Schweiz
SVP

SVP fordert Migrationsbegrenzung mit Schutzklausel – und scheitert

Die Nationalraetin Magdalena Martullo-Blocher bei ihrer Rede der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz vom Samstag, 27. Januar 2024 in Buerglen im Kanton Uri. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Wird aktiv in einer Kommission, der sie nicht angehört: Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher im Bundesparlament.Bild: keystone

«Grober Unfug»: SVP will Zuwanderung mit überraschender Massnahme bekämpfen

Die SVP versucht, mit einem neuen Instrument die Zuwanderung zu senken. Die anderen Parteien reagieren mit scharfer Kritik: Es gehe der SVP einzig darum, das neue Vertragspaket mit der EU zu torpedieren.
06.03.2025, 05:2306.03.2025, 09:25
Francesco Benini / ch media
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Die SVP hat Anfang Jahr versucht, die Schutzklausel gegen hohe Zuwanderung in die Schweiz zu aktivieren. Das sagte Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher am Dienstagabend in Zürich an einer Diskussionsveranstaltung über das neue EU-Vertragspaket.

Das Publikum nahm die Aussage überrascht zur Kenntnis. Bisher hatte niemand vom Plan der SVP gewusst: Die Landesregierung hätte nach Vorstellung der Volkspartei Massnahmen erlassen müssen, um die Zuwanderung zu drosseln.

Konkret aktiv wurde die Volkspartei in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. Martullo-Blocher ist nicht Mitglied dieses Gremiums, nahm aber an der Sitzung Mitte Januar teil – als Ersatz für einen abwesenden Parteikollegen. Die SVP stellte den Antrag, dass die Schweiz die Schutzklausel in Kraft setzt.

Bundesrat arbeitet derzeit an neuer Umsetzung

SVP-Nationalrat Franz Grüter gehört der Aussenpolitischen Kommission an und erklärt auf Anfrage:

«Die Zuwanderung in die Schweiz ist enorm hoch und die Masseneinwanderungsinitiative von 2014 ist immer noch nicht umgesetzt. Der Bundesrat sollte darum umgehend versuchen, die Schutzklausel zu aktivieren.»

In Artikel 14 des Abkommens über die Personenfreizügigkeit heisst es: Bei «schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen» trete der Gemischte Ausschuss auf Verlangen einer Vertragspartei zusammen, um «geeignete Abhilfemassnahmen zu prüfen.» Diese Bestimmung ist vage. Im neuen Vertrag mit Brüssel soll die Schutzklausel griffiger werden. Der Bundesrat arbeitet derzeit an einer innerstaatlichen Umsetzung im Ausländergesetz, über welche die Schweiz selbstständig entscheidet.

SP-Nationalrat Eric Nussbaumer hat wenig Verständnis dafür, dass die SVP gerade jetzt in der Angelegenheit aktiv wird.

«Soll man die Schutzklausel anrufen, während das neue Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU finalisiert wird? Das wäre grober Unfug. Der SVP geht es alleine darum, den Abschluss der Verträge zu torpedieren.»
Eric Nussbaumer, SP-BL, spricht waehrend die Debatte um der Anpassung der Bundesbeschluesse ueber den zweiten Schweizer Beitrag an ausgewaehlte UE-Mitgliedstaaten bei der Herbstsession der Eidgenoessi ...
Eric Nussbaumer vermutet taktische Spiele hinter dem Plan der SVP.Bild: keystone

Auch in den anderen Parteien überwiegt die Kritik. FDP-Nationalrat Simon Michel ist Mitglied der Aussenpolitischen Kommission und betont: Die aktuelle Schutzklausel könne nicht einseitig angerufen werden. Auf der Basis des «erfreulichen Verhandlungsresultats zwischen der Schweiz und der EU zu den Bilateralen III» könne die Schweiz aber «neu einseitig» eine Schutzklausel aktivieren.

Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter unterstreicht derweil, dass die Schutzklausel gemäss geltendem Recht eine Beschränkung der Zuwanderung nur bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen erlaube. «Diese Voraussetzungen sind in der Schweiz heute nicht gegeben», meint sie. Entsprechende Anträge müssten darum abgelehnt werden. Umso wichtiger seien die Bilateralen III, mit welchen die EU der Schweiz nun mit einer Präzisierung dieser Schutzklausel mehr Spielraum zur Beschränkung der Zuwanderung gebe.

«Eine Zustimmung zu den Bilateralen III ist deshalb durchaus auch im Interesse der SVP.»
Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-BL, spricht waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 12. Dezember 2024 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Elisabeth Schneider-Schneiter lehnt den SVP-Plan ebenfalls ab.Bild: keystone

Zuwanderung in die Schweiz ist leicht gesunken

Magdalena Martullo-Blocher bezweifelte auf dem Podium in Zürich jedoch, dass die neue Schutzklausel irgendeine Wirkung entfalten werde. In der SVP sieht man die Klausel als wirkungsloses Zückerchen; es solle den grössten Nachteil des Vertragspakets – den Verlust an Souveränität – aufwiegen und damit zu einem Ja des Stimmvolkes beitragen.

Die ausländische Wohnbevölkerung in der Schweiz ist im vergangenen Jahr um 83'400 Personen gestiegen. 2023 lag die Nettozuwanderung bei 99'000 Personen. Es gab also eine Abnahme um 16 Prozent; die Zuwanderung ist aber nach wie vor deutlich höher als in den fünf Jahren vor der Pandemie.

Martullo-Blocher weist darauf hin, dass die im EU-Vertrag vereinbarte Schutzklausel wörtlich genau diejenige sei, welche bereits im Personenfreizügigkeitsabkommen stehe. «Die zugrunde gelegten Bedingungen ‹schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale Probleme› wurden und werden nicht erfüllt.»

Es bleibt unklar, warum die SVP ausgerechnet jetzt auf die Klausel zurückgreifen will. Der Antrag der Partei ist in der zuständigen Kommission jedenfalls gescheitert. (aargauerzeitung.ch)

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201 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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GoodbyeNau
06.03.2025 06:14registriert November 2024
Immer wieder lustig, wenn die Blochers in Aktion treten bei der Zuwanderung, wenn man zu denen gehört die wissen dass die EMS Chemie schon in den 1980/90er Jahren massenweise Sonderbewilligungen für billige Arbeitskräfte aus dem Ostblock beantragten und auch bekamen. Sie haben die Ausländer aktiv nach Domat Ems geholt, anstatt Schweizer Arbeitskräfte ordentlich zu bezahlen, an solchen hätte es schon damals nämlich nicht gemangelt.
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Terraner
06.03.2025 06:01registriert April 2020
Eine Zustimmung zu den Bilateralen III ist deshalb durchaus auch im Interesse der SVP

Falsch, die SVP hat überhaupt kein Interesse daran, das Problem der hohen Zuwanderung zu lösen. Sie würden ansonsten Ihr einziges und immer wiederkehrendes Thema verlieren und sich damit den Ast auf dem Sie sitzen absägen.
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Gina3
06.03.2025 06:16registriert September 2023
Liebe svp-
Wer sind unsere zuverlässigen Handelspartner?
Trumpinos aktuelles Amerika?
Russland?
Oder Europa.
Wir wissen, dass Sie eine besondere, emotionale Bindung zu Diktaturen haben - aber haben Sie nicht genug Chaos aus den USA gesehen (natürlich mit Putins Schatten im Hintergrund), um endlich zu erkennen, dass wir sind, wir müssen MIT Europa sein?
Sind Sie fertig damit, uns mit lösbaren Problemen zu erschrecken ? Oder wollen sie uns wirklich in eine unhaltbare Situation bringen, wie wir sie jetzt in Übersee sehen?
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