Das Grossraumbüro ist eine infektiöse Risikozone. Nein, man muss nicht zu den geschlossenen Einzelbüros zurückkehren. Aber die Räumlichkeiten werden angepasst. In den letzten Jahren sind die Bürotische geschrumpft. Von durchschnittlich 1.8 Meter auf 1.4. Damit ist nun Schluss.
«Der einzelne Mitarbeiter erhält wieder mehr Platz», sagt der Architekt Arjun Kaicker, der Büros für Apple gestaltet hat, in der britischen Zeitung «The Guardian». Am Boden zeigen 2-Meter-Markierungen an, wo die Zone jedes Einzelnen beginnt. Das schützt nicht nur vor Viren, sondern auch vor sexuellen Belästigungen.
Auch Plexiglaswände werden da und dort hochgezogen. Aber nicht behelfsmässige, wie wir sie an den Supermarktkassen sehen. Sie sollen zu einer hippen Atmosphäre beitragen. Der Schweizer Möbelhersteller Vitra hat eine verschiebbare Plexiglaswand präsentiert, die mit Grünpflanzen bestückt werden kann und so die Natur ins Büro bringt.
Im Homeoffice haben wir gelernt, dass virtuelle Meetings mindestens so effizient sind wie reale. Am besten gelingen sie, wenn alle über Kamera und Bildschirm daran teilnehmen ? ist bloss die Hälfte virtuell anwesend, so weiss man nicht, ob man in den Raum oder in die Röhre schauen soll. Deshalb gilt: Niemand braucht mehr dröge Sitzungszimmer. Das Interieur soll herausgerissen und der Platz anderweitig genutzt werden.
Arbeiten kann man zu Hause, an Meetings teilnehmen auch. Wozu braucht es das Büro noch? Für Barbara Josef, die mit ihrer Firma 5 to 9 andere Unternehmen in Veränderungsprozessen begleitet, erfüllt es zwei Zwecke: Einerseits ist es eine Art Heimat für Mitarbeiter, andererseits dient es der Repräsentation gegenüber Kunden und Partnern. «Es ist deshalb zugleich gemütliche Küche und stilvolles Wohnzimmer», sagt Josef.
Mitarbeiter sollen sich darin wohlfühlen wie am Küchentisch einer WG. Eine gute Kaffeemaschine reicht längst nicht mehr aus. Kochgelegenheiten, Pingpongtisch und Bücherwände gehören dazu. Für Auswärtige zeigt sich das Unternehmen an bester Lage von seiner besten Seite: Stilvolle Möbel drücken den Geist des Unternehmens aus und geben einem das Gefühl, man befände sich in einem schicken Wohnzimmer.
Als Microsoft Schweiz vor einigen Jahren ihre Büros komplett erneuerte, arbeiteten die Mitarbeiter drei Monate im Homeoffice. Das Unternehmen liess dazu eine Studie von der ETH erstellen: Die Produktivität der einzelnen Mitarbeiter stieg um 30 Prozent. Doch die Teamproduktivität sank nach ein paar Wochen. Deshalb ist es wichtig, dass die Teammitglieder auch ab und zu analog Kontakt haben.
Das Büro wird vom Arbeitsplatz zum Treffpunkt für Teammitglieder. Man bespricht Dinge aber nicht mehr in Sitzungszimmern – deren Interieur haben wir schon herausgerissen –, sondern beim Kochen, Joggen, Spazieren und Beachvolley-Spielen. Das ist natürlich nicht effizient. Aber: «Abschweifen ist erwünscht, so kommt man auf andere Gedanken, lernt sich anders kennen. Beides ist für die Entwicklung der Projekte und das Teambuilding positiv», sagt Barbara Josef. Das Büro der Zukunft bietet deshalb diverse Zerstreuungsmöglichkeiten, Sportplätze, Duschen und am besten einen Park.
Wer ins Büro kommt, richtet in Outlook am besten eine Abwesenheitsnotiz ein: «Ich bin heute im Büro. E-Mails werden deshalb nicht beantwortet.» E-Mails schreiben geht zu Hause effizienter. Im Büro soll man sich ganz seinen Teammitgliedern widmen und nicht von virtueller Kommunikation ablenken lassen. Der Posteingang kann im Homeoffice abgearbeitet werden.
Noch eine innenarchitektonische Anpassung: An Türfallen und Liftknöpfen bleiben Viren haften. Deshalb sollen sie ersetzt werden. Schiebetüren öffnen dank Bewegungssensoren automatisch – ganz wichtig bei Toiletten. Das Zücken eines Badge macht das Hantieren mit dem Schlüssel obsolet. Treppenhäuser werden attraktiver gestaltet, damit sie die Mitarbeiter dem Lift vorziehen – so bleiben sie vor Viren verschont und tun erst noch etwas für ihre Fitness.
Wer dennoch den Lift nehmen will oder muss, der soll ihn mit Sprachsteuerung oder Gesten bedienen können. «Wir denken darüber nach, wie man Lifte berührungslos bedienen könnte», sagt Janet Pogue McLaurin von der Architekturfirma Gensler gegenüber dem US-TV-Sender CNBC.
Auch die Oberflächen werden sich verändern. «Metall, Leder, Kunstleder, Plastik und alles, was leicht zu reinigen ist, gewinnt an Relevanz», schreibt das Möbelunternehmen Vitra in einer Studie zur Einrichtung in Corona-Zeiten.
In den letzten zwei Monaten haben wir gemerkt: Es ist nicht nötig, jeden Tag ins Büro zu pendeln. Allerdings fühlt es sich zu Hause zeitweise eng an, manchmal fällt einem sogar die Decke auf den Kopf. Die Lösung heisst Coworking-Space. In solchen Gemeinschaftsbüros kann man sich temporär einen Arbeitsplatz mieten und in einer inspirierenden Atmosphäre (und mit gutem Kaffee) arbeiten. «Firmen sollten ihren Mitarbeitern ein Coworking-Space-Abo finanzieren», sagt Barbara Josef. So kommen sie in Kontakt mit spannenden Menschen ausserhalb des Unternehmens, was letztlich der Firma zugutekommt.
Videotelefonie, Chatkommunikation und Cloud-Dienste machen es möglich: Man muss nicht vor Ort sein, um zusammenzuarbeiten. Das heisst aber auch, dass man gar nicht alle Arbeitskräfte fest anstellen muss, sondern sie je nach Projekt als freie Mitarbeiter hinzuziehen kann – und zwar von überall her auf der Welt.
Das Modell der Freelancer erhält Auftrieb. Im Umkehrschluss bedeutet das: Eine feste Arbeitsstelle zu haben, wird schwieriger. Wer nicht performt, wird möglicherweise ausrangiert.
Wenn mehr Mitarbeiter im Homeoffice sind, braucht eine Firma weniger Arbeitsfläche. Desk-Sharing, das Teilen von Arbeitsplätzen, wird zum Standard. Recherchen zeigen: Ein innovatives Unternehmen braucht heute für 100 Mitarbeiter noch rund 60 Arbeitsplätze.
Der Trend dürfte sich weiter akzentuieren. Das Sparpotenzial werden die Manager rasch erkennen. Eine zentrale Location in der Innenstadt ist zwar nach wie vor en vogue (siehe These 3). Aber man kann Stockwerke untervermieten oder verkaufen.
Stefan Breit, Zukunftsforscher beim Gottlieb Duttweiler Institut, formuliert es so: «Es ist wie beim Konsum: Online-Shopping führt zum Lädelisterben, Homeoffice führt zum Bürosterben. Die frei werdenden Flächen können für andere Funktionen verwendet werden.»
Wenn wir zu Hause arbeiten und für die sozialen Kontakte ins Büro gehen, so heisst das, dass es noch schwerer wird, unsere Work-Life-Balance zu finden. Die Arbeit endet nicht, wenn wir das Büro verlassen. Im Gegenteil: Dort steht vermehrt der Spass im Vordergrund.
Stattdessen wird zu Hause konzentriert gearbeitet. Die Zeit lässt sich frei einteilen. Für den Einzelnen ist es deshalb zentral, nicht nur täglich den Arbeitsspeicher des Rechners, sondern auch des Hirns zu leeren und auf Feierabend zu polen. Das rasche Switchen zwischen Freizeit und Arbeit wird noch mehr zur Herausforderung.
Hoffe das gilt auch ab Manager Stuffe... dann endlich einmal. Die meisten Projekte scheitern an fehlender Planung und überissenen Ansprüchen.
Wenn es eine Markierung am Boden braucht, um die Angestellten von sexueller Belästigung abzuhalten, dann sollte man sich vielleicht Gedanken machen, ob man wirklich die richtigen Angestellten hat...
* 'dass virtuelle Meetings mindestens so effizient sind wie reale.' Das ist aus meiner Sicht reiner Zweckoptimismus. An einer Video-Konferenz ist es zB viel schwieriger, alle 'mitzunehmen' und niemanden 'abzuhängen'.
* 'Keine Mails im Büro beantworten' Normalerweise sollten Mails innert 24h (Arbeitstage) beantwortet werden. Man soll also ins Büro kommen um sich sozial auszutauschen aber interne und externe Anfragen dafür liegen lassen.
Professionell?