Wie mächtig sie sind, verrät schon ihr Übername: Man nennt sie die «Big Four». Die grossen Vier, das sind Pricewaterhouse Coopers (PwC), Deloitte, Ernst & Young (EY) und KPMG – die weltweit umsatzstärksten Prüf- und Beratungsgesellschaften. Ihr Einfluss wird mal als «dominierend» («Die Welt»), mal als «immens» («Wall Street Journal») beschrieben.
Fein säuberlich haben die Big Four den Markt der Buchprüfungen unter sich aufgeteilt. Keiner hat so viel Einblick, keiner kennt die Finanzströme der Konzerne so gut wie sie. Entkommen? Unmöglich. Mit ihren Heerscharen von Revisorinnen, Juristen und Consultants arbeiten die Big Four für fast alle Grossunternehmen. In der Schweiz stehen sämtliche SMI-Konzerne bei ihnen unter Vertrag.
Im Übrigen haben die Big Four ihre Schlagkraft einer Doppelrolle zu verdanken. Sie prüfen nicht nur die Bilanzen von Firmen, sie beraten diese auch. Zum Beispiel darin, wie man Steuern optimiert oder sich mit neuen Strategien auf Effizienz trimmt. Oder seine Informatik modernisiert. Ihre allumfassende Präsenz führt freilich dazu, dass sie immer wieder in Skandalfällen eine Rolle spielen.
Was hingegen meist unter dem Radar bleibt: Eine gewichtige Rolle spielen die Big Four auch beim Staat. Die Bundesverwaltung greift gerne mit Steuergeldern auf ihre Dienste zurück. In den vergangenen zehn Jahren hat sie Aufträge in der Höhe von 480 Millionen Franken an die vier grossen Beratungs- und Prüfgesellschaften vergeben. Das zeigt eine Auswertung der «Schweiz am Wochenende».
Diese stützt sich auf Daten der Plattform Intelliprocure, die von Wirtschaftsinformatikern der Uni Bern aufbereitet worden sind. Berücksichtigt wurden sämtliche publizierten Auftragsvergaben der zentralen Bundesverwaltung; solche mit öffentlicher Ausschreibung ebenso wie solche ohne.
Spitzenreiter der vergangenen zehn Jahren ist Deloitte. Die Firma hat Aufträge in der Höhe von insgesamt 228 Millionen Franken von der Bundesverwaltung erhalten. Dahinter liegt PwC mit 183,5 Millionen. Deutlich abgeschlagen folgen KPMG mit 42 Millionen und EY mit 26,5 Millionen.
Die Beträge – sie entsprechen jeweils der Summe der gewonnenen Ausschreibungen – sind als Grössenordnung zu betrachten; zum Teil könnten sie tiefer liegen, zum Teil sogar höher. Denn: Bei manchen Aufträgen handelt es sich um sogenannte maximale Beschaffungsvolumen. Es werden also nicht zwingend alle Leistungen abgerufen. Gleichzeitig gibt es Aufträge, deren Wert unklar bleibt, weil lediglich Stundenansätze publiziert werden.
Fest steht: Dem Outsourcing staatlicher Aufgaben sind kaum Grenzen gesetzt. Die Beratertruppen der Big Four gehen in Bern ein und aus. Mal analysieren sie die Prozesse eines Bundesamts. Mal liefern sie, die selbst als Steuerberater tätig sind, ein Gutachten dazu ab, wie eine Steuer umgekrempelt werden könnte. Mal mischen sie bei der Ausarbeitung eines neuen Gesetzes mit. Mal helfen sie bei der Digitalisierung.
Auch in der Coronakrise setzt die Verwaltung auf die Beraterfirmen. So unterstützte Deloitte die Finanzverwaltung dabei, das Rettungspaket für die Fluggesellschaften zu schnüren. Laut Informationen dieser Zeitung durchleuchteten die Berater die Airlines und halfen, die Eckpunkte des Hilfspakets auszuarbeiten. 1,6 Millionen Franken kostet das Mandat den Steuerzahler.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat derweil gleich zwei Beraterfirmen für die Krisenbewältigung engagiert. Ihre Aufgabe: den Missbrauch von Kurzarbeitsgeldern bekämpfen. Fachleute von PwC und EY überprüfen die Empfängerfirmen, um unrechtmässige Leistungsbezüge aufzudecken. Ebenso sollen deren Juristen laut dem Staatssekretariat «zur Unterstützung allfälliger Gerichtsverfahren temporär eingesetzt werden». Die enorme Zahl an Kurzarbeitsbewilligungen verlange «nach einem erhöhten Mass an Prüfungen». Für die Mandate von PwC und EY ist ein Maximalvolumen von 20 Millionen Franken vorgesehen.
Wann setzt der Bund lieber auf Berater statt auf den eigenen Apparat? Gerade Parlamentarier kritisieren immer wieder, dass der Einkauf von Sachverstand angesichts der Tausenden Angestellten der Verwaltung fragwürdig sei. Zumal Seniorberater in der Regel deutlich mehr verdienen als Bundesangestellte, deren Durchschnittslohn bereits über 120'000 Franken beträgt.
Tatsächlich fällt auf, dass die Big Four ihre Expertise des Öfteren in zentralen Dossiers andienen können. Sie füttern die Beamten mit Informationen, beeinflussen so die Politik mehr oder weniger direkt. 2013 beispielsweise durften PwC-Berater der Steuerverwaltung aufzeigen, «welche Regulierungskosten auf Seiten Unternehmen mit der Erhebung von Steuern verbunden sind». 2019 befasste sich KPMG für Ueli Maurers Finanzdepartement mit dem Umbau der Verrechnungssteuer.
Gleich drei der vier grossen Prüffirmen arbeiteten in einer Bundesgruppe mit, die sich der Ausgestaltung der Unternehmenssteuerreform III widmete. Ihre Steuerexperten waren es auch, die das umstrittene Instrument der «zinsbereinigten Gewinnsteuer» massgeblich erarbeitet und via bürgerliche Parlamentarier in die Beratungen eingespeist haben sollen. Bei EY war gar die Rede davon, man habe «aktiv an der Ausgestaltung der Reform mitgeholfen». Die Vorlage scheiterte schliesslich 2017 an der Urne.
Das Wirtschaftsdepartement sicherte sich derweil 2018 den Support von PwC, um das Debakel rund um die Hochseeschifffahrt-Bürgschaften aufzuarbeiten. Das Bundesamt für Statistik heuerte deren Berater als Projektleiter bei Reformvorhaben an. Das Bundesamt für Verkehr liess von PwC unter anderem Vorschläge ausbrüten, wie eine Pendlerabgabe in der Schweiz eingeführt werden könnte. Und das Bundesamt für Raumentwicklung bestellte neue Branchenszenarien bei KPMG.
Das Verteidigungsdepartement von Viola Amherd wiederum pflegt gute Drähte zu Deloitte. 2019 liess es seine Beschaffungsprozesse von der Firma durchchecken. Das Ziel lautete abermals: mehr Effizienz. Schliesslich ist die Einkaufsliste der Armee mehrere Milliarden schwer. Zuvor leisteten Deloitte-Berater dem Departement bereits Support beim «Change Management» oder bei der «Optimierung» im Personalbereich. Es sind Schlagwörter, die im Beraterwesen geradezu typisch sind.
Nicht jeder Bundesauftrag für die Big Four ist politisch derart aufgeladen. Das Gros ihrer Etats geht zum einen auf klassische Revisionsmandate zurück. Namentlich die Eidgenössische Finanzkontrolle vergibt solche regelmässig – oder rekrutiert bei den Prüffirmen gleich direkt temporäres Personal.
Zum anderen sind Informatikprojekte ein besonders lukratives Aufgabenfeld. Hier fliesst viel Geld vom Staat an externe Berater, kaum ein Vorhaben, das ohne sie auskommt. Dass Deloitte und PwC zahlenmässig oben ausschwingen, ist wesentlich auf ihre zahlreichen millionenschweren Mandate im IT-Bereich zurückzuführen. So sind aktuell etwa beide in einem mit 70 Millionen Franken dotierten Pool von fünf Firmen, die das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation beim «Organisations- und Prozessmanagement» unterstützen.
Immerzu mischen die Berater mit, wenn die Verwaltung veraltete Infrastruktur digitalisieren oder ein neues System einführen will. Gerade hier sei ihr Einsatz oft sinnvoll und effizient, heisst es aus Verwaltungskreisen. Denn es handle sich um befristete, komplexe Aufgaben. Damit ihnen die Arbeit nicht ausgeht, rühren die Big Four bei den Behörden kräftig die Werbetrommel. Gewisse Aufgaben, suggerieren sie mitunter, überlasse man lieber nicht den Beamten. Bei PwC spricht man gar davon, «den Wandel im öffentlichen Sektor erfolgreich zu gestalten». Die Berater haben sich dafür einen schmissigen Claim ausgedacht: «Smart agieren, smart regieren.»
Da nimm ich lieber kleinere, spezialisierte Consultingfirmen die sich sogar noch um ihren Ruf auf dem Markt bemühen. Die haben oft nicht einmal höhere Stundensätze und wissen zumindest, was sie tun.
(Ausser für Wirtschaftsprüfung. Da kann man als Bank nicht einfach das Treuhandbüro Oberhinterwaldenschwil beauftragen).
Schon traurig wo sich unsere Wirtschaft hin bewegt hat...
Für heisse Luft gibt es riesige Saläre. Für Arbeit die echten Nutzen generiert, wie Pflege, Transport, Reinigung etc. gibt es ein Sackgeld...