Wenn am Montag wieder Leben in die Klassenzimmer kommt, wartet auf Tausende Schüler und Schülerinnen - nochmals der gleiche Lernstoff. Allein auf der Primarstufe bleiben jedes Jahr 1.2 Prozent sitzen, weil es beim Schreiben, Lesen und Rechnen hapert. Besonders davon betroffen sind Knaben, Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder mit wenig gebildeten Eltern. Dieses Szenario zieht sich wie ein roter Faden durch alle Schuljahre. Fast alle, um präzise zu sein.
Denn im letzten Jahr der obligatorischen Schule wiederholen vor allem Schülerinnen und Schüler mit bildungsaffinem Hintergrund eine Klasse. Ihre Eltern verdienen gut, haben einen Hochschulabschluss in der Tasche und wollen offensichtlich, dass ihr Nachwuchs auch eine akademische Karriere einschlägt.
Diese Deutung legt der Bildungsbericht Schweiz 2023 nahe. Diese Repetitionen stünden meistens im Zusammenhang mit dem Übergang ans Gymnasium, heisst es dort. Die Teenager mühen sich also nicht noch einmal ein Jahr lang mit den gleichen Unterrichtsthemen ab, weil sie diese partout nicht begreifen. Vielmehr geht es darum, dass sie im zweiten Anlauf eine bessere Note erreichen, die das Tor zum Gymnasium doch noch öffnet.
Das Zusatzschlaufen-Modell funktioniert. Die höchste Wiederholungsquote am Ende der obligatorischen Schulzeit weist der Kanton Wallis auf. Und tatsächlich: 80 Prozent der Repetenten landen danach im Gymnasium. In der föderalistischen Schweiz herrschen in den Kantonen naturgemäss unterschiedliche Regeln. Die Tendenz aber ist klar. Weitaus die meisten Wiederholungen dienen dazu, Kinder aus privilegiertem Haus an die Mittelschule zu schleusen.
Stefan Wolter ist Professor für Bildungsökonomie an der Universität Bern und Projektleiter des Bildungsberichts. Bei einem solchen Befund stellten sich Fragen zur Effizienz und Effektivität solcher Repetitionen, sagt er. Und: «Dass Kinder aus bildungsnahen Familien im Zusammenhang mit dem Übertritt ans Gymnasium häufiger ein Schuljahr wiederholen, wirft die Frage auf, ob es richtig ist, durch die Möglichkeit des Repetierens vor allem sozioökonomisch bessergestellten Jugendlichen den Zugang zum Gymnasium zu ermöglichen.» Ein ähnliches Fazit zieht Stephan Huber, Professor und Leiter des Instituts für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie der Pädagogischen Hochschule Zug: «Dadurch werden die Schereneffekte vergrössert und die Bemühungen um Chancengerechtigkeit gefährdet.»
Klassenwiederholungen gehen ins Geld. Gemäss dem Bildungsbericht verschlingen sie an der obligatorischen Volksschule jährlich 300 Millionen Franken. Der Nutzen solcher Repetitionen in der Schweiz ist aber kaum erforscht. Man segelt weitgehend im Blindflug und weiss zum Beispiel nicht, ob Kinder gewisse Kompetenzen dank einer Wiederholung erreicht haben oder ob dies auch ohne möglich gewesen wäre. «Es ist bildungspolitisch ein schlechter Entscheid, so viel Geld auszugeben und nicht zu wissen, was es bringt», sagt Wolter. Man müsse prüfen, ob diese Mittel nicht besser in Massnahmen investiert würden, um Repetitionen zu verhindern. Ein zusätzliches Schuljahr bedeutet nicht nur Mehrkosten für die öffentliche Hand, sondern auch ein verlorenes Jahr für den Einzelnen und damit eine Einkommenseinbusse; der Jahresmedianlohn in der Schweiz beläuft sich auf 80'000 Franken.
Das Wiederholen einer Klasse ist umstritten. Klaus Zierer, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Augsburg, schreibt in einer aktuellen Publikation mit Verweis auf den neuseeländischen Bildungsforscher John Hattie, das Zurückhalten eines Schülers führe in der Regel zu geringeren Leistungen. Stephan Huber von der Pädagogischen Hochschule Zug schlägt in die gleiche Kerbe: «Diverse Studien zeigen, dass die erhoffte Leistungssteigerung durch Klassenwiederholungen weitgehend ausbleibt.» Eine Repetition, die nur mehr Zeit für dasselbe bedeute, bringe meistens keine nachhaltige Verbesserung der schulischen Leistungen. Ein solcher Aufwand lohne sich nur, wenn Lernverhalten und Motivation gesteigert würden und die Schülerinnen und Schüler dank der Wiederholung intensiver lernten. Huber plädiert deshalb dafür, mehr Ressourcen in die individuelle Förderung zu investieren anstatt in Repetitionen. Dies sei auch kostengünstiger.
Nichtsdestotrotz können laut Huber Wiederholungen im Einzelfall sinnvoll sein - etwa nach langen krankheitsbedingten Absenzen oder Zeiten besonderer Belastung wegen persönlicher oder familiärer Krisen. (aargauerzeitung.ch)
Mach was aus deinem Leben! Bist du 16 und liebst Bücher? Mach Gym und Uni. Bist du 16 und willst spüren, was du geschafft hast? Mach eine Lehre. Wenn deine Eltern was gegen deine Entscheidung haben, werd erwachsen. Jetzt.
Ich meine reden die Eltern den Kindern ein bewusst schlechte Prüfungen zu schreiben? Oder besticht man Lehrpersonen für schlechtere Noten?😅
Wie kann sowas überhaupt möglich sein?
Ausserdem finde ich es daneben.