Man könnte meinen, es gebe keine angenommene Volksinitiative, ohne dass man sich über deren Umsetzung streitet. Seit letzter Woche geht es um das Verhüllungsverbot: Die Bundesverfassung ist seither um einen Passus reicher – nur schien unklar, wer das Verbot umsetzen soll.
Grund des Streits ist einmal mehr die Kompetenzfrage. Der Föderalismus besagt nämlich, dass die Kantone und der Bund unterschiedliche Themenbereiche haben. So ist etwa das Strafrecht ausdrücklich Bundessache. Geht's aber um Polizeirecht wie etwa den Regeln zur Nutzung des öffentlichen Raums, sind die Kantone zuständig.
Dem Bundesrat war schon vor der Abstimmung klar: Das Verhüllungsverbot muss bei einem «Ja» von den Kantonen umgesetzt werden. Er wiederholte das mehrfach.
Eine Woche nach der Annahme scheint zumindest Bundesrätin Karin Keller-Sutter von dieser klaren Haltung abgekommen zu sein. Sie hat ihrem Bundesamt für Justiz den Auftrag erteilt, über ein Verhüllungsverbot auf Bundesebene nachzudenken. Dies für den Fall, dass die «Kantone ihre Zuständigkeit aufgeben» sollten.
Ein Zitat aus der Debatte, das der SVP besonders gefallen könnte: «Der Bundesrat wäre zu einer subsidiären Gesetzgebung bereit.» Keller-Sutter will mit dieser Kompromiss-Erklärung offenbar das drohende politische Hickhack verhindern. Der Verfassungstext gibt nämlich nur gerade mal zwei Jahre Zeit, das Verbot auch in die Gesetzestexte zu giessen.
Der Keller-Sutter-Antrag überrascht: Die Bundesjuristinnen und Bundesjuristen werden nun etwas ausarbeiten müssen, was der Bundesrat selbst für nicht nötig erachtete. Und womöglich auch von der Stimmbevölkerung nicht so gewünscht war: Die Interpretation, dass am Ende Kantone die Verhüllungsverbote einführen, war Teil der Abstimmungserläuterungen, hinter die sich auch das Bundesparlament stellte.
Zudem hörte man lange von den Initianten nichts zu diesem Streit. SVP-Nationalrat Walter Wobmann liess sich dazu vom «Blick» folgendermassen zitieren: «Mir wäre neu, dass nur die Kantone zuständig sind. Das kann nicht sein!» Und: «Dann hätten wir die Initiative ja gar nicht gebraucht!»
Die 180-Grad-Drehung von Keller-Sutter dürfte ihn nun freuen. Ob es auch nach dem SVP-Gusto klappt, wird sich zeigen. «Die Kantone und der Bund sind im Kontakt, um eine schnelle Lösung zu finden», so die Justizministerin.
- Ironie off...
Das hätte ihm gerne ein bisschen früher einfallen können.