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80 Prozent der Kinder in Nothilfe erleben Suizid und Gewalt

epa11055463 Sri Lankan children draw pictures in their home in Colombo, Sri Lanka, 03 January 2024. Medical specialists in Sri Lanka are raising alarms about the perilous impact of substandard station ...
Kinder in den Rückkehrzentren haben keine Möglichkeit, sich von der Familie zurückzuziehen.symbolBild: keystone

80 Prozent der Kinder in Nothilfe erleben Suizid und Gewalt – Experten schlagen Alarm

Die Migrationskommission schlägt Alarm. Kinder, die im Asylbereich von Nothilfe leben, seien in ihrer Entwicklung gefährdet. Die Kommission fordert deshalb von der Politik einen Kurswechsel und wartet mit brisanten Ideen auf.
01.10.2024, 10:18
Reto Wattenhofer / ch media
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Abgewiesene Asylsuchende kommen in der Schweiz in der Regel ins Nothilfesystem. Sie erhalten 8 bis 12 Franken pro Tag und werden in Rückkehrzentren untergebracht. Ziel ist es, die Menschen minimal zu versorgen und keinerlei Anreize zu schaffen, damit sie in der Schweiz bleiben. Doch die Menschen verharren oft über Jahre in der Nothilfe. Betroffen sind davon auch rund 700 Kinder und Jugendliche.

Erstmals hat die Eidgenössische Migrationskommission (EKM) nun systematisch die Lebensumstände von Minderjährigen in der Nothilfe untersuchen lassen. Das Fazit des Expertengremiums, das den Bundesrat in Fragen der Migrationspolitik berät, bestätigt frühere Resultate. Bereits 2022 hatte die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) die Unterbringung – insbesondere von Kindern – in den Zentren des Kantons Bern kritisiert.

Psychischer Zustand ist «besorgniserregend»

Auch die am Montag publizierte Studie kommt zu einem eindeutigen Befund: «Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sind in ihrer Gesundheit, Entwicklung und ihrem Wohl gefährdet», heisst es darin. Als «besonders besorgniserregend» erachten die Autoren den psychischen Zustand der Minderjährigen.

In den Kollektivunterkünften seien sie traumatisierenden Erlebnissen ausgesetzt. Im untersuchten Zeitraum von einem Jahr erlebten zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern. Jeder Dritte war mit häuslicher Gewalt konfrontiert. Jeder vierte Minderjährige erlebte eine Inhaftierung oder einen Suizid. Nur 20 Prozent waren nicht von einem dieser Ereignisse betroffen.

Was laut Studie erschwerend dazu kommt: Die Kinder wohnen teilweise in abgelegenen Zentren mit der ganzen Familie in einem einzigen Zimmer und ohne Rückzugsmöglichkeiten. Häufig werden sie separat beschult, was soziale Kontakte zusätzlich erschwert. «Die Kombination von beengten Wohnverhältnissen, Gewalt und Armut zusammen mit der psychischen Belastung der Eltern ist ein erheblicher Risikofaktor für die kindliche Entwicklung», heisst es in der Studie.

Von Nothilfe zurück in die Sozialhilfe

In einem zweiten Schritt liess die EKM in einem Rechtsgutachten die Ergebnisse juristisch bewerten. Das Fazit der Rechtsfakultät der Universität Neuenburg ist ebenfalls eindeutig: Die Lebensbedingungen der Kinder seien nicht mit der Bundesverfassung und der UNO-Kinderrechtskonvention vereinbar. «Kinder brauchen mehr als das, was für das blosse biologische Überleben nötig ist», schreiben die Autoren.

Handlungsbedarf sieht auch die EKM. Politik und Behörden seien in der Pflicht, die Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche in der Nothilfe nachhaltig zu verbessern. «Die Rechte von Kindern und Jugendlichen müssen respektiert werden – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus», sagt EKM-Geschäftsführerin Bettina Looser. Konkret fordert die Kommission, dass Familien nicht in Kollektivunterkünften, sondern in Wohnungen untergebracht werden sollen. Auch soll die Nothilfe nach zwei Jahren in eine Sozialhilfe umgewandelt werden.

In die Pflicht nimmt die EKM auch die Kantone und Gemeinden, welche für die konkrete Ausgestaltung der Nothilfe verantwortlich sind. Angesichts der grossen Unterschiede zwischen den Kantonen seien «Spielräume vorhanden und wirksame Schritte schon heute möglich», betont die Kommission. Sie denkt dabei an die kindgerechte Unterbringung, den Schutz der Gesundheit und der kindlichen Entwicklung sowie an die soziale Integration.

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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O.TER
01.10.2024 10:54registriert Mai 2021
In die Pflicht genommen werden sollten an erster Stelle die Eltern. Sie haben die Kinder erst in diese Situation gebracht, indem sie sich weigern, die Schweiz zu verlassen, was sie als abgewiesene Asylsuchende tun müssten.
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El Mussol
01.10.2024 12:27registriert Mai 2023
Wenn es doch das Ziel ist, keine Anreize für einen Verbleib zu bieten, verstehe ich nicht, wie es sein kann, dass Familien dann doch jahrelang im Nothilfesystem bleiben (wollen). Sind 8-12CH/Tag und vermutlich(!) kostenlose Unterkunft/Verpflegung/ärztliche Versorgung doch schon zu viel Anreiz?
Warum gibt es keine zeitliche Höchstgrenze?
Denn je kürzer der Aufenthalt in solchen Rückkehrzentren, desto weniger Leid für die Kinder.

Oder wo ist allenfalls mein Denkfehler?
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Tobias W.
01.10.2024 13:14registriert Januar 2017
Das ist zwar schlimm und traurig, aber es ist und bleibt in der Verantwortung der Eltern dieser Kinder. Sie sollten die Schweiz verlassen. Aber anscheinend sind die 8-12 Franken pro Tag (in Kombination mit Kost und Logis) noch immer zu viel.

Man muss hier Härte zeigen. Schlimm für die Kids, aber ich sehe die Verantwortung bei ihren Eltern.
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