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Die ausserordentliche Session im Überblick

Bundesraetin Karin Keller-Sutter setzt sich an der ausserordentlichen Session der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 11. April 2023 im Nationalrat in Bern. Die ausserordentliche Session wurde einber ...
Auf Finanzministerin Karin Keller-Sutter kommt eine Menge Arbeit zu.Bild: keystone

Was das Nein zum Megakredit für die UBS bedeutet – und was der Bundesrat jetzt prüfen muss

Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat über die CS-UBS-Fusion beraten. Dabei liessen die Politiker ihrem Frust freien Lauf. Der Bundesrat muss nun eine Reihe von Fragen beantworten. Ein Überblick zur ausserordentlichen Session.
12.04.2023, 05:3613.04.2023, 10:14
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Darum geht es

Der Bundesrat agierte beim Beschluss, die arg strauchelnde Credit Suisse mit der UBS zu fusionieren, aufgrund der hohen Dringlichkeit mit Notrecht. Der Gesetzgeber sieht vor, dass in einem solchen Fall die getroffenen Beschlüsse nachträglich vom Parlament beraten werden müssen. Zudem kann das Parlament Umsetzungsdetails diskutieren und festlegen. Deshalb trafen sich National- und Ständerat nach Ostern zu einer ausserordentlichen Session.

Die ausserordentliche Session im Liveticker:

Die emotionalen Debatten in den Räten

Die Politikerinnen und Politiker, welche sich in National- und Ständerat zu Wort meldeten, nahmen kein Blatt vor den Mund.

Verursacht worden sei der Schlamassel von einer verantwortungslosen Managerkaste, sagte FDP-Vertreter Thierry Burkart im Ständerat. Es sei «unsäglich», welche Arroganz der oberste Bankenkader immer wieder an den Tag lege, hielt auch Ständerat Daniel Fässler (Mitte/AI) fest.

Daniel Faessler, Mitte-AI, spricht waehrend der Debatte um subsidiaere Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitaetswirtschaft, waehrend der Herbstsession der Eidgenoessisch ...
Der Innerrhoder Ständerat Daniel Fässler.Bild: keystone

Auch im Nationalrat wurde die Kritik an den Fehlern der CS-Konzernleitung beinahe zelebriert. SP-Chef und Nationalrat Cédric Wermuth sagte beispielsweise: «Man wähnt sich ein bisschen in einem Götterkult.» Der Finanzmarkt sei so mächtig, dass er der Schweiz diktiert habe, unter welchen Umständen eine Bank gerettet werden muss.

«Diesen Irrsinn müssen wir beenden.»
Cédric Wermuth

SVP-Nationalrat Thomas Aeschi nahm erneut die Finma ins Visier. Er stellte einige rhetorische Fragen und bekundete Unverständnis darüber, dass die Finma nicht eher auf die seit Monaten schlingernde Credit Suisse reagiert hatte.

Thomas Aeschi, SVP-ZG, spricht waehrend der Debatte um die BVG-Reform, waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 28. Februar 2023, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Thomas Aeschi bei seinem Statement.Bild: keystone

Auch dass die fehlbaren Spitzenbanker bisher kaum Konsequenzen spüren mussten, kritisierte Aeschi. Er forderte zudem erneut die Einberufung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), um diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

Für Stirnrunzeln sorgte SVP-Nationalrat Thomas Matter, der nebst einer «aggressiven Auslandsstrategie der CS» auch den «Fokus auf Gender, Diversity und Klima» für das Scheitern der Grossbank verantwortlich machte.

Mitte-Nationalrat Matthias Bregy nahm die bisherigen Gesetze ins Visier:

«‹Too big to fail› ist gescheitert.»
Matthias Bregy

Auch er kritisierte die Finma, forderte, dass die CS-Manager zur Verantwortung gezogen werden müssten und die Etablierung einer neuen Finanzmarktstrategie.

Swiss speaker Damien Cottier holds the Geneva Convention on international legal standards for humanitarian treatment in war during a session at the Council of Europe Parliamentary Assembly (PACE) in S ...
FDP-Fraktionschef Damien Cottier.Bild: keystone

Einige wenige positive Worte fand ein FDP-Vertreter: Damien Cottier, Fraktionschef der Liberalen, lobte den Bundesrat – und damit notabene «seine» Bundesrätin Karin Keller-Sutter – für die unmittelbare Reaktion in der Krise. Der Bundesrat habe einen Sturm auf dem Finanzplatz verhindert. «Das heisst regieren», so Cottier. Er mahnte das Parlament ob der emotionalen, scharfzüngigen Voten aus den anderen Parteien mit einer rhetorischen Frage:

«Wollen wir heute wirklich ein weiteres Chaos veranstalten?»

Das haben die Räte beschlossen

Nachdem die Parlamentarier ihren Unmut kundgetan und sich zu den zu klärenden Fragen positioniert hatten, standen um kurz nach Mitternacht die Gesamtabstimmungen an.

Dabei zeigte sich: Anders als der Ständerat sagte der Nationalrat mit 102 zu 71 Stimmen Nein zu den finanziellen Garantien des Bundesrats für die UBS, die bei der Fusionsankündigung versprochen wurden. Dagegen stimmten SVP, SP und Grüne, dafür sprachen sich die Vertreter von Mitte, FDP und GLP aus.

Unmittelbare Folgen hat das Nein zu den Nachtragskrediten aber nicht, da der Bund mit dem Notrechtserlass und der Zustimmung der Finanzdelegation die Verpflichtungen bereits eingegangen ist. Es handelte sich daher mehr um ein politisches Signal, eine Ohrfeige an die Adresse des Bundesrats, insbesondere an Finanzministerin Karin Keller-Sutter.

Bundesraetin Karin Keller-Sutter spricht zur Kleinen Kammer, an der ausserordentlichen Session der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 11. April 2023 im Staenderat in Bern. Die ausserordentliche Sess ...
Karin Keller-Sutter musste auch Kritik einstecken.Bild: keystone

Der Nationalrat will zudem, dass geprüft wird, ob und wie die ehemaligen CS-Manager für ihre Fehler haftbar gemacht werden können. Ein entsprechendes Postulat wurde diskussionslos angenommen.

Selbiges gilt für zwei weitere Postulate: Einerseits verlangt der Nationalrat, dass die Grundlagen und Grenzen des Notrechts überprüft werden, andererseits soll auch beraten werden, wie das Parlament in einer solchen Krisensituation mehr einbezogen werden kann.

Das kommt jetzt auf den Bundesrat zu

Der Nationalrat legte dem Bundesrat zudem eine ganze Liste mit Fragen vor, zu denen dieser nun Stellung nehmen muss. Eine Übersicht:

  • Können Boni an das obere Management von UBS und CS untersagt werden, während die Garantien des Bundes laufen?
  • Ist eine Beschränkung dieser Boni für die Spitzen von systemrelevanten Banken generell möglich?
  • Ist die Einführung eines Trennbankensystems für systemrelevante Banken möglich?
  • Kann eine höhere Mindest-Eigenkapitalquote für systemrelevante Banken eingeführt werden?
  • Zudem muss sich der Bundesrat mit Nachhaltigkeitszielen für private Unternehmen bei Staatshilfe und der Frage, wie die von systemrelevanten Banken ausgehenden Risiken für Bund und die heimische Volkswirtschaft minimiert werden können, befassen.
  • Weiter muss der Bundesrat eine Chancen/Risiken-Analyse der neuen Superbank für die Schweiz vornehmen und im Detail erörtern, welche Auswirkungen eine vorübergehende Verstaatlichung der Credit Suisse zur Folge gehabt hätte.

Am Dienstagnachmittag hatte bereits der Ständerat eine Liste mit Fragen an den Bundesrat überwiesen. Der Bundesrat zeigte sich einverstanden mit den Aufträgen, die die Räte an ihn richteten, und erklärte zudem, dass auch die bestehende «Too big to fail»-Gesetzgebung umfassend überprüft werden soll.

So geht es weiter

Der umfassende Bericht des Bundesrats soll in einem Jahr vorliegen. Kurzfristig steht heute Mittwoch die Differenzbereinigung an. Dabei werden Fragen beraten, über die sich National- und Ständerat noch nicht einig sind.

Mit Material der Nachrichtenagentur SDA.

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181 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Walter Sahli
12.04.2023 07:17registriert März 2014
SVP im Herbst 22: "Man muss die CS in Ruhe arbeiten lassen!"

SVP im Frühling 23: "WARUM HAT NIEMAND EINGEGRIFFEN?!?11!?"

Auch SVP im Frühling 23: "GENDERN, DIVERSITY UND DAS KLIMA SIND SCHULD!!1!11!!"
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namib
12.04.2023 07:15registriert März 2018
Das Parlament hätte nach der Finanzkrise 15 Jahre Zeit gehabt, griffigere Mechanismen zu verlangen und Gesetze auszuarbeiten, um eine solche Situation zu verhindern. Dass gestern der halbe Nationalrat mit billigen, populistischen Voten versucht hat, die Schuld von sich zu weisen und aus der Katastrophe politisches Kapital zu schlagen, ist sehr störend.

Das Votum von Matter zeigt exemplarisch, dass es eigentlich nur um Selbstprofilierung im Wahlkampf geht…
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SBRUN
12.04.2023 06:23registriert September 2019
Ich hoffe schwer, dass bei den Verantwortlichen auch die Steuerbehörden rückwirkend noch einmal ganz genau hinschauen. Ich kann mir schwer vorstellen, dass solche Personen in irgendeinem Bereich auch nur einen Funken Anstand haben. Jede Möglichkeit die sich bietet, auf Basis geltendem Recht die gierigen Schluckhälse an der Kehle zu packen, muss genutzt werden.
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