Die Vorwürfe sind happig. Was die Journalistin Anuschka Roshani in einem Gastbeitrag im deutschen «Spiegel» schreibt, hat es in sich. Darin dokumentiert sie die zahlreichen sexistischen und diskriminierenden Erlebnisse, die sie in ihrer Zeit als Redaktorin beim «Magazin» – der Samstagsbeilage der Tamedia-Zeitungen – erlebt hat. Roshani war dort von 2002 bis 2022 angestellt. Die Vorwürfe richten sich in erster Linie gegen den langjährigen Chefredaktor des «Magazins», Finn Canonica. Er leitete die Redaktion von 2007 bis 2022.
Roshani berichtet etwa, dass Canonica sie hinter ihrem Rücken als «die Ungefickte» bezeichnet habe. Oder dass er im Beisein anderer Journalisten zu ihr gesagt habe, ihr Mann hätte «einen kleinen Schwanz». Mit sexistischen Äusserungen hielt er sich auch in Redaktionssitzungen nicht zurück, wie die heute 56-Jährige schreibt: «Er benutzte in Sitzungen fast touretteartig das Wort ‹ficken›.» Und einmal, da lobte Canonica ihre Arbeit für ein Sonderheft mit den Worten: «Obwohl du eine Frau bist, hast du brilliert.»
Auch ihre Herkunft – Roshani ist Halbdeutsche und Halbperserin – nahm der ehemalige Chefredaktor immer wieder zum Anlass für Beleidigungen: Wenn sie in ihren Texten statt von «Guetzli», wie es im Schweizerdeutschen heisst, von «Keksen» schrieb, umkreiste der heute 57-Jährige das Wort und zeichnete ein verkehrtes Hakenkreuz daneben. Was Roshani schildert, bestätigen auf Anfrage von CH Media mehrere ehemalige Journalistinnen und Journalisten des «Magazins».
Die TX Group, zu der auch Tamedia gehört, gab 2021 eine Untersuchung in Auftrag, nachdem sich Roshani und andere Frauen mit Sexismus-Vorwürfen an die Unternehmensleitung gewandt hatten. Teile der Protokolle, in welchen Tamedia-Mitarbeitende ihre Erlebnisse schildern, liegen CH Media vor. Darin beschreibt ein ehemaliger «Magazin»-Mitarbeiter etwa, dass sich Canonica stets einer vulgären Sprache bedient habe, unablässig von seinem Penis gesprochen und es sich zur Aufgabe gemacht habe, über die Kleidung der Redaktionsmitglieder zu lästern. Wer den Ex-Chefredaktor darauf hinwies, dass er sich an seinem Verhalten störe, der sei fortan ignoriert worden.
Was die Gespräche mit den ehemaligen Redaktionsmitgliedern weiter zeigen: Canonica scheint sich eine Freude daraus gemacht zu haben, bei Redaktionsmitgliedern über deren Kolleginnen oder Kollegen herzuziehen, sie hinter ihrem Rücken schlechtzureden und sich dabei einer Lüge nach der anderen zu bedienen. Die Rede ist von einem «Klima der Angst», von «Unterdrückung» und «Willkür».
Anuschka Roshani schreibt in ihrem Beitrag davon, dass ihre Schilderung der Vorfälle und ihr Insistieren bei der Geschäftsleitung kaum etwas bewirkt hätten: «Bei mir entstand der Eindruck, dass die Tamedia-Führung meinen Fall, allen Lippenbekenntnissen zum Trotz, aussitzen wollte.»
Ende September erhielt Roshani schliesslich die Kündigung. Drei Monate zuvor verliess Canonica das «Magazin», er wolle «eine neue berufliche Herausforderung annehmen», schrieb Tamedia damals. Zuvor war er mehrere Monate krankgeschrieben. «Der Spiegel» hat sowohl Canonica als auch die TX Group mit den Vorwürfen konfrontiert. Canonicas Anwalt liess ausrichten: «Die Vorwürfe treffen nicht zu und werden vehement bestritten.» Ähnlich die Antwort von Tamedia. Man habe die Vorwürfe von Frau Roshani «sehr ernst genommen und akribisch prüfen lassen». Eine Untersuchung habe die Vorwürfe von Frau Roshani «zum überwiegenden Teil» nicht bestätigt.
Wie CH Media weiss, versendete die Geschäftsleitung von Tamedia am Sonntag – knapp zwei Tage nach der Veröffentlichung des Gastbeitrags im «Spiegel» – die Zusammenfassung eines zweiten Untersuchungsberichts an ihre Mitarbeitenden. Darin kam ein externes Anwaltsbüro zum Schluss, dass sich bis auf seinen Sprachgebrauch, die Hakenkreuzredigatur und das abschätzige Reden über andere «die Mehrheit der Vorwürfe» nicht habe erhärten lassen. Gleichwohl räumt Tamedia ein, dass die Aufklärung in diesem Fall zu lange gedauert habe. Es hätte erst gar nicht zu einem solchen Konflikt zwischen Roshani und Canonica kommen dürfen. Das sieht ein «Magazin»-Redaktionsmitglied ähnlich: «Ich bin enttäuscht und hoffe, dass man das in Zukunft anders handhabt.»
Bruno.is.back
PeteZahad
Komische Ergebnisse.
Das "bis auf" ist schon einiges mehr als drüber.
Enibasnehl