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Review von SRF-«Arena»: Verspielt die Schweiz ihr Vertrauen?

Nur der Spezialgast Stefan Vogler bleibt beim Thema – und behilft sich dabei mit einem Spickzettel.
Nur der Spezialgast Stefan Vogler bleibt beim Thema – und behilft sich dabei mit einem Spickzettel.bild: screenshot srf
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In dieser SRF-«Arena» ging es um vieles, aber nicht um die Hauptfrage

CS, EU und Ukraine – Verspielt die Schweiz ihr Vertrauen in der Welt? Um diese Frage ist es in der SRF-«Arena» am Freitag gegangen. Damit hat sich die Sendung zu viel vorgenommen.
22.04.2023, 01:2022.04.2023, 15:49
Elena Lynch
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Diese «Arena» wollte viel. Sie wollte die drei politischen Baustellen besprechen (CS, EU-Abkommen und Ukraine) und anhand dessen die übergeordnete Frage beantworten, ob die Schweiz gerade ihr Vertrauen in der Welt verspiele. Das alles in der üblichen Sendezeit von rund 70 Minuten zu schaffen, ist, gelinde gesagt, sportlich.

Gelungen ist es ihr nicht, stattdessen verkam die «Arena» vom Freitag zu einer Wahlsendung, bei der sich die Parteien zu den grössten Debatten des Landes positionieren konnten – eine Gelegenheit, die sie angesichts der Wahlen im Herbst gerne nutzten, auch, um sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Der Einzige, der bei der Hauptfrage blieb, war der Spezialgast. Darum wird sich der Artikel vor allem auf seine Aussagen konzentrieren – und die parteipolitischen Schlagabtausche (so gut es geht) aussen vor lassen.

Aber von Anfang an. Wer war dabei?

  • Marcel Dettling, SVP-Nationalrat
  • Fabian Molina, SP-Nationalrat
  • Damian Müller, FDP-Ständerat
  • Andrea Gmür, Mitte-Ständerätin
  • Stefan Vogler, Markenexperte und Hochschuldozent

Und worum ging es? Der Moderator Sandro Brotz stieg so ein: «Die Marke Schweiz hat auch schon mehr geglänzt: Das CS-Debakel, kein Rahmenabkommen mit der EU und Kritik bezüglich der Haltung der Schweiz im Ukraine-Krieg. Muss sich die Schweiz neu erfinden?»

Mehr Selbstbewusstsein

Die Schweiz liegt auf dem Ranking der Ländermarken auf Platz 15. Alle im Studio 8 hätten erwartet, dass das Land besser abschneiden würde. Aber Damian Müller von der FDP sagt: «So what?»

Mit diesem Selbstbewusstsein legt Müller genau das Verhalten an den Tag, von dem sich der Markenexperte Stefan Vogler von Schweizerinnen und Schweizern manchmal mehr wünschen würde: «Es gibt noch ganz viele andere Rankings – und die sollten wir Schweizerinnen und Schweizer auch mal wieder anschauen und uns nicht immer nur selbst schlechtmachen.»

«Machen uns schlechter, als wir sind»

Video: watson

Diesem Ratschlag folgen die anwesenden Bürgerlichen, als sie auf die Frage antworten, ob die Schweiz gerade ihr Vertrauen in der Welt verspiele.

Müller von der FDP sagt: «Der Lack der Schweiz ist etwas angekratzt. Aber wir sind nicht da, um allen auf dieser Welt zu gefallen.»

Dem pflichtet Andrea Gmür von der Mitte bei, indem sie sagt: «Ich finde, wir haben immer noch einen guten Ruf, aber das Image der Schweiz ist schon etwas angekratzt. Wir müssen wissen, was wir wollen, und nicht nur, was wir nicht wollen. Meiner Meinung nach waren wir in der letzten Zeit zu sehr in der Defensive.»

Auch Marcel Dettling von der SVP folgt dem bürgerlichen Tenor: «Druck auf die Schweiz gibt es, seit es die Schweiz gibt. Wenn der Ruf der Schweiz in der EU so schlecht wäre, würden nicht so viele von dort zu uns kommen. Dass der Ruf der Schweiz beschädigt ist, erachte ich als dummes Zeug.»

Der Einzige, der findet, dass sich die Schweiz «in einer Krise» befindet, ist Fabian Molina von der SP: «Die Schweiz verhält sich in vielen Belangen nicht solidarisch, und hält an einem, ja, Geschäftsmodell auf Kosten von anderen fest und übernimmt aber gleichzeitig zu wenig Verantwortung. Das ist schlecht für die Schweiz, aber auch schlecht für die Welt.»

«Pf!»

In Bezug auf die Credit Suisse (CS) widerspricht Müller Molina diesbezüglich: «Was wir bei der CS und vorher bei der UBS gesehen haben, ist ein Versagen des Managements, aber zu sagen, dass die Schweiz am Rande ihrer Existenz sei, ist absolut falsch.»

Und schon kommt es zum ersten parteipolitischen Schlagabtausch, denn Molina schiesst scharf zurück: «Mir ist klar, dass die FDP nicht gerne über die Banken spricht. Denn die FDP hat verursacht, dass wir zum zweiten Mal in 15 Jahren in so einem Schlamassel sitzen. Das ist das Ergebnis von der Politik vom Freisinn von den letzten 30 Jahren.»

«Die Arroganz geht weiter»

Video: watson

Und als Gmür von der Mitte später sagt, dass sie auf der Seite des internationalen Finanzplatzes Schweiz stehe, der zu 99 Prozent hervorragend funktioniere, und die Schweiz ein extrem glaubwürdiges Land mit einem extrem glaubwürdigen Finanzplatz sei, hat Molina von der SP dafür nur ein «Pf!» übrig. Er ist überzeugt, der Schweiz hat das Debakel so sehr geschadet, dass sie ihr System überdenken müsse.

Gewissermassen gibt der Markenexperte Molina recht, relativiert aber auch. Vogler sagt: «Die Schweiz hat ihr Vertrauen in der Welt noch nicht verspielt. Doch sie wird eine grosse Delle vom CS-Debakel tragen. Es wäre viel besser gewesen, wenn wir einmal so einen richtig grossen Skandal gehabt hätten und den dann gut gehandhabt hätten. Stattdessen hatten wir eine Kumulation von Krisen, die sich schlecht auf die selektive Wahrnehmung auswirken: Die Schweiz hat nicht nur ein einmaliges Problem, sondern ständig Probleme. Und das ist schlecht.»

Und weiter: «Wichtig ist, wie wir uns im eigenen Land zu dieser Krise und unserer Identität verhalten. Das wird im Ausland durchaus angeschaut.»

«Machen wir einen Themenwechsel»

Video: watson

Fehlende Kommunikationskompetenz

Dabei ist vor allem Kommunikation wichtig – und auf die kam die Runde beim zweiten Themenblock, der Europäischen Union (EU), zu sprechen.

Dem Markenexperten fehlt die Auftrittskompetenz, vor allem bei Aussenminister Ignazio Cassis (FDP).

Er vergleicht den Bundesrat mit einem CEO: «Bei einem CEO von einem Unternehmen steht Kommunikationsfähigkeit beim Recruiting an oberster Stelle. In der Schweiz wählt man einen Bundesrat aber vor allem aus politischen Gründen. Das ist auch richtig so, denn das ist das Kerngeschäft. Und trotzdem: Was Kommunikation anbelangt, könnte der gesamte Bundesrat, nicht nur Cassis, ein Stück zulegen, gerade wenn es um sehr identitätsbildende Themen geht.»

Bezüglich der Beziehung Schweiz-EU kommt es zum parteipolitischen «3 zu 1», wobei Dettling von der SVP allein auf weiter Flur steht, weil er geradezu grundsätzlich gegen alles ist, was aus der EU gekommen ist oder künftig noch kommen wird. Besonders was die automatische Gerichtsübernahme anbelangt, ist er der Ansicht, dass man dieser niemals zustimmen dürfe: «Denn das ist die entscheidende Frage für die Schweiz, alles andere ist Beigemüse.»

«Schweiz für ein Butterbrot verkaufen»

Video: watson

Müller von der FDP sagt: «Bei der SVP ist das Parteiprogramm, mit denen kann man bei dem Thema nur schwer verhandeln. Doch man muss die Offenheit haben, überhaupt mal über den Inhalt zu diskutieren.»

Dieser Meinung war auch Gmür von der Mitte. Sie findet, dass der Punkt mit «den fremden Richtern», mit dem Dettling von der SVP argumentiert hat, nicht stimme: «Wir übernehmen jetzt schon so viel EU-Recht, wo die SVP nichts dagegen hat.» Die SVP sei einfach dagegen, dabei wisse sie ja gar nicht, was bezüglich der EU noch kommen werde.

Gutes Renommee

Bei der Diskussion über die Ukraine verliert die Runde die Hauptfrage zunehmend aus den Augen, bis Brotz schlussendlich nochmals den Bogen spannt und Müller von der FDP das Schlusswort übergibt: «Wir sind weiterhin ein verlässlicher Partner, weil wir innerhalb von vier Tagen, nachdem der grässliche Krieg ausgebrochen ist, die Sanktionen nachvollzogen haben. Summa summarum, die Schweiz hat weiterhin ein gutes Renommee. Wir müssen einfach verdammt aufpassen, dass wir es nicht unnötig aufs Spiel setzen.»

Dem Markenexperten bleibt da nur das Nicken.

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53 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Aldous Huxley
22.04.2023 07:55registriert Oktober 2022
Hier geht es um die alte Geschichte von Selbstwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung. Entgegen der tollen These von R. Köppel nutzt es nichts wenn ich mich für den tollsten Hecht halte und der Rest der Welt denkt ich sei ein A..... . Das Beispiel Trump illustriert dies sehr gut. Auf Ebene der Länder funktioniert es genau gleich, es bringt die Schweiz nicht weiter wenn sie sich und ihr Gebaren für untadelig und rechtskonform hält, so hat sie sich eingerichtet, gleichzeitig aber als überheblicher Rosinenpicker gesehen wird und zunehmend unter interntionalen Druck gerät.
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Chris_A
22.04.2023 09:03registriert Mai 2021
Finde es schon einigermassen schwierig, wenn ein Dettling sich in die Arena stellt und Behauptungen raushaut die nicht stimmen. Hat man in der SVP tatsächlich das Gefühl man könne der EU vorschreiben was EU Rechtsprechung ist. Und weil sie das natürlich nicht tun ist die EU nach Dettlings Ansicht stur und man verkauft die Schweiz für ein Butterbrot. Selten so einen Unsinn gehört.
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schoeggeli
22.04.2023 03:36registriert März 2023
Es ist nicht die Kommunikationskompetenz die fehlt - man versteht ganz grundsätzlich nicht, wie bedeutsam Kommunikation und die Wahrnehmung des Bundesrates und seiner Politik ist. An gut bezahlten Berater fehlt es nicht, man hat einfach mehrheitlich nicht verstanden, wie die heutige Welt funktioniert. In Kombination mit dem wenigen Vertrauen innerhalb des Bundesrates entsteht so ein Mix der toxisch ist für das Land und das Image der Schweiz in der Welt.
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