Schweiz
Review

Generationen-Clash in der SRF-«Arena» über die Arbeit und Altersvorsorge

arbeit srf-arena magdalena erni
Magdalena Erni ist der Meinung, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit die psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden intakt bleibt. Bild: watson
Review

«Wir sind nicht bereit, bis zum Burnout zu arbeiten» – Generationenkonflikt in der «Arena»

In der «Arena» stand plötzlich eine Frage im Mittelpunkt: «Ist die Arbeit eine Qual, oder bereitet sie Freude?» Sie führte zu einem Generationenkonflikt zwischen Magdalena Erni und Valentin Vogt.
06.05.2023, 01:3006.05.2023, 12:21
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Arbeiten die Schweizerinnen und Schweizer, um zu leben, oder leben sie, um zu arbeiten? Diese und andere Grundsatzfragen bezüglich der Schweizer Arbeitswelt haben die «Arena»-Gäste diskutiert. Doch auch über die Pension, also das Leben nach der Lohnarbeit, und die damit einhergehende Problematik der Rentenfinanzierung debattierten die Gäste.

Die Gästerunde, welche diesen umfangreichen Themenkatalog diskutiert hat, wurde passend gewählt, denn sie war ebenso divers wie ihre Standpunkte. Die jüngste Diskussionsteilnehmerin war die 19-jährige Studentin Magdalena Erni, Co-Präsidentin Junge Grüne, und der älteste war der 71-jährige SP-Ständerat Hans Stöckli, welcher stolz verkündete, dass er sehr gern arbeiten würde und dies sicher auch noch ein paar Jahre länger tun würde.

Mit ihnen im Studio waren:

  • Valentin Vogt, Präsident Schweizerischer Arbeitgeberverband SAV
  • Gabriela Medici, Zentralsekretärin Sozialversicherungen Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB
  • Diana Gutjahr, Nationalrätin SVP
  • Marc Rüdisüli, Präsident Junge Mitte

Während der Diskussion appellierte Stöckli an die jungen Gäste im Publikum und sagte ihnen, dass sie sich an Konfuzius orientieren müssten und sich unbedingt einen Job suchen sollten, der ihnen gefalle. Denn so müssten sie nicht mehr «schaffen», sondern seien freudig bei der Arbeit. Er konkludierte: «Ich denke, das ist das Schweizer Volk. Schweizer sind alle Konfuzianer.»

Er fügte an, dass er nicht wisse, warum auf der Teilzeitarbeit herumgehackt würde, diese sei vor allem für Mütter von Vorteil und erlaube ihnen, sich besser in die Arbeitswelt zu integrieren.

«Schweizer sind alle Konfuzianer»

Video: watson

Stöckli war in diesem Moment wohl nicht bewusst, dass er mit seinen Worten eine neue Leitfrage in die Sendung brachte: Arbeiten die Schweizerinnen und Schweizer gerne oder ist ihnen die Arbeit eine Qual?

Erni stimmte Stöckli zu und erklärte, dass sie die Teilzeitarbeit als sehr wichtig erachte. Denn Freizeit bedeute nicht, dass man während dieser Zeit «frei» hätte, sondern man würde Betreuungsarbeit leisten oder den Haushalt erledigen.

Sie stellte die psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden ins Zentrum ihrer Argumentation: «Es geht darum, dass man sagt: ‹Ich bin nicht mehr bereit, bis zum Burn-out zu arbeiten. Ich setze eine Priorität bei meiner psychischen Gesundheit. Und ich nehme deswegen auch Lohn- und Renteneinbussen in Kauf.›»

«Ich bin nicht mehr bereit, bis zum Burn-out zu arbeiten»

Video: watson

Im ersten Moment pflichtete Valentin Vogt, der Präsident Schweizerischer Arbeitgeberverband, Erni bei und sagte, dass die Teilzeitarbeit wichtig sei und er damit kein Problem habe.

Doch dann sagte Vogt plötzlich: «Wenn ich dieser Diskussion zuhöre, habe ich das Gefühl, dass die Arbeit eine Strafe sei. Man verdient zu wenig, es ist anstrengend, man bekommt ein Burn-out und und und.»

Dann erklärte er seine Sicht: «Arbeit motiviert, sie gibt Strukturen, sie gibt Bekanntschaften, mit der Arbeit kann man sich weiterentwickeln. Herr Stöckli hat es gesagt, wir definieren uns in diesem Land zu einem grossen Teil über die Arbeit.»

«Arbeit motiviert, sie gibt Strukturen, sie gibt Bekanntschaften»

Video: watson

Und da war er: der Generationenkonflikt.

Während Vogt sprach, nickte Erni zwar, ihr Gesichtsausdruck liess aber erahnen, dass ihr die Worte von Vogt missfielen.

Sie konterte: «Ich würde auf gar keinen Fall sagen, dass wir nicht gerne arbeiten. Aber ehrlich gesagt, ist es die Aufgabe der Arbeitgebenden, möglichst attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen.» Beispielsweise müsse die Kinderbetreuung flächendeckender angeboten werden, damit Eltern überhaupt arbeiten könnten. Dies müsste dann aber die Politik regeln, sagte Erni.

«Es ist die Aufgabe der Arbeitgebenden, attraktive Bedingungen zu schaffen»

Video: watson

Die Frage, ob die Menschen in der Schweiz gerne arbeiten, oder nicht, war nach der Interaktion zwischen Erni und Vogt noch nicht vom Tisch. SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr brachte das Thema nochmals auf.

Sie sagte: «Mir kommt es in der Diskussion so vor, als ob Arbeit etwas Böses, etwas Schlechtes sei und man so schnell als möglich aus dem Arbeitsprozess wolle. Ich erlebe in unserem Unternehmen genau das Gegenteil: Die Leute, die das Rentenalter erreichen, sagen mir: ‹Ich weiss gar nicht, was ich nachher machen soll. Darf ich noch bleiben?›»

Gutjahr und Stöckli sind sich einig

Video: watson

Stöckli, der eigentlich schon längst in Pension könnte, aber noch immer arbeitet, stimmte ihr nickend zu. Gutjahr zeigte mit dem Finger in seine Richtung und sagte: «Wir haben hier ja ein gutes Beispiel.» Beide lächelten. Ein Moment von Verständnis und Zustimmung zwischen der SVP-Nationalrätin Gutjahr und dem SP-Ständerat Stöckli.

In der «Arena» zum Thema Arbeit fanden die linke und die rechte Seite doch einen Konsens, denn die Liebe zur Arbeit verbindet sie. Wie Stöckli sagte: «Schweizer sind alle Konfuzianer.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Der 1. Mai in der Schweiz
1 / 53
Der 1. Mai in der Schweiz
Kundgebungsteilnehmer laufen am traditionellen 1. Mai-Umzug, dem Tag der Arbeit, im Zeichen der «feministischen Revolution» durch Zürich.
quelle: keystone / ennio leanza
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
429 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Mg.
06.05.2023 02:09registriert März 2019
Ich denke nicht jeder hat das Glück soviel Befriedigung und Erfüllung in seinem Job zu haben. Es gibt viel Jobs die getan werden müssen. Um diese sollte es gehen, weil das meistens auch die Schwächeren (politische Vernetzung, Lohn, Bildung) sind. Um die muss man sich kümmern.
41015
Melden
Zum Kommentar
avatar
FrancoL
06.05.2023 01:43registriert November 2015
Wenn wir uns über etwas definieren und da stand die Arbeit im Raum, dann sollte diese Arbeit die viele, nicht alle, definiert auch so tragend sein, dass ALLE für ihre Leistung einen fairen Lohn bekommen, der ihnen eine etwas sorglosere finanzielle Ebene sichert. Das wäre die erste Basis um mit der Arbeit immEinklang zu sein, sie nicht als Bürde zu betrachten.
25018
Melden
Zum Kommentar
avatar
Resche G
06.05.2023 07:53registriert Februar 2016
Die Wirtschaft sollte den Menschen dienen und nicht umgekehrt.
Ich Arbeite 70% (Akademiker) in den restlichen 30% mache ich Haushalt und betreue Kinder damit meine Frau auch arbeiten kann. Und gerade die Arbeite zu Hause ist die bei weitem anstrengendste. Wir müssen endlich begreifen, das Haus und Care Arbeit auch Arbeit ist und für das funktionieren unserer Geselschaft unerlässlich ist.

Würden wir unsere Kinder fremd betreuen und 100% Arbeiten währe wir fleißig. Arbeiten wir weniger und betreuen unsere Kinder selber (obwohl anstrengender) werden wir kritisiert.
7310
Melden
Zum Kommentar
429
Genervter Grünen-Glättli in der Asyl-«Arena»: «Eine billige Art, Härte zu demonstrieren»
Für die wirklich schutzbedürftigen Flüchtenden hat es Platz, alle anderen soll die Schweiz ausweisen. Notfalls auch via Drittstaat. Mit dem Ruanda-Vorstoss von Petra Gössi können Grüne und SP überhaupt nichts anfangen. Sie fordern die Achtung der Menschenrechte und eine grosszügigere Asylpolitik.

Zarte 16 Jahre, 2 Monate und 6 Tage war der Spanier Lamine Yamal alt, als er diese Saison für Barcelona in der Champions League debütierte. Trainer Xavi liess den Teenager (Jahrgang 2007) gegen Royal Antwerpen für die letzten 22 Minuten ran.

Zur Story