Schweiz
Wirtschaft

Credit Suisse: Die Ohnmacht des Parlaments in der Bankenkrise

Bundesraetin Karin Keller-Sutter spricht an der ausserordentlichen Session der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 11. April 2023 im Nationalrat in Bern. Die ausserordentliche Session wurde einberufe ...
Karin Keller-Sutter am Dienstagabend im Nationalrat: Die Finanzministerin hatte an diesem für sie sehr langen Tag keinen leichten Stand.Bild: keystone
Analyse

Mario Draghi, die Credit Suisse und die Ohnmacht des Parlaments

Die Wortmeldungen im Parlament zum Banken-Debakel waren von Frustration geprägt. An Vorschlägen, es besser zu machen, fehlt es nicht. Es fragt sich, ob sie umsetzbar sind.
12.04.2023, 15:1813.04.2023, 12:44
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Eine Nationalrätin sprach eine prophylaktische Warnung aus. «Bis 2 Uhr» werde die Debatte zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und den Bundesgarantien von 109 Milliarden Franken dauern. Ganz so arg kam es nicht, aber fast. Am frühen Mittwochmorgen um 1.15 Uhr wünschte Nationalratspräsident Martin Candinas (Mitte) allen eine gute Nacht.

Es war das späte Ende eines langen Tages. Begonnen hatte er am Dienstag um 11.15 Uhr im Ständerat. Schon in der «Chambre de Réflexion» war das Mitteilungsbedürfnis gross. Weil die Redezeit nicht beschränkt ist, dauerte die Debatte 90 Minuten länger als geplant, was die Beratungen im Nationalrat um zwei Stunden bis 19.15 Uhr verzögerte.

Das Ergebnis hatte sich abgezeichnet: Der Ständerat sagte zweimal zähneknirschend, aber dennoch klar Ja zum Nachtragskredit, der Nationalrat lehnte ihn am Mittwoch definitiv ab. Es war ein rein symbolisches Votum, denn durch die Zustimmung der Finanzdelegation von National- und Ständerat am 19. März ist der Deal rechtlich abgesichert. Es ging nur um einen Denkzettel für den Bundesrat.

Ärger wegen «Too big to fail»

Aus den Voten im Parlament war viel Frustration darüber zu entnehmen, dass der Bundesrat nur 15 Jahre nach dem Beinahe-Kollaps der UBS erneut eine Grossbank mit Notrecht vor dem Untergang bewahren musste. Und noch mehr Ohnmacht darüber, dass sich das nach der Finanzkrise gezimmerte «Too big to fail»-Gesetz als unbrauchbar erwiesen hatte.

Der Plan, eine systemrelevante Bank zu zerlegen und teilweise zu liquidieren, funktioniert offenbar nur in der Theorie. In der Praxis drohen in diesem Fall heftige Turbulenzen an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft, was Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) einmal mehr betonte. Darüber ärgerten sich nicht zuletzt die «Veteranen» im Parlament.

Wut auf «Kamikaze-Bankster»

Sie waren nach 2008 an «Too big to fail» beteiligt und mussten feststellen, dass sie für den Papierkorb gearbeitet hatten. Der Solothurner SP-Ständerat Roberto Zanetti schimpfte über die «Kamikaze-Bankster» und die «Klugscheisser der Bahnhofstrasse und der Wall Street». Er habe «sehr viel mehr Hochachtung vor einem ordinären Bankräuber».

Die SVP Staenderaete Hannes Germann, SH, Alex Kuprecht, SZ, und Hansjoerg Knecht, AG, diskutieren vor Sitzungsbeginn, an der ausserordentlichen Session der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 12. Apr ...
Hannes Germann (l.) im Gespräch mit seinen SVP-Kollegen Hansjörg Knecht (r.) und Alex Kuprecht.Bild: keystone

Nicht ganz so rustikal, aber nicht weniger deutlich äusserte sich sein SVP-Kollege Hannes Germann. Er ist als Verwaltungsratspräsident der Ersparniskasse Schaffhausen «vom Fach» und bezweifelte, dass die CS-Übernahme «alternativlos» war. Als besonders störend empfand er, dass man das Notrechtsregime des Bundes als «privatrechtlichen Deal» verkaufe.

KKS und das Prinzip Hoffnung

Karin Keller-Sutter hatte alle Mühe, die auf sie einstürzende Kritik zu kontern. Und gab sich dabei die eine oder andere Blösse. So verwies sie darauf, dass sich im Januar und Februar der Abfluss der Kundengelder bei der CS verlangsamt habe. Indirekt gestand sie damit ein, dass Bund, Nationalbank und Finma auf das «Prinzip Hoffnung» gesetzt hatten.

Nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank und anderer Banken in den USA aber habe sich die Lage dramatisch verändert: «Am 15. März war klar, dass ohne drastische Massnahmen die Credit Suisse den 20. März nicht mehr erleben oder überleben würde.» Es sei darum gegangen, einen ungeordneten Konkurs zu verhindern, betonte die Finanzministerin.

«Den Bergpreis gewonnen»

Einer Verstaatlichung der Grossbank, die von der Bevölkerung laut Umfragen bevorzugte Lösung, erteilte Keller-Sutter mit einer Analogie aus dem Radsport eine Absage: «Damit hätten wir wirklich den Bergpreis gewonnen.» Wolle die Schweiz weiterhin einen Finanzplatz, der in der Topliga spiele, «dann müssen wir die Konsequenzen tragen».

ZUR ANHOERUNG VON CREDIT SUISSE-CHEF BRADY DOUGAN VOR DEM US SENAT STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG - Brady W. Dougan, CEO of Swiss Bank Credit Suisse (CS), speaks during the pres ...
Ex-CEO Brady Dougan wird sich kaum zur Verantwortung ziehen lassen.Bild: KEYSTONE

Was das für die Zukunft bedeutet, ist vorerst unklar. Die Parteien überbieten sich mit Vorschlägen – es ist bekanntlich Wahljahr. Einiges ist Polit-Klamauk, etwa die SVP-Idee, in den Verwaltungsräten systemrelevanter Unternehmen müssten mehrheitlich Personen mit Schweizer Bürgerrecht sitzen. Wie war das nochmals im «Versager-Rat» der Swissair?

Andere Vorschläge wirken seriöser, aber es stellt sich die Frage der Umsetzbarkeit:

  • «Hartes» Eigenkapital von bis zu 20 Prozent: Tönt gut – aber Bankenkritiker von links warnen vor den damit verbundenen, horrenden Kosten. Leidtragende wären die Kunden, etwa durch höhere Hypothekarzinsen, die Aktionäre und der Staat durch geringere Steuereinnahmen.
  • Klagen gegen die Verantwortlichen: Tönt gut – aber was ist mit den ehemaligen CEOs Brady Dougan und Tidjane Thiam, die mit ihren Millionen im Gepäck längst über alle Berge sind? Und wer garantiert, dass es anders kommt als beim Swissair-Prozess, in dem die Verantwortlichen für die Pleite auf der ganzen Linie freigesprochen wurden?
  • Ein Verbot oder eine Einschränkung von Boni: Tönt gut – aber in der Regel finden die Banker immer einen Weg, um sich die Taschen zu füllen.
  • Mehr Kompetenzen für die Finma: Tönt gut – nur fragt man sich, ob die Aufseher des Bundes über den zu ihrer Anwendung notwendigen Biss verfügen.

Eigentlich waren sich am Dienstag alle einig, dass man die neue «Monster-Bank» zähmen muss. Ob es am Ende zu entsprechenden Regulierungen kommt, darf man bezweifeln. Es besteht die Gefahr, dass FDP, Mitte und selbst die SVP einmal mehr vor der Bankenlobby einknicken werden. Oder vor Drohungen der UBS, ihren Sitz etwa nach Singapur zu verlegen.

Einen zumindest bedenkenswerten Vorschlag brachte Ständerat Hannes Germann ins Spiel. Die Nationalbank hätte zusichern können, die Credit Suisse unbeschränkt mit Liquidität zu versorgen, nach dem Motto «Whatever it takes». Damit verbunden ist die Hoffnung, der rapide «Aderlass» bei den Kundengeldern hätte sich mit diesem Signal stoppen lassen.

«Whatever it takes»

Der Schaffhauser verwies auf die Praxis der US-Notenbank FED, doch eigentlich erinnert «Whatever it takes» an Mario Draghi, den früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). Auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise hatte er es allein mit dieser Ankündigung geschafft, die Einheitswährung zu stabilisieren und Griechenland in der Eurozone zu halten.

FILE - In this June 5, 2014 file photo, President of European Central Bank Mario Draghi speaks during a news conference in Frankfurt, Germany. The 18-country eurozone bloc, a key region that emerged f ...
Mit der Zusicherung «Whatever it takes» beruhigte Mario Draghi im Juli 2012 die verunsicherten Finanzmärkte.Bild: AP/AP

Hätte das auch die Credit Suisse retten können? Der Bundesrat hätte dafür ebenfalls Notrecht anwenden müssen, räumte Germann ein, denn das heutige Nationalbankgesetz erlaubt keine Finanzspritzen ohne Sicherheiten. Die Finanzministerin ging nicht direkt auf diese Idee ein. Sie deutete aber an, die Option «Whatever it takes» für die Zukunft zu prüfen.

Der Glaube fehlt

Weil die UBS sie als indirekte Staatsgarantie interpretieren könnte, wird es ohne zusätzliche, schärfere Regulierungen dennoch kaum gehen. Die Frage bleibt, ob der Wille im Parlament vorhanden sein wird. «Ich glaube es erst, wenn ich es sehe», sagte Hannes Germann im Gespräch mit watson. Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören.

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Am Anfang war der Eisenbahn- und Gotthard-Pionier: Am 16. Juli 1856 nimmt die von Alfred Escher gegründete Schweizerische Kreditanstalt (SKA), Vorgängerin der heutigen Credit Suisse, ihre Geschäftstätigkeit auf. Der Politiker und Wirtschaftsführer leitete die SKA als erster Verwaltungsratspräsident von 1856-1877 und von 1880-1882.
quelle: alfred-escher-stiftung / alfred-escher-stiftung
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35 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sealeane
12.04.2023 16:45registriert November 2017
Aber wer sagt denn das wir einen solchen Finanzplatz wollen??
Den schweizer Banker um die Ecke? In der Filiale? Ja klar. Der internationale Banker der im Investment tätig ist und da oft auch Milliarden versenkt (ob durch Bussen oder Verspekuliert), nein denn wollen wir nicht. Was haben wir davon? Oft sind in dem Bereich auch international tätiges Personal tätig.. und bis aud irgendwelche Sponsoren von Sport XY hat das keinen Einfluss... und kommt mir nicht mit Steuern.. jeder Rappen Verlust können die doch an den Steuern abziehen, ich bezweifle das die maroden Abteilungen steuern zahlen.
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