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Wirtschaft

Der Obi-Chef im Interview über Inflation und den Migros-Coup

Interview

«Baumärkte stehen unter Druck»: Der Obi-Chef über Inflation und den Migros-Coup

Die deutsche Kette übernimmt die Standorte, die bisher die Migros führte, wieder selber. Und sie schnappte sich drei Do-it-Filialen des orangen Riesen. Was hat Obi in der Schweiz vor?
04.04.2025, 06:5704.04.2025, 06:57
Pascal Michel / ch media
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Welches Heimwerkerprojekt haben Sie zuletzt realisiert?
Sebastian Gundel:
Das war ein Trampolin, ein Geburtstagsgeschenk für meine neunährige Tochter. Ich musste dafür im Garten ein 1,10 Meter tiefes Loch sowie eine Sickergrube ausheben.

Sebastian Gundel ist selbst begeisterter Heimwerker.
Sebastian Gundel ist selbst begeisterter Heimwerker.Bild: Obi

Gibt es Unterschiede zwischen deutschen und Schweizer Heimwerkern?
Dem deutschen Kunden ist es wichtig, möglichst viel selbst zusammenzubauen. Das hat vielleicht auch mit einem grösseren Preisbewusstsein zu tun. Wer viel selbst macht, spart Geld. In der Schweiz holt man sich für grössere Projekte eher Hilfe. Deshalb möchten wir gerade in der Schweiz unser Serviceangebot mit Handwerkern ausbauen.

Können Sie ein Beispiel geben?
Bleiben wir beim Trampolin: Wer nicht sechs Stunden im Garten stehen und ein Loch buddeln will, soll bei uns nicht nur das Trampolin kaufen können, sondern auch die Installation. Derzeit sind wir daran, für solche Services Fachleute zu rekrutieren. Das ist gerade für grössere Projekte wie die Installation einer Solaranlage oder den Einbau einer Wärmepumpe interessant.

Ende Januar teilten Sie mit, dass Sie zehn bisher von der Migros geführte Obi-Standorte übernehmen. Ebenso drei grosse Do-it-Filialen in Carouge GE, Nyon VD und Agno TI. Warum übernehmen Sie nur 3 der 28 Do-it-Filialen der Migros?
Wir haben uns auf die besten Standorte fokussiert, insbesondere die zwei Märkte in der Westschweiz. Das Interesse in der Branche an diesen Filialen war gross, schliesslich haben wir uns durchgesetzt. Entscheidend waren neben der Lage auch die Fläche, wir brauchen für unser Format durchschnittlich 10'000 Quadratmeter. Solche Filialen gab es im Migros-Nachlass wenige. Ich schliesse nicht aus, dass wir noch weitere der verbleibenden 28 Migros-Do-it-Filialen übernehmen. Die Verwertung ist meines Wissens noch nicht abgewickelt. Wir prüfen das. Die Faktoren Standort, Fläche und auch Miete müssen passen.

In welchem Zustand haben Sie die Filialen vorgefunden?
In einem guten. Klar, wir mussten einige Sachen umstellen, damit wir jetzt Anfang April eröffnen konnten. Die Do-it-Filialen folgen dann im Sommer. Wir haben übrigens alle 650 Mitarbeitenden in der Schweiz übernommen. Alle haben unser Angebot angenommen. Das deute ich als sehr gutes Zeichen.

Können Sie verstehen, dass die Migros ihre Baumärkte abgestossen hat?
Fokus ist erst mal nicht falsch. Wie ich das verstanden habe, möchte die Migros sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Weiter möchte ich den Entscheid aber nicht kommentieren.

Wie profitieren Sie eigentlich vom Migros-Rückzug?
Gar nicht so stark, wie man denken könnte. Denn Obi und die Migros haben sich bisher bewusst wenig konkurrenziert. Die Migros betrieb die Obi-Filialen ja im Franchise-System. Aber klar: Es wird jetzt Marktvolumen frei. Das ist in einem umkämpften Markt eine Chance für alle.

Wie viele Filialen peilen Sie längerfristig in der Schweiz an?
Wir legen uns nicht auf eine bestimmte Zahl fest. Uns ist eine landesweite Abdeckung wichtig. Es gibt noch einige weisse Flecken, beispielsweise in der Zentralschweiz. Es ist aber nicht so einfach, passende Flächen zu finden. Darum waren für uns auch die drei Migros-Do-it-Filialen wichtig. Grundsätzlich sind wir überzeugt, dass der Schweizer Markt ein Wachstumsmarkt ist.

Die aktuellen Zahlen des Marktforschungsinstituts GFK zeichnen ein anderes Bild. Die Umsätze im Schweizer Heimwerkermarkt sind rückläufig. Letztes Jahr sank der Umsatz um 1,6 Prozent, im Vorjahr betrug das Minus gar 3,3 Prozent.
Ich kann nur für Obi sprechen. Wir haben zuletzt Marktanteile gewonnen und unsere Profitabilität gesteigert. Tatsächlich steht unsere Branche aber unter Druck. Die Pandemie hat die Lieferketten durchgeschüttelt. Der Ukraine-Krieg brachte das Sicherheitsgefühl ins Wanken und sorgte für einen Energiepreisschock. Die allgemeine Inflation hat die Einkaufslust gedämpft. Die Leute fragen sich: Wie sicher ist mein Eigenheim noch? Bekomme ich weiterhin genug Strom? Wie geht es weiter mit der Teuerung? Angesichts solcher Fragen wurde in den letzten Jahren die Investition ins nächste Heimwerk-Projekt eher zurückgestellt.

Wie begegnen Sie den düsteren Aussichten?
Wir sind trotz der Weltlage keinesfalls frustriert! Wir entwickeln uns finanziell hervorragend und werden auch in der Schweiz investieren. Die erwähnten Handwerkerlösungen sind nur ein Teil davon. Vorwärtsgerichtet agieren wir auch im Digitalbereich. Den Schweizer Online-Shop erweitern wir um eine halbe Million Artikel. Zudem bauen wir die Beratung per App und vor Ort im Baumarkt aus.

Ein Ärgernis dürften Ihnen chinesische Billiganbieter wie Temu sein. Wie spüren Sie diese Konkurrenz?
Der Einfluss ist schwer zu messen. Es ist aber klar, dass in Zeiten grosser Unsicherheiten und knapper Budgets solche Anbieter attraktiv erscheinen können. Deshalb gibt es bestimmt einen Einfluss auf unser Geschäft. Wir reagieren darauf, indem wir noch mehr auf Qualität und Beratung setzen. Schliesslich wollen wir unserer Kundschaft auch mit gutem Gewissen beim nächsten Besuch gegenübertreten können.

Sie kommen ursprünglich aus der Strategieberatung, einer Zunft, die gerne schmerzhafte Sparprogramme vorschlägt. Müssen die Schweizer Mitarbeitenden mit einem Sparprogramm rechnen?
Ich bin im Herzen Händler, nicht Strategieberater. Ja, ich habe meine Laufbahn dort begonnen und mich intensiv mit Methoden, Kundenanalyse und Projektarbeit befasst. Auf Effizienz schauen wir immer, aber wir investieren in die Schweiz. Es ist kein Sparplan angedacht.

Sie wollen die Digitalisierung der Märkte vorantreiben. Ist das in Ihrer Branche überhaupt realistisch? Die Beratung vor Ort ist sehr wichtig. Und den Rasenmäher bestelle ich vermutlich nicht online, ohne ihn vorher gesehen zu haben.
Der Kern des Baumarktgeschäfts wird immer die physische Filiale sein. Wir haben beispielsweise dazu eigene Beratungsinseln in den Läden geschaffen, wo die Mitarbeitenden die Hauptrolle spielen. Digitale Angebote erweitern unser Angebot. Unsere App sorgt für Inspiration, beantwortet digital die Fragen der Kundschaft oder unterstützt sie in der Vorbereitung. Wer sich beispielsweise für eine Solaranlage interessiert, informiert sich bereits Monate vorher im Netz. Hier wollen wir ansetzen.

Was sind derzeit die Kassenschlager?
Ganzjährig sind unter anderem sogenannter Betonestrich und Bauplatten aus Holz beliebt. Im Frühjahr ist es Pflanzenerde, wobei wir in der Schweiz sehen, dass Swissness wichtig ist. Viele kaufen gerne Erde aus Schweizer Produktion. Für den Frühlingsputz sind zudem Aufbewahrungsboxen gefragt. Grundsätzlich verkaufen wir sehr saisonabhängig.

Ihr Maskottchen, der Obi-Biber, geniesst Kultstatus. Wie kam es dazu?
Der Biber baut unermüdlich an seinem Damm. Diese Beharrlichkeit zeichnet auch unser Unternehmen und vor allem unsere Kunden aus. Der Biber als Maskottchen soll unsere Kundschaft anfeuern und für gute Laune sorgen.

In der Schweiz darf der Biber seit Februar geschossen werden. Ein schlechtes Omen für Ihren Neustart in der Schweiz?
Der Biber darf geschossen werden?

Jedenfalls, wenn er in der Landwirtschaft erhebliche Schäden anrichtet oder Menschen gefährdet.
Nun, ich glaube, unser Biber ist ein bisschen freundlicher und somit vor dem Abschuss gefeit. (aargauerzeitung.ch)

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31 Kommentare
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Bruchpilot
04.04.2025 07:44registriert Juli 2020
Ich hoffen mal, dass Herr Gundel mitliest, auch wenn die Chance dafür recht klein ist:
Ja, Baumärkte verzeichnen einen Umsatzrückgang. Auch ich kaufe weniger dort ein. Die Gründe dafür sind aber andere wie hier beschrieben. Ich stellte fest, dass das Sortiment für "richtige Heimwerker", also nicht bloss Dekorateure und Bausatz-Zusammenbauer, von Jahr zu Jahr abnimmt. Brauche ich bestimmte Schrauben, gehe ich in den "Bau"märkten häufig leer aus. Und dafür bin ich dann 60km (Jumbo) bzw. 120km (Obi) gefahren.
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