Jetzt sitzen sie also hier im Bieler Café du commerce. «200 Meter von hier», sagt Noah Veraguth, habe «alles angefangen». Es geht um Pegasus, eine der erfolgreichsten Schweizer Bands der jüngeren Zeit. Eben erst mit dem Zirkus Knie auf Tour gewesen. Gegründet 2003. Als Band von Freunden, die alle in derselben Strasse in Biel aufgewachsen sind.
Pegasus in der jetzigen Form gibt es nicht mehr lange. Zwei der Freunde wollen nicht mehr. Gabriel Spahni und Simon Spahr verlassen die Band Ende 2025. Im Guten, wie sie betonen, ohne böses Blut. Und doch ist es eine Art Scheidung. Wie bei einem langjährigen Paar, wo sich die Liebe ausgeschlichen und zu viel Routine eingeschlichen hat.
«Es fühlt sich schon etwas komisch an, jetzt über das sprechen zu müssen», sagt Veraguth. «Wir haben diese Entscheidung nun lange mit uns selbst mitgeschleppt, es ist gut, können wir sie jetzt kommunizieren», sagt Spahr. Und Stefan Brenner sagt: «Es wird schon spannend sein, was das mit uns macht.» Am runden Tisch im Bieler Café wird schnell klar: Alle sind sehr bemüht, das jetzt anständig über die Bühne zu bringen. Kein Nachtreten. Die Freundschaft zueinander, so sind sich alle sicher, werde das nicht zerstören.
Über den Trennungsprozess gibt es einen Film. «Pegasus: Eine Band macht Schluss … und wie die Geschichte weitergeht» heisst er und wird am Freitag um 22.15 Uhr auf SRF2 ausgestrahlt. Der Luzerner Filmemacher Ivo Amarilli wollte die Band ursprünglich bei der Produktion ihres neues Albums und der Tour mit dem Zirkus Knie begleiten. Mitten während der Dreharbeiten eröffnet Spahni seinen Kollegen, dass er aussteigen werde.
Und vom etwas gemächlichen Dok wird es zum Drama. Es ist ein toller Musikfilm geworden. Sehr nahe an den Menschen, sehr nahe an den Gefühlen, sehr nahe an den Hintergründen des Musikgeschäfts. «Wir waren ja bisher eher so, dass wir lieber die Musik für uns sprechen liessen und nicht die Personen in den Vordergrund stellten», sagt Veraguth, «und jetzt: Bumm.» Die Band habe viel diskutiert, ob sie tatsächlich will, dass sie filmisch begleitet wird. Am Ende haben sie sich – zum Glück für alle Zuschauerinnen und Zuschauer – dazu entschieden, weiterzumachen.
«Der Film tut mir schon weh», sagt Brenner. «Ich weiss nicht, ob ich ihn noch einmal anschauen werde», sagt Spahr. «Trotzdem war es wohl auch für uns wichtig, dass wir diesen Prozess so begleitet haben», sagt Spahni. «Ich glaube, man bekommt einen guten Einblick in unsere Band und in unsere Gefühlslage», sagt Veraguth.
In der besten Szene des Films sehen wir die Band, wie sie nach der Ausstiegsankündigung von Spahni zum ersten Mal wieder gemeinsam auf die Bühne geht. Beim Zirkus Knie in Bern. Es ist eine Mischung aus Anspannung, Nervosität, Ratlosigkeit, Pragmatismus und Aufbruch, die durch die Bildschirme spürbar ist.
«Ich will nicht, dass wir angeschlagen wirken», sagt Veraguth im Wohnwagen vor der Show zur Band. Spahni entgegnet: «Das werden wir auch nicht.» Veraguth: «Aber ich fühle mich angeschlagen.»
Pegasus, das wiederholt die Band immer wieder an diesem Nachmittag in Biel, sei mehr als die vier Personen, aus denen die Band besteht. «Es sind die Songs», sagt Spahni. «Es ist die Fähigkeit, diese so auf den Punkt zu bringen, dass die Begeisterung spürbar ist», sagt Spahr. «Es wird weitergehen», sagt Brenner. «Aber darüber will ich mir im Moment noch gar keine Gedanken machen. Zuerst haben wir noch ein Album und viele Shows, die kommen», sagt Veraguth.
«Twisted Hearts Club» heisst die Platte, die am kommenden Freitag erscheint. Geschrieben und produziert grösstenteils vor dem Bruch. Und trotzdem hört es sich über weite Strecken wie ein Break-up-Album an. «Cause I found all I need in you /So why don't you stay here», heisst es bereits im ersten Song. «I lost the best thing I ever owned/ The greatest love that I've ever known» in der Vorab-Single «How Much Can a Heart Break».
«Ich weiss, dass das esoterisch klingt, aber ich glaube wirklich, dass ich im Unterbewusstsein beim Schreiben der Songs vielleicht schon feine Signale gespürt habe», sagt Veraguth. In praktisch jedem der gewohnt grossflächigen Pop-Songs duftet es nach Abschied, verwelkter Liebe und leichter Traurigkeit. Obwohl es eigentlich allen ganz gut gehe, wie alle versichern.
Pegasus haben ein Händchen für eingängige Songs, die Emotionen transportieren. Offensichtlich auch unterbewusste. Es ist ein gutes Album geworden. Auf den Punkt gebracht und trotzdem mit grosser Geste angerichtet. Wie wird es sein, diese Herzschmerz-Balladen an Konzerten zu spielen, jetzt wo die Band in der jetzigen Form ein Ablaufdatum hat?
Brenner denkt kurz nach: «Frag mich das doch wieder beim zweitletzten Konzert.» Sie seien Profis genug. «Als Musiker musst du immer mal wieder auf die Bühne, wenn es dir nicht so gut geht, und das haben uns die Leute nie angemerkt», sagt Spahr. «Noch dauert das ja eine ganze Weile», sagt Veraguth.
Brenner und Veraguth machen weiter mit Pegasus. Wer die beiden Aussteiger an Bass und Gitarre ersetzt, wissen sie noch nicht. «Darum geht es jetzt auch noch nicht», sagt Veraguth. «Es wird weitergehen mit der Band, dafür sind diese Songs zu gut», sagt Spahr. «Pegasus ist grösser als wir alle», sagt Spahni.
Beide geben als Gründe für den Ausstieg an, dass es nach so vielen Jahren in einer Band Zeit werde, mal etwas anderes zu machen. Auch hier gibt es noch viele Fragezeichen, noch keine konkreten Pläne. Pegasus sei ein Vollzeitprojekt seit vielen Jahren, vieles musste der Band untergeordnet werden. Das allerdings gerne, wie sie betonen. Bis jetzt.
«Vielleicht stand die Band unserer Freundschaft manchmal sogar im Weg», sagt Spahr. «Wir haben uns eigentlich nur noch im Bandkontext getroffen», sagt Brenner. «Ich glaube, seit wir im vergangenen Sommer diesen Schritt beschlossen haben, hat sich unsere Freundschaft nur noch verstärkt», sagt Spahni. «Das finde ich auch. Zusammengeschweisst», sagt Veraguth.
«Wir waren nie die Band, die zusammen bräteln ging und über das Leben gesprochen hat», sagt Spahni. «Das ist eigentlich eine gute Idee, vielleicht sollten wir bald mal bräteln gehen», sagt Veraguth. Alle lachen. (aargauerzeitung.ch)
Zwei gehen, zwei bleiben... Diese Phase haben schon ganz andere Bands durchgemacht und die haben wirklich Musikgeschichte geachrieben.
Schön auch, dass es mit Pegasus trotzdem weitergeht.
Da werde ich mir meine schweizer Lieblingsband doch sicher noch ein oder zweimal bei der kommenden Tour zu gemüte führen.