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Sterbehilfe: Tessinerin begleitet sieben Personen in den Freitod

Tessinerin begleitet sieben Personen in den Freitod – das ist ihr Urteil

23.10.2024, 18:28
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Die Angeklagte leidet an einer psychischen Störung. Das dürfte das Strafmass gemildert haben.Bild: AP

Das Kantonsstrafgericht Lugano hat am Mittwoch eine Tessinerin wegen Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die pensionierte Krankenschwester sieben Personen in den Freitod begleitete.

Das Gericht verurteilte die Frau zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen à je 40 Franken. Zudem muss die Frau eine Busse in der Höhe von 500 Franken bezahlen. Die pensionierte Krankenschwester habe aus egoistischen Motiven gehandelt, hielt der vorsitzende Richter bei der Urteilseröffnung fest.

Sie habe Personen aus dem nahen Italien in den Tod begleitet. Weil im südlichen Nachbarland der Schweiz die Gesetzgebung restriktiver sei, habe die Beschuldigte die «ökonomische Gelegenheit» für sich genutzt. Als selbständige Krankenschwester und Masseurin habe sie aber bereits gut verdient, nämlich rund 10'000 Franken pro Monat.

Die Frau sei pensioniert und gehe ihrer früheren Tätigkeit nicht mehr nach, begründete der Richter die bedingte Geldstrafe anstelle der bedingten sechsmonatigen Freiheitsstrafe, welche die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Ausserdem leide sie an einer psychischen Störung, die wohl stärker ausgeprägt sei, als das ärztliche Gutachten vermuten lasse.

Sieben assistierte Suizide in kurzer Zeit

Bei der Befragung der Frau vor Gericht hatte der vorsitzende Richter betont, dass diese im Rahmen des Vereins «Carpe Diem» innert sehr kurzer Zeit mehrere Personen in den Freitod begleitet habe. Den Verein hatte die Frau zum Zweck der Sterbebegleitung gegründet.

Laut Anklageschrift verhalf die pensionierte Krankenschwester zwischen Ende Oktober 2016 und Anfang Februar 2017 sieben Personen zum Suizid. Eine achte Person habe sie gratis in den Freitod begleitet, hielt der vorsitzende Richter fest.

Weitere drei Personen hätten sich bei ihr zum begleiteten Freitod informiert, und obwohl die Frau diese potentiellen «Klienten» nie gesehen habe, habe sie ihnen je 1000 Franken verrechnet. Auf die Frage, wieso sie dies getan habe, antwortete die bald 67-Jährige, sie hätte damit Spesen gedeckt. Ausserdem habe sie bereits die Medikamente bestellt, welche ein Arzt verschrieben hatte.

Zudem verrechnete die Frau für ihre Tätigkeit keine einheitlichen Beiträge, sondern verlangte bei jedem Klienten einen anderen Preis, wie der vorsitzende Richter ausführte. Laut Anklageschrift verdiente die Frau bei «Carpe Diem» an den sieben Klienten je zwischen 2500 und 8300 Franken netto.

Motiv des egoistischen Handelns erfüllt

Die Staatsanwältin argumentierte in ihrem Plädoyer, die Frau habe «skrupellos» gehandelt, das Motiv des egoistischen Handelns sah sie als erfüllt an. Sie habe gut verdient und hätte die Sterbebegleitungen auch gratis durchführen können, argumentierte sie. Laut Artikel 115 des Strafgesetzbuches macht sich strafbar, wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmord verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet.

Der Anwalt der Frau gab hingegen zu bedenken, dass Sterbehilfeorganisationen wie «Exit» und «Dignitas» zwischen 7000 und 11'000 Franken pro durchgeführten Suizid verlangten. Wie viel davon als reiner «Verdienst» übrig bleibe, wisse man nicht. Insofern seien die Beträge, welche seine Klientin verlangt habe, vergleichbar mit jenen anderer Sterbehilfeorganisationen. (sda/lyn)

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Händlmair
23.10.2024 19:44registriert Oktober 2017
Mir ist nicht ganz klar, wie es zu den begleiteten Suizide kam. Wurde der Wunsch für eine Sterbebegleitung von den Klienten angefragt und war dieser Freiwillig? Wurde von der Frau irgend ein Druck auf die Klienten ausgeübt und waren die Klienten mit den Preisen einverstanden?

Ich kann hier keine „Verleitung“ erkennen und verstehe nicht, für was genau hier die Frau verurteilt wurde.
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Gin Toni
23.10.2024 20:43registriert Oktober 2020
10'000.- im Monat als selbständige Masseurin und Kankenschwester? Das geht aber nur mit Happy End oder?
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Chilliflocke
23.10.2024 23:31registriert August 2023
Die Menschen hatten einen Wunsch und anscheinend auch das Geld, um die Frau zu bezahlen! Menschen die sterben möchten, benötigen kein Geld mehr! Wenn die Frau kompetent gehandelt und behandelt hat, sehe ich keinen Grund dazu sie zu verurteilten! Ich denke es sind eher die Hinterbliebenen, die dem Erbe nachtrauern!
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