Im Prozess gegen die Täterin der Messerattacke von Lugano hat die Angeklagte bei der Befragung ausgesagt, dass sie die Attacke wieder, jedoch «bestimmter» ausführen würde. Die 29-jährige Frau wird des mehrfachen versuchten Mordes und der Widerhandlung gegen das IS-/Al-Kaida-Gesetz beschuldigt. Gemäss einem psychiatrischen Gutachter leidet die Angeklagte an einer psychotischen Störung und ist geistig leicht zurückgeblieben.
Von der Richterin gefragt, wie sie heute auf die Messerattacke vom 24. November 2020 zurückblicke, sagte die Angeklagte, sie würde diese wiederholen, jedoch «bestimmter» ausführen.
Auch von den gezeigten Bildern der tiefen Schnittwunde am Hals sowie an der Hand des einen Opfers zeigte sich die Beschuldigte unberührt. Beim Anblick dieser Wunden rühre sich nichts in ihr, sagte die Frau vor Gericht. «Die Schnittwunden scheinen mir nicht besonders tief.»
Auf die Frage, wie sie ihre beiden Opfer ausgesucht habe, sagte die Angeklagte, einen Mann hätte sie nicht attackieren wollen, denn von einem solchen wolle sie als Muslimin nicht berührt werden. Die Angeklagte sprach vor Gericht selbst von einem «terroristischen Akt», den sie ausgeführt habe.
Wie genau die Faszination der Angeklagten für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ihren Anfang nahm, wurde bei der Befragung nicht ganz klar. Ende 2015 habe sie im Internet Kontakt zum IS gesucht, sagte die Frau vor Gericht. Aufgrund der im Fernsehen gezeigten Attentate habe sie die Terrormiliz kennenlernen wollen.
Nach einer frühen gescheiterten Ehe verliebte sie sich via Internet in einen IS-Anhänger. Leben und Sterben für Allah sei «eine grosse Ehre», erklärte die 29-Jährige vor Gericht. Ihr Bekannter habe ihr Videos geschickt, die zeigten, wie man «Ungläubige eliminieren» könne, erklärte die Angeklagte weiter. Er habe ihr jedoch davon abgeraten, alleine zu handeln.
Sie habe dennoch handeln wollen, hielt sie fest. Ursprünglich habe sie an Heiligabend und nicht am 24. November 2020 eine Attacke verüben wollen. Sie habe jedoch befürchtet, dass es dann zu viele Menschen in der Stadt haben könnte und sie zu schnell überwältigt würde.
Der Verteidiger der Angeklagten hatte am Montagmorgen einen Drohbrief erhalten, den er der vorsitzenden Richterin überreichte. Die nächste Attacke werde mit anderen Waffen als Messern verübt, las diese vor. Der anonyme Schreiber bedroht in seinen Zeilen auch das Bundesstrafgericht.
Die Staatsanwaltschaft weitete nach der Befragung der Angeklagten zudem die Anklage auf die Finanzierung der Terrormiliz Islamischer Staat aus. Dies, weil die Beschuldigte angegeben hatte, Geld nach Syrien geschickt zu haben, um den IS zu unterstützen. Insgesamt habe sie 18'000 Franken via eine Mittelsperson nach Syrien geschickt, sagte die Angeklagte.
Am Nachmittag trat vor der Gericht der erste von zwei psychiatrischen Gutachtern auf. Er hielt fest, dass bei der Angeklagten bereits 2017 eine Psychose festgestellt worden war. Die mentale Störung der jungen Frau sei einer Schizophrenie ähnlich und habe sicherlich auch am Tag des Attentats bestanden, jedoch sei die Tat nicht als Resultat eines psychotischen Schubs zu verstehen, erklärte der Arzt. «Die Attacke war keine impulsive Handlung.»
Das Rückfälligkeitsrisiko stufte der Psychiater als mittelhoch ein. Als Therapie schlug er eine mindestens drei Jahre dauernde Behandlung in einer geschlossenen Anstalt vor.
Neben der psychotischen Störung sei bei der Beschuldigten auch eine leichte geistige Zurückgebliebenheit diagnostiziert worden, und zwar bereits im Alter von drei Jahren, erklärte er weiter. Die Oberstufe der obligatorischen Schulzeit habe die Angeklagte nicht abgeschlossen. Neben Lernschwierigkeiten leide die 29-Jährige auch unter einer mangelnden Fähigkeit, Beziehungen zu knüpfen.
Insgesamt zeigte sich der Psychiater nicht sehr optimistisch, was die gesundheitliche Entwicklung der Angeklagten betrifft. Gewisse Aspekte hätten sich seit der Messerattacke noch verstärkt, hielt der Arzt fest. Er bezweifelte vor Gericht, dass die Beschuldigte mithilfe einer Therapie eine bessere Urteilsfähigkeit entwickeln könne.
Ausserdem soll sich die Frau zwischen 2017 und 2020 ohne Anmeldung bei den Behörden prostituiert haben.
Gemäss Anklageschrift der Bundesanwaltschaft (BA) soll sich die im Tessin wohnhafte Frau vor der Tat in der Haushaltswarenabteilung des Warenhauses Manor in Lugano von einer Verkäuferin ein scharfes Brotmesser empfehlen haben lassen. Dann stach sie damit auf zwei zufällig ausgewählte Frauen ein. Die Klinge des gezackten Brotmessers sei 21 Zentimeter lang, heisst es in der Anklageschrift weiter.
Beide Frauen wurden bei der Messerattacke verletzt. Die schwerer verletzte Frau tritt im Prozess gegen die 29-Jährige als Privatklägerin auf. Sie hat eine Forderung von 440'000 Franken geltend gemacht.
Die Verhandlung wird am Dienstag um 9.30 Uhr fortgesetzt. (yam/sda)