in die Brüche. Ehen wurden geschieden. Familien zerstritten sich. Freundschaften gingen kaputt. Lebensträume platzten. Depressionen wurden diagnostiziert.

Die Einkaufsliste der Betrüger gibt einen Einblick in ihr Psychogramm. Sie verwirklichten sich Männerträume in der Midlife-Crisis: Sie liessen sich ihre Einfamilienhäuser verschönern, bauten einen Pool und einen Koiteich, schenkten einer Ehefrau einen Umbau ihres Kleidergeschäfts und einer Schwester eine Doppelgarage. Für sich selber beschafften sie starke Autos und Motorräder. Die Bähnler definierten sich nicht über die Bahn, sondern über PS.

Was sich die SBB-Betrüger gönnten: 10 Beispiele

  • Bauarbeiten an ihren Einfamilienhäusern: 1'306'286 Fr.
  • Kauf von Motorrädern der Marke Harley-Davidson: 261'420 Fr.
  • Bau einer Doppelgarage für Schwester: 117'348 Fr.
  • Kauf eines Offroaders Porsche Cayenne GTS: 90'580 Fr.
  • Erstellung eines Pools im eigenen Garten: 58'725 Fr.
  • Erstellung eines Rinderzauns auf eigenem Grundstück: 47'088 Fr.
  • Kauf eines Offroaders Subaru Outback: 31'000 Fr.
  • Erstellung eines Koiteiches im Garten: 25'575 Fr.
  • Umbau einer Boutique für Ehefrau: 24'000 Fr.
  • Finanzierung von privaten Festen: 9857 Fr.

Die Bundesanwaltschaft schreibt in ihrer Anklage, dass die SBB-Finanzabteilung keinen Anlass und «keine zumutbare Möglichkeit» hatte, die gefälschten Rechnungen zu überprüfen. Mit anderen Worten: Das Betrugssystem war perfekt. Hätte der neue Besitzer des Thurgauer Bauunternehmens mitgemacht, wären weitere Millionen verschwunden.

Ist eine Finanzabteilung aber wirklich nicht in der Lage, einen derartigen Betrug zu erkennen?

Monika Roth ist Compliance-Expertin und Strafrichterin. Sie sieht eine Lücke in der Kontrolle der SBB. Diese hätten die Rechnungen der Drittfirmen verlangen sollen. «Das ist nicht nur zumutbar, sondern erforderlich», sagt Roth. Ein derart dreistes Vorgehen sei im Bausektor nicht neu: «Das heisst, das Betrugsrisiko ist hier immer gross.» Sie fragt:

«Wieso ist den SBB nicht aufgefallen, wer hinter der Drittfirma steckt, die der Geschäftsführer gegründet hat?»

Die SBB sagen dazu nichts – mit Verweis auf das laufende Verfahren.

Eine weitere Frage lautet:

Was haben die SBB unternommen, damit sich ein derartiger Fall nicht wiederholt?

Auch dazu sagen die SBB nichts – ausser allgemeinen Phrasen wie dieser: «Die Sensibilisierung aller Mitarbeitenden auf die strikte Einhaltung der Compliance-Vorgaben gehört bei der SBB zur Daueraufgabe.»

Milde Strafen: Die Täter müssen nicht ins Gefängnis

Die Bundesanwaltschaft klagt das Quartett im abgekürzten Verfahren wegen gewerbsmässigen Betrugs und die Bähnler zusätzlich wegen ungetreuer Amtsführung an. Das bedeutet, dass sie mit den Beschuldigten und den SBB einen Deal ausgehandelt hat. Sie einigten sich auf die Strafen und Schadensersatzzahlungen.

Die Beschuldigten sind also geständig. Sie akzeptieren bedingte Freiheitsstrafen von anderthalb bis zwei Jahren. Sie müssen also nur ins Gefängnis, falls sie innert kurzer Zeit rückfällig werden würden. Roth stuft die Deliktsumme als «hoch», die kriminelle Energie als «sehr hoch» ein und die Strafen als «mild, aber gerade noch vertretbar» ein.

Die Täter anerkennen Zivilforderungen der SBB von insgesamt 650'000 Franken.

Mit dem abgekürzten Verfahren werden alle Parteien ein Risiko los: Die Beschuldigten müssen nicht ins Gefängnis, die SBB erhalten einen Teil des Geldes zurück und die Bundesanwaltschaft kann ihr ausuferndes Verfahren endlich abschliessen.

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105 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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HabbyHab
18.06.2022 13:22registriert Oktober 2014
Ach ja, ein SVP-Mensch betrügt um Millionen und kommt glimpflich davon, während er gleichzeitig wohl Sozialhilfebezüger als Schmarotzer beschimpft.
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Thomas Melone
18.06.2022 13:29registriert Mai 2014
Und es fällt auf, dass immer wieder SVP-Politiker sind, mit dieser Doppelmoral. Eigentlich möchten sie die Staatsbetriebe am liebsten zu Tode sparen. Wenn man sich dann aber an ihnen bereichern kann, greifen schamlos mit beiden Händen zu.
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kettcar #lina4weindoch
18.06.2022 13:41registriert April 2014
Also unter dem Strich bleibt für die Beschildigten 1-2 Jahre Bewährung und ein Gewinn von ca 2.5 Mio, richtig?
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