Die Coronakrise hat für leere Züge gesorgt - und für ein Loch in der Kasse der SBB. Der Fernverkehr, den die Bahn eigenwirtschaftlich betreiben muss, fuhr hohe Verluste ein. Die Verschuldung der Bahn ist deutlich gestiegen. Deshalb will der Bundesrat ihnen nun unter die Arme greifen.
Er hat eine Änderung des SBB-Gesetzes ausgearbeitet. Er will erstens den SBB einen einmaligen Kapitalzuschuss in der Höhe von maximal 1.25 Milliarden Franken zukommen lassen. Das entspricht in etwa der Höhe der Fernverkehrs-Verluste zwischen 2020 und 2022.
Zweitens soll die Finanzierung neu geregelt werden. Ab einem bestimmten Verschuldungsniveau soll der Bund nur noch Darlehen aus dem Bundeshaushalt gewähren dürfen statt wie bis anhin Tresoriedarlehen, die nicht der Schuldenbremse unterstehen. So kann das Parlament in Zukunft mitreden.
Drittens will der Bundesrat das Schwerverkehrsabgabegesetz ändern. Zwei Drittel des Reinertrags dieser Abgabe stehen dem Bund zur Verfügung. Dieser Anteil soll in den Bahninfrastrukturfonds (BIF) eingelegt werden, mit dem der Ausbau und der Unterhalt der Bahninfrastruktur finanziert werden - bis dessen Reserven ein Niveau von mindestens 300 Millionen Franken erreichen. Diese drei Punkte sind mehr oder weniger unumstritten.
Zoff zeichnet sich beim vierten Punkt ab: bei der Senkung des Trassenpreises, den die Bahnunternehmen an die Infrastrukturabteilung der SBB für die Benützung der Gleise bezahlen müssen. So soll die Rentabilität im Fernverkehr erhöht werden. Weil diese Gelder aber auch in den BIF fliessen, würde dieser geschwächt. Der Bundesrat verspricht, dies auszugleichen. Doch die Kantone glauben dies nicht so recht. Das zeigen ihre Antworten in der zu Ende gegangenen Vernehmlassung.
Die Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs (KöV) lehnt die Senkung rundweg ab. Der BIF sei für die Finanzierung der Bahninfrastruktur geschaffen worden, nicht für eine Quersubventionierung des Fernverkehrs, schreibt sie. Die meisten Unternehmen des öffentlichen Verkehrs hätten sich wegen der Pandemie verschulden müssen. Wenn nur die SBB eine solche Möglichkeit für einen Schuldenabbau erhielten, sei dies eine «ungerechtfertigte Sonderbehandlung».
Zudem habe sich die Nachfrage im ÖV zuletzt erholt. Eine «voreilige» Senkung der Trassenpreise sei nicht zielführend. Die kantonalen ÖV-Chefs sehen auch nicht ein, warum die zuerst aufgestellte Vorgabe für die SBB, dass sie 80 Millionen Franken pro Jahr einsparen sollen, plötzlich aus der Vorlage des Bundesrats gestrichen wurde. Sie seien weiter der Ansicht, dass die Bahn einen Beitrag an die eigene Entschuldung leisten solle.
In eine ähnliche Kerbe schlägt der Kanton Zürich. Er fordert die SBB zum Sparen auf. «Problematisch beziehungsweise ungenügend sind die Massnahmen, welche die zukünftige Entwicklung der Nettoverschuldung betreffen. Es werden keine Massnahmen zur Verbesserung von Effektivität (Abstimmung von Angebot und Nachfrage) und Effizienz (wirtschaftliche Erbringung) ergriffen», schreibt der Kanton.
Die Bahn müsse Massnahmen präsentieren, mit denen sie die Effektivität und Effizienz im Regionalverkehr - den der Bund und die Kantone subventionieren - verbessern wolle. Mit anderen Worten: Die SBB sollen bei ihren S-Bahnen und Regionalzügen Kosten sparen und ihr Angebot stärker nach wirtschaftlichen Kriterien ausrichten.
Die Trassenpreis-Senkung hält Zürich für «fragwürdig». Diese Preise sollten sich nicht nach der finanziellen Situation der Transportunternehmen richten, sondern die nachhaltige Finanzierung der Infrastruktur gewährleisten, schreibt er. Zudem scheine die Senkung nicht nötig: Vor der Krise habe der SBB-Fernverkehr jährliche Gewinne erwirtschaftet. Das sei in «nützlicher Frist» auch wieder zu erwarten.
Ähnlich äussert sich der Kanton Basel-Stadt. Er lehnt die Trassenpreis-Senkung ab. Die Reduktion würde sich «unter Umständen direkt nachteilig auf den BIF auswirken, indem weniger Mittel für die beschlossenen Ausbauschritte 2025 und 2035 zur Verfügung stünden», schreibt der Regierungsrat. Gleich sieht es der Kanton Luzern. Beide Kantone haben mit dem «Herzstück» respektive dem Durchgangsbahnhof grosse Ausbauvorhaben vor, die Milliarden kosten werden.
Nicht grundsätzlich gegen eine Senkung ist der Kanton Aargau. Er stimmt ihr unter der Bedingung zu, dass der Bundesrat die planmässige Umsetzung der Ausbauschritte garantiert und sicherstellt, dass es nicht zu Verzögerungen kommt aufgrund der Liquidität des BIF. Andernfalls seien die fehlenden Mittel mit Einlagen des Bundes sicherzustellen.
Zudem müsse der Bund sicherstellen, dass die Bahn Produktivitätssteigerungen realisiere und die im Regionalverkehr versprochenen Einsparungen einhalte. «Die starken Kostensteigerungen der Betriebskosten in den letzten Jahren müssen gestoppt werden können, damit das Angebot weiterhin finanzierbar bleibt», so der Aargauer Regierungsrat.
Er geht aber noch weiter - und stellt das System des Fernverkehrs infrage. «Grundsätzlich ist die Eigenwirtschaftlichkeit mit der Übernahme von finanziellen Risiken und Chancen verbunden. Bei einem Unternehmen, das sich in hundertprozentigem Besitz der öffentlichen Hand befindet, besteht die Gefahr, dass Risiken auf den Staatshaushalt abgewälzt werden», schreibt er. Das sei gerechtfertigt, «wenn die Eigenwirtschaftlichkeit nicht mehr durch eigenes Handeln gewährleistet werden kann», wie es während der Coronakrise der Fall war.
Mittlerweile bestimme aber das Parlament, welches Angebot es wünsche, und spreche die Kredite für notwendige Ausbauten «in der Erwartung, dass die gewünschten und durch zusätzliche Infrastruktur ermöglichten Leistungen auch gefahren werden».
Tatsächlich führt das System des vom Parlament beschlossenen Bahnausbaus dazu, dass im Verlauf des Prozesses oft Ausbauprojekte mit aufgenommen werden, die eher der Beschaffung einer Mehrheit in National- und Ständerat als einem zielgerichteten Ausbau der Bahninfrastruktur dienen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich für den Aargau die Frage, «ob der eigenwirtschaftliche Fernverkehr noch gerechtfertigt ist». Denn: «Das zu fahrende Angebot wird mit den Ausbauschritten indirekt bestellt, und - wie die vorliegende Gesetzesänderung zeigt - die Risiken werden durch die öffentliche Hand getragen.» (aargauerzeitung.ch)
Und trotzdem werden die Preise für die Endkunden erhöht und der öV wird unattraktiver..manchmal frage ich mich echt, wo das Geld landet.
Bitte nichts tot sparen....