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Populär und ignoriert, engagiert und abgestraft – Künstler Hans Erni ist tot

Hans Erni, Schweizer Kunstmaler, Bildhauer und Grafiker

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Hans Erni, Schweizer Kunstmaler, Bildhauer und Grafiker
Hans Erni, porträtiert in seinem Atelier in Luzern. Der international bekannte Schweizer Maler, Grafiker und Bildhauer verstarb am 22. März 2015.
quelle: keystone / peter schneider
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Populär und ignoriert, engagiert und abgestraft – Künstler Hans Erni ist tot

22.03.2015, 12:4322.03.2015, 14:41
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Der Luzerner Kunstmaler und Grafiker Hans Erni ist tot. Er starb am Samstag genau einen Monat nach seinem 106. Geburtstag. Popularität und wirtschaftlichen Erfolg erlangte der einstige Avantgardist und Marxist mit Wandbildern, Lithographien und Plakaten.

Erni war als Künstler eine Ausnahmeerscheinung. Seine Schaffenszeit umspannte über 80 Jahre. Das breite Publikum liebte ihn als humanistischen Künstler mit virtuos-schönen Werken, die Kunstszene und vorübergehend auch die offizielle Schweiz schnitten ihn.

Geboren worden war Erni am 21. Februar 1909 in Luzern als Sohn eines Dampfschiff-Maschinisten. Er machte eine Lehre als Geometer und arbeitete als Bauzeichner.

Erni besuchte die Kunstgewerbeschule und ging dann nach Paris. Dort schloss er sich der Avantgarde an, machte Bekanntschaft mit Künstlern wie Picasso, Braque, Arp und Calder, und setzte sich für die abstrakte Kunst ein.

«Landesverräter»

Ernis Schaffen war bis zirka 1940 von einer grossen stilistischen Neugierde geprägt. Auf einen Schlag bekannt wurde er 1939, als er für die Landesausstellung das fünf Meter hohe und 91 Meter lange Monumentalgemälde «Die Schweiz, das Ferienland der Völker» schuf.

Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg brachten Erni zum Marxismus. Der Weltfriede lasse sich nur durch soziale Gerechtigkeit und dieser nur durch den Kommunismus erreichen, lautete sein Credo.

Die offizielle Schweiz brandmarkte Erni für diese Überzeugung zum Landesverräter: Ein Auftrag, Banknoten zu gestalten, wurde aus politischen Gründen abgebrochen, eine Teilnahme an der Kunstbiennale von Sao Paolo unterbunden. Unter dem Eindruck von Stalins Schreckensherrschaft und dem kommunistischen Dogmatismus wandte sich Erni später vom Marxismus ab.

Aufträge und Auszeichnungen

Damit wurde der Weg frei zur grossen Popularität. Erni erhielt Aufträge für Wandbilder und -teppiche, Reliefs, Mosaiken, Plastiken, Briefmarken, Plakate und Buchillustrationen. Er erhielt 1983 die Friedensmedaille der UNO, 1992 eine Goldmedaille des Internationalen Olympischen Komitees.

Künstlerisch entwickelte sich Erni seit 1940 nur noch wenig. Sein typischer Stil war zwar virtuos, aber manchen allzu gefällig und dekorativ. Typisch waren auch seine Motive – Pferde, Mutter und Kind, Sport, Technik, Natur, Friede und Mythologie.

Publikumsnah und glaubwürdig

Erni habe die Ansprüche erfüllt, die ein breites Publikum an die Kunst stelle, sagte der heutige Direktor des Zentrums Paul Klee Bern, Peter Fischer, als er 2009 zu Ernis 100. Geburtstag im Kunstmuseum Luzern eine grosse Hans-Erni-Ausstellung kuratierte.

Mit seinem humanistischen Engagement – etwa für das Frauenstimmrecht und den Schutz der Natur und gegen Atomwaffen – verkörperte Erni auch Glaubwürdigkeit. Zudem war er ein geschickter Verkäufer seiner eigenen Werke, die teils in grossen Auflagen verbreitet wurden.

Die Kunstkritik strafte den erfolgreichen Erni ab. Sie warf ihm vor, sich mit seiner plakativen und einprägsamen Kunst ins rein Dekorative zurückgezogen zu haben.

Erni selbst hielt vom Gegensatz «figürlich» und «abstrakt» nichts, wie er an der Feier zu seinem 100. Geburtstag erklärte. Abstraktion sei immer ein Teil der künstlerischen Arbeit.

Ein eigenes Museum

In öffentlichen Museen war Erni kaum zu sehen. 1979 eröffnete er in Luzern im Verkehrshaus der Schweiz sein eigenes Museum, das rund 300 Arbeiten zeigt.

Erni lebte in Luzern und im südfranzösischen Saint-Paul-de-Vence. Seit 1949 war er mit seiner zweiten Frau Doris Kessler verheiratet. Erni war fast bis zuletzt künstlerisch aktiv. Er könne nicht sein, ohne sich im Zeichnen zu äussern, sagte er noch an seinem 106. Geburtstag. (sda)

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