Nun ist sie definitiv auf die Zielgeraden eingebogen, die Energiestrategie 2050 des Bundes. Das Mammutprojekt will die erneuerbaren Energien ausbauen und die Energieeffizienz in der Schweiz massiv steigern. Was simpel klingt, beschäftigt aufgrund der Komplexität der verschiedenen Massnahmen die eidgenössischen Räte seit bald zwei Jahren.
Der Nationalrat ist gestern Nachmittag in wesentlichen Punkten auf die Linie des Ständerats eingeschwenkt. So haben sich die Räte auf tiefere Richtwerte für erneuerbare Energien ohne Wasserkraft geeinigt, als sie der Bundesrat ursprünglich verlangte. Auch Details zu Subventionen für Grosswasserkraftwerke oder Bestimmungen zu Grossheizungen sind bereinigt.
Umstritten bleibt noch die Frage, unter welchen Voraussetzungen Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien in Naturschutzgebieten gebaut werden dürfen – es geht darum, ob Schutz- und Nutzungsinteressen als «gleichrangig» oder «grundsätzlich gleichrangig» betrachtet werden sollen.
Das Geschäft geht damit in den Ständerat zurück, er wird sich in der kommenden Woche darüberbeugen. Es ist davon auszugehen, dass er die letzten Differenzen ausräumt – womit das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 zur Schlussabstimmung am letzten Sessionstag bereit wäre.
Die beiden Gegner der Vorlage, SVP und FDP, könnten sie im Nationalrat theoretisch in Alleinregie zum Absturz bringen, verfügen sie dort doch über eine hauchdünne Mehrheit. Doch das wird aller Voraussicht nach Theorie bleiben – denn in beiden Parteien wird es Abweichler geben.
Während in der SVP nur vereinzelte Parlamentarier leer stimmen oder die Vorlage gar annehmen werden, dürften es in der FDP gemäss einflussreichen Parlamentariern ungefähr ein knappes Dutzend sein. Da Mitte-Links (praktisch) geschlossen stimmen wird und im Ständerat eine Nein-Mehrheit noch unwahrscheinlicher ist, scheint das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 auf dem parlamentarischen Weg schon bald in trockenen Tüchern.
Das letzte Wort ist damit aber noch nicht gesprochen, denn gegen das Gesetz wird höchstwahrscheinlich das Referendum ergriffen. Bereits angekündigt hat dies die bislang weitgehend unbekannte Organisation «Alliance Energie». Angesichts ihrer beschränkten Schlagkraft ist sie aber, will sie die nötigen 50'000 Unterschriften innert 100 Tagen zusammenbringen, auf die Unterstützung von Wirtschaftsverbänden oder Parteien angewiesen.
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hat bereits verlauten lassen, dass er ein allfälliges Referendum nicht mittragen werde, die Haltung des Gewerbeverbands ist noch offen. Die FDP ihrerseits will die Sache in der Parteipräsidentenkonferenz, welche die kantonalen Vorsteher vereinigt, besprechen. Eine Unterstützung des Referendums würde aber erstaunen.
Bleibt also voraussichtlich die SVP. Dort ist durchaus Kampfeslust vorhanden, schliesslich stelle die «massive Umverteilungsaktion» die Versorgungssicherheit der Schweiz infrage, wie es Parteipräsident Albert Rösti ausdrückt.
Ob man aber wirklich das Referendum ergreife oder mittrage, hänge weniger von Entscheiden der Wirtschaftsverbände ab, sondern von der «Verfügbarkeit der Mittel, die so ein Abstimmungskampf benötigt», so Rösti. Sprich: Die grösste Partei des Landes sucht nach Geldgebern.
Auch wenn der SVP-Chef in erster Linie externe Donatoren meint, gibt es zu seinem Glück auch innerhalb der Partei zahlungskräftige Personen – Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher etwa, welche die Energiestrategie des Bundes seit je kritisch beäugt. Die EMS-Chemie-Chefin zeigt sich auf Anfrage denn auch nicht abgeneigt: «Im Falle eines Referendums würde ich mich auf jeden Fall finanziell engagieren.»
Wie hoch ein allfälliger Beitrag wäre und wie viel davon aus ihrer privaten Kasse stammen würde, will die Unternehmerin nicht verraten. Man dürfe von einem «namhaften Betrag» ausgehen. In der Zwischenzeit versucht Martullo-Blocher Mitstreiter für ein mögliches Referendum zu gewinnen: «Es finden Gespräche statt – natürlich versuche ich, die Wirtschaft zu bewegen.»