Schweizer Unternehmen sollen nicht schon eine betriebsinterne Lohngleichheitsanalyse durchführen müssen, wenn sie mehr als 50 Angestellte beschäftigen. Das hat der Ständerat im Rahmen einer ausserordentlichen Session zur Gleichstellung entschieden.
Mit 26 zu 14 Stimmen bei zwei Enthaltungen lehnte er am Mittwoch eine Motion von Eva Herzog (SP/BS) ab, welche dies wollte.
In der Schweiz müssen Unternehmen seit Sommer 2021 die Löhne von weiblichen und männlichen Angestellten vergleichen, wenn sie mehr als 100 Angestellte beschäftigten. So legten es die Eidgenössischen Räte fest. Herzog argumentierte, die Reichweite des mit dieser Vorschrift ergänzten Gleichstellungsgesetzes sei «nach wie vor sehr schwach».
Lediglich eine Minderheit der Unternehmen sei davon betroffen und auch nur eine Minderheit der Arbeitstätigen. Der Bundesrat lehnte den Vorstoss ab und sagte, 2025 werde er eine Zwischenbilanz zu den neuen Lohngleichheitsanalysen vorlegen.
Nein sagte der Ständerat auch zu einer Motion von Mathilde Crevoisier Crelier mit dem Titel «Arbeitszeit verkürzen!». Die SP-Ständerätin aus dem Kanton Jura wollte den Bundesrat beauftragen, Massnahmen zur mittelfristigen Senkung der Erwerbsarbeitszeit zu ergreifen.
Verschiedene Modelle seien denkbar, etwa die Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden oder die Viertagewoche. Verschiedene Studien und ein Test in Island zeigten, dass eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit positive Effekte habe.
Der Ständerat war sich aber mit dem Bundesrat einig: Die Regelung der Arbeitszeit sei den Sozialpartnern zu überlassen.
Ebenfalls auf Ablehnung stiess im Ständerat ein Vorstoss, der auf eine Stärkung der Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz abzielte.
Die ehemalige Tessiner Ständerätin Marina Carobbio (SP) hatte so erreichen wollen, dass dieses Thema in der beruflichen Grundbildung und in der Ausbildung zur gymnasialen Maturität obligatorisch wird. Das Berufsbildungsgesetz oder die Verordnung über die Maturitätsprüfung könnten entsprechend angepasst werden.
Sexuelle Gesundheit und Prävention von sexueller Gewalt würden auf der Sekundarstufe II im Sexualkundeunterricht und im Rahmen der fächerübergreifenden Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) behandelt, beschied ihr aber der Bundesrat. Es gebe keinen Handlungsbedarf. Die Mehrheit des Ständerats folgte dieser Meinung.
Ebenfalls nichts wissen wollte der Ständerat von einem Postulat von Lisa Mazzone (Grüne/GE) zur sogenannten «Pink Tax». Darunter versteht man laut der Genfer Ständerätin, dass speziell für Frauen vermarktete Produkte teurer sind als entsprechende Produkte für Männer. Das sei in Studien nachzulesen.
Mazzone wollte vom Bundesrat einen Bericht zum Ausmass dieser Preisunterschiede. Auch solle die Landesregierung Bereiche ermitteln, in denen Massnahmen getroffen werden müssten. Doch die Landesregierung beschied ihr mit Verweis auf Berichte aus Deutschland und Frankreich, systematische Mehrkosten für Frauen seien nicht erwiesen. Alle vier Vorstösse sind damit erledigt.
Zu Beginn der ordentlichen Sitzung des Ständerats hatte Präsidentin Brigitte Häberli-Koller (Mitte/TG) auf den Frauenstreiktag vom Mittwoch aufmerksam gemacht. Die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter sei eine Frage des Fortschritts, aber auch der Gerechtigkeit.
Deshalb müsse es «endlich selbstverständlich» sein, dass Frauen dieselben Löhne erhielten wie Männer, sagte Häberli.
Im Ständerat gab es am Mittwoch auch kritische Voten zum Streiktag: Dieser drohe, zu einem «Gewerkschaftsprofilierungsversuch» zu werden, sagte Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU). Auch Isabelle Chassot (Mitte/FR) sagte, die Forderungen der Streikenden gingen ihr zu weit. Frauen und Männer hätten zusammen einiges erreicht.
Zu einer ausserordentlichen Session berufen die Büros der beiden eidgenössischen Räte National- und Ständerat ein. Sie tun dies, wenn ein Viertel der Mitglieder eines Rates oder der Bundesrat die Einberufung einer solchen Session verlangt. Laut Häberli hatten mehr als 50 Mitglieder der SP- und der Grünen-Fraktion die Spezialsession. (aeg/sda)