Im Prozess um die Messerattacke von Lugano hat ein zweites psychiatrisches Gutachten eine Psychose bei der 29-jährigen Angeklagten bestätigt. Sie wird des mehrfachen versuchten Mordes und der Widerhandlung gegen das IS-/Al-Kaida-Gesetz beschuldigt.
Am Montag hatte ein erster Gutachter von einer nicht-organischen Psychose und eingeschränkten geistigen Fähigkeiten der Angeklagten gesprochen. Die zweite Gutachterin sprach am Dienstag ausserdem von einer schizoaffektiven Störung der 29-Jährigen. Zudem bestätigte die Ärztin die von ihrem Vorgänger festgestellte leichte Einschränkung der geistigen Fähigkeiten der Angeklagten.
Wie bereits vom ersten Gutachter am Montag vorgeschlagen, hält auch die zweite Gutachterin eine langjährige Therapie in einer geschlossenen Anstalt für angebracht. Dies machte sie am Dienstag vor Gericht klar.
Ob es im Tessin die bestmögliche Behandlung für die Angeklagte gebe, bezweifelte sie allerdings. Im Frauengefängnis Bern, in Hindelbank oder in Genf bekäme die 29-Jährige möglicherweise eine bessere Behandlung, sagte die Ärztin weiter. Genau wie der erste Gutachter schätzte auch sie die Rückfälligkeitsgefahr der Tessinerin als mittelhoch ein.
Aufgrund der am Montag gemachten Aussagen der Angeklagten, wonach sie 18'000 Franken nach Syrien geschickt hatte, um ihre Bekannten im sogenannten Heiligen Krieg zu unterstützen, weitete die Staatsanwaltschaft am Dienstag die Anklage aus. Dabei geht es um eine weitere Widerhandlung gegen Artikel 2 des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen Al-Kaida und Islamischer Staat sowie verwandter Organisationen.
Am Dienstag wurde die Angeklagte zudem erneut zur Messerattacke befragt und machte eine andere Aussage als Tags zuvor. Am Montag hatte die 29-Jährige noch ausgesagt, dass das Attentat erneut begehen, jedoch «bestimmter» ausführen würde. Am Dienstag sagte sie dann, sie würde das Attentat nicht mehr in der Schweiz ausführen, sondern in einem anderen Land.
Die 29-Jährige hat laut Anklage im November 2020 in Lugano zwei Frauen mit einem Messer attackiert und sich dabei auf die Terrororganisation «Islamischer Staat» berufen. Ausserdem soll sich die Frau zwischen 2017 und 2020, ohne Anmeldung bei den Behörden, prostituiert haben.
Gemäss Anklageschrift der Bundesanwaltschaft (BA) soll sich die im Tessin wohnhafte Frau vor der Tat in der Haushaltswarenabteilung des Warenhauses Manor in Lugano von einer Verkäuferin ein scharfes Brotmesser empfehlen haben lassen. Damit stach sie auf zwei zufällig ausgewählte Frauen ein. Beide wurden bei der Messerattacke verletzt, die schwerer verletzte Frau tritt im Prozess gegen die 29-Jährige als Privatklägerin auf. Sie hat eine Forderung von 440'000 Franken geltend gemacht.
Die Verhandlung wird am Donnerstagmorgen mit dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft fortgesetzt. Die Urteilseröffnung ist auf den 19. September festgesetzt. (sda)