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Wirtschaft

Weshalb die Schweiz weiter munter SUV's importiert

SUV-Sanktionen nützen kaum: Weshalb die Schweiz weiter munter «Dreckschleudern» importiert

Importsanktionen für Autos mit hohem Treibstoffverbrauch sollen die schädlichen CO2-Emissionen drosseln. Die Finanzkontrolle hat die Wirkung dieser Massnahme überprüft und kommt zum Schluss: Es gibt zu viele Umgehungsmöglichkeiten.
04.05.2023, 02:52
Anna Wanner / ch media
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Autoimporteure, die hauptsächlich Treibstoffschleudern einführen, müssen Strafgeld zahlen. So will es das CO2-Gesetz. Dieses verfolgt seit 2012 das Ziel, die Treibhausgase bis 2020 um mindestens 20 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Dabei soll auch der Strassenverkehr einen wesentlichen Beitrag leisten, der für rund 40 Prozent der klimaschädlichen Gase verantwortlich ist.

A SUV drives Wednesday, Nov. 13, 2019 in Paris. The world's thirst for oil will continue to grow until the 2030s, with climate-damaging emissions climbing until at least 2040 â?? and consumers&#0 ...
Die Schweizerinnen und Schweizer fahren gerne SUV – auch in den Städten. Bild: AP

Das Ziel wurde im Strassenverkehr nicht erreicht. Im Gegenteil. Die Treibhausgasemissionen stiegen von 1990 gegenüber der Periode 2013-2019 um rund 5.6 Prozent. Das hängt mit dem Verkehrsverhalten, aber auch mit den in der Schweiz verkauften Autos zusammen. Zwar werden jährlich weniger Autos neu zugelassen. Doch importiert die Schweiz im europäischen Vergleich viele Geländewagen (SUV), die besonders viel CO2 ausstossen.

Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) wollte es genauer wissen, schaute sich die Massnahmen an – und kommt zum Schluss: «Die CO2-Sanktionen auf den Autoimport haben zwar einen Effekt, aber er ist nicht substanziell.» Das sagt Direktor Pascal Stirnimann. Seine Behörde hat vier wesentliche Gründe herausgeschält, wieso die Sanktionen ihre Wirkung nicht entfalten können – oder schlimmer noch: kontraproduktiv sind.

Der Fehler in der Berechnungsformel

Die Logik der Sanktionen funktioniert so: Um die Schweiz mittelfristig mit emissionsschwachen Autos auszustatten, richten sich die Sanktionen an die Auto-Importeure. Das Gesetz legt CO2-Zielwerte für alle neuzugelassenen Fahrzeuge fest. Für alle Importeure, genauer für ihre Flotten, gelten individuell berechnete Zielvorgaben. Werden die Emissionsgrenzen überschritten, muss der Importeur ein Strafgeld zahlen.

Allerdings steckt bereits in der Berechnung der Zielvorgaben der erste Fehlanreiz. Denn das Leergewicht des Fahrzeuges beziehungsweise das durchschnittliche Leergewicht der Flotte wird in die Berechnung einbezogen: Es lohnt sich demnach, schwerere Autos zu importieren. Nur: Diese brauchen mehr Treibstoff und stossen folglich auch mehr CO2 aus.

Hinzu kommt, dass gerade in der Schweiz schwere Geländewagen aufgrund der hohen Kaufkraft bei einem breiten Konsumentenkreis beliebt sind, wie die Finanzkontrolle feststellt. Die Schweiz importiert europaweit eine der schwersten Fahrzeugflotten. 2020 waren 44 Prozent der neuzugelassenen Fahrzeuge SUV.

Die teils ungenügende Wirkung der Sanktion in diesem Bereich bestätigt auch Christoph Schreyer, Leiter Sektion Energieeffizienter Verkehr beim Bundesamt für Energie (BFE): «Es wurden 2021 anteilsmässig nirgendwo in Europa mehr 4x4-Fahrzeuge zugelassen als in der Schweiz.» Das BFE anerkennt folglich auch die Empfehlung der Eidgenössischen Finanzkontrolle, die Verordnung beim Leergewicht entsprechend anzupassen, um Fehlanreize zu beseitigen.

Die Zusammenstellung der Flotte - und Tesla als Profiteur

Zu einer Umgehung verleiten auch die Importe von Hybrid- und Elektroautos. Diese sind wegen der Batterie sehr schwer, stossen aber weniger oder gar kein CO2 aus. Wegen der guten Schadstoffbilanz werden sie beim Import nicht sanktioniert. Weil es den Importeuren aber erlaubt ist, Emissionsgemeinschaften zu bilden sowie emissionsschwere Fahrzeuge an andere Flotten abzutreten, wird dieser Effekt geschickt ausgenutzt.

Das Beispiel Tesla illustriert, wie das funktioniert: Die Firma importiert die eigenen Fahrzeuge selbst und ist darum der einzige Player, der nur Elektrofahrzeuge einführt. Die CO2-Emissionen der Fahrzeuge liegen also bei null. Die importierte Fahrzeugflotte wird nun so optimiert, dass 2020 zu den 2291 Teslas noch 7096 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor hinzukommen - und trotzdem keine Sanktionen bezahlt werden müssen. Auf jedes Elektroauto werden so vier Verbrenner importiert, die keine Strafe zahlen müssen.

Die Mischrechnung funktioniert auch für andere Importeure: Tesla tritt für den Import eigene Autos an andere Flotten ab, um deren CO2-Bilanz ebenfalls zu verbessern – und um wiederum Sanktionen zu umgehen. Die EFK schreibt dazu: «Nach rund zehn Jahren in diesem regulativen Rahmen hat sich die Flottenoptimierung eingespielt.»

Dem Nationalstrassennetz entgehen 127 Millionen Franken

Die Finanzkontrolle hat berechnet, dass über diese Tauschgeschäfte 17'300 Fahrzeuge abgetreten wurden, was einem «fiktiven Sanktionswert» von 126.5 Millionen Franken entspreche. Zum Vergleich, 2021 zahlten die Importeure Sanktionen in der Höhe von 28 Millionen Franken, 2020 waren es 132 Millionen.

Das Optimieren ist so lukrativ, dass der Handel mit CO2-Emissionen bei Fahrzeugimporten als Geschäftsmodell taugt. So ermöglichten Firmen wie die CO2-Börse AG auch kleineren Importeuren mehr Flexibilität bei der Flottenzusammensetzung, schreibt die EFK.

Die Kontrollbehörde sieht in dieser Mischrechnung zwei Nachteile. Wenn Importeure von SUV den Tesla-Importeuren einen Beitrag zahlen können, um straffrei schwere Geländewagen zu importieren, fehlt der Druck, auf emissionsarme Autos umzusteigen. Ausserdem verdient Tesla nur dann etwas dazu, wenn auch weiterhin SUV importiert werden.

Anteil an Allrad-Fahrzeugen Schweiz
Der Anteil an neuen 4x4-Fahrzeugen im Verkehr nimmt prozentual zu.Bild: AZ, stb/BFS/Astra

Der dritte wichtige Grund, warum die Sanktionen zu wenig greifen, sieht die Finanzkontrolle in der Höhe der Sanktionen: Sie schmerzen die Konsumenten zu wenig. 2020 wurden 98'386 Autos sanktioniert. Die EFK hat die zwei betroffenen Importflotten genauer angeschaut und berechnet, dass bei der ersten Flotte im Schnitt eine Sanktion von 550 Franken pro Auto bezahlt wurde, was rund 0.8 Prozent des Kaufpreises entspricht. Bei der zweiten Flotte waren es 1500 Franken, was 3.3 Prozent des Kaufpreises entspricht.

Limitierter Effekt auf die Nachfrage

Der Effekt auf den Preis sei marginal, resümiert Projektleiterin Andrea Häuptli von der Finanzkontrolle. «Wer ein Auto in einem hohen Preissegment kauft, der lässt sich von einem Preisunterschied zwischen 500 und 1500 Franken nicht vom Kauf abbringen.»

Häuptli verweist auf die Steuern und Abgaben, die im Ausland auf emissionsstarke Autos gezahlt werden. In den Niederlanden wird eine Einmalabgabe von 18'000 Euro für den Kauf eines Dieselfahrzeugs erhoben. Andere Länder wie Deutschland arbeiten mit einem Bonus und verteilen Kaufprämien für Elektroautos, in Norwegen entfällt die hohe Importsteuer von 20 Prozent auf E-Autos.

Auch in der Schweiz profitieren die Elektroauto-Besitzer von gewissen Vorteilen, so zahlen sie beispielsweise keine Mineralölsteuer oder noch keine Automobilsteuer in der Höhe von vier Prozent. Letztere will der Bundesrat nun aber auch für Elektroautos einführen. Eine schweizweite Regelung eines Bonus- oder Malussystems ist indes schwierig, weil dies in die Zuständigkeit der Kantone fällt.

Unnötige Übergangserleichterungen

Der letzte Umgehungspunkt sind die Übergangserleichterungen, die 2012 bei der Einführung der neuen Importsanktionen galten. Die Importeure sollten sich den neuen Gegebenheiten anpassen – von allzu strengen Richtlinien für Sanktionen wurde für drei Jahre abgesehen.

Weil 2020 dann die Zielwerte für den CO2-Ausstoss reduziert wurden, kamen die Erleichterungen nochmals für drei Jahre zum Tragen. Die Finanzkontrolle stellte einen kontraproduktiven Effekt fest, weil sich die Importeure längst auf die Sanktionen eingestellt hatten und durch die Erleichterungen lediglich der Import von emissionsreichen Fahrzeugen begünstigt wurde.

Bundesrat Albert Roesti spricht waehrend der Sondersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 3. Mai 2023, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Wie viel Neo-Bundesrat Albert Rösti von griffigeren Sanktionen hält, ist nicht klar.Bild: keystone

Die Untersuchung der Finanzkontrolle soll nun nicht gleichermassen verpuffen wie die Wirkung der Sanktionen. Sektionsleiter Christoph Schreyer erklärt, das Bundesamt für Energie sei mit der Analyse und den Vorschlägen der Finanzkontrolle weitgehend einverstanden.

Damit die CO2-Sanktionen künftig eine bessere Wirkung erzielten, arbeite das Amt nun im Rahmen der nächsten Revision Vorschläge für Änderungen der CO2-Verordnung aus und lege diese dem Departementsvorsteher vor. Was Albert Rösti davon in den Bundesrat tragen wird, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Er war bis zu seinem Amtsantritt Cheflobbyist der Autoindustrie. (aargauerzeitung.ch)

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384 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Haarspalter
04.05.2023 05:47registriert Oktober 2020
„… dass schwere Geländewagen aufgrund der hohen Kaufkraft bei einem breiten Konsumentenkreis beliebt sind, gerade in Städten…“

Natürlich.

Ich trage aus diesem Grund auch nur hochalpine Bergschuhe Modell „Everest Summit GTX“ im Büro, aber nur die ab 900 Fr. - mit den Steigeisen montiert.

Schließlich bin ich schon Abteilungsleiter.
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Domimar
04.05.2023 06:13registriert August 2016
Ich werde nie verstehen, warum die Leute so grosse Karren fahren. Vertreter und ähnliches, die 3/4 des Arbeitstages im Auto verbringen, ok kann man irgendwie mit dem Komfort nachvollziehen, auch wenn es mit Elektro inzwischen Alternativen gibt. Aber alle Anderen? Einparkieren ist mühsam, es "lampet" oft über das Parkfeld, in den engen Gässli muss man immer besonders aufpassen, ganz zu Schweigen von den engen Bergstrassen, man eckt generell überall an. Kürzlich hab ich so einen RAM gesehen, mit diffamierendem Spruch (gegen Kleinautofahrer) auf der Heckscheibe. Das ist für mich nur Kompensation.
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winglet55
04.05.2023 05:35registriert März 2016
Mit ein Grund wieso bei Grossfirmen die Rechtsabteilungen ausgebaut werden. Es lohnt sich offensichtlich nach Gesetzeslücken zu forschen und zu finden. Wird wohl nicht nur in der Autobranche so sein.
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