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Wie ein Fussball-Transfer abläuft – und warum ihr nicht alles glauben dürft

Fu�ball: Saison 2020/2021, Trainingslager von Borussia Dortmund am 14.08.2020 in Bad Ragaz Schweiz. Manuel Akanji *** Football Season 2020 2021, training camp of Borussia Dortmund on 14 08 2020 in Bad ...
Den Transfermarkt beobachte ich lieber von der ferne – ständige Wechsel wären nichts für mich.Bild: www.imago-images.de
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Wie ein Transfer im Fussball tatsächlich abläuft – und warum ihr nicht alles glauben dürft

Sommerzeit bedeutet für uns Fussballer auch immer Transferzeit. Wie wir in der Kabine über Wechselgerüchte sprechen, wie ich unseren Teenagern bei der Integration helfe und wie turbulent so ein Transfer tatsächlich abläuft, erzähle ich euch im heutigen Blog.
11.09.2020, 10:2811.09.2020, 14:26
Manuel Akanji
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Es ist kaum möglich, nichts von den vielen Transfer-Gerüchten mitzubekommen. Manchmal begegne ich lustigerweise auch Meldungen, die mich selbst betreffen und ich kann euch sagen: Vieles ist einfach nur erfunden. Bevor ich zum BVB gewechselt bin, wurde ich mit praktisch jedem Bundesliga-Verein in Verbindung gebracht. Dabei gab es mit den meisten weder einen Kontakt geschweige denn eine Vereinbarung.

In diesem Winter wurde zum Beispiel geschrieben, dass mir Dortmund die Freigabe erteilt habe und mich verkaufen möchte. Ich wurde in einem Interview darauf angesprochen und habe dann gestehen müssen, dass die Journalisten in dem Fall mehr wissen als ich. Wenn etwas daran gewesen wäre, hätte der Verein natürlich zuerst mit mir oder meinem Berater gesprochen. Man sollte also nicht alles glauben, was geschrieben wird.

Wenn Neuzugänge konkret werden, sind diese aber auch bei uns in der Kabine ein Thema, man will schliesslich schon wissen, wer neu zum Team stösst. Das gilt übrigens nicht nur für Spieler. Als zum Beispiel Lucien Favre im Sommer 2018 als neuer BVB-Trainer gehandelt wurde, habe ich bei Marco Reus, der schon bei Gladbach unter Favre spielte, nachgefragt, wie er denn so als Trainer sei. Und auch bei meinen Nati-Kollegen, die ihn schon kannten, habe ich mich informiert.

Bildnummer: 09484780 Datum: 20.01.2012 Copyright: imago/DeFodi
Freitag 20.01.2012, in Moenchengladbach, 1. Bundesliga 18. Spieltag, Saison 11/12, Borussia Moenchengladbach - FC Bayern Muenchen 3:1, T ...
Marco Reus konnte mir schon einiges über unseren neuen Trainer Lucien Favre erzählen.imago images / DeFodi

Wenn ein Transfer tatsächlich zustande kommt, ist das gar keine so einfache Sache. Ich kann euch mal erklären, wie das etwa ablief, als ich im Winter 2018 von Basel zum BVB gewechselt bin.

  • Mein Berater hat mir vom Interesse von diversen Klubs berichtet. Da geht es auch immer darum, dass sich der neue Verein mit dem alten bezüglich Ablösesumme einigen und dann auch die Forderungen des Spielers erfüllen muss.
  • Ich habe mich dann zu einem persönlichen Gespräch mit den BVB-Verantwortlichen getroffen und von beiden Seiten war schnell klar, dass es passt. Mein wichtigstes Anliegen war die Rolle, die für mich in der Mannschaft angedacht war. Es war Anfang Januar 2018 und ich wollte unbedingt genügend Spielpraxis, damit ich an der WM im Sommer dabei bin.
  • Als der Wechsel fix wurde, war ich gerade mit dem FC Basel in Marbella im Trainingslager. Ich trainierte danach nicht mehr mit der Mannschaft, weil die Gefahr einer Verletzung zu gross ist – wenn sich alle Parteien einig sind, will man natürlich nicht, dass der Wechsel in letzter Sekunde scheitert. Ich habe dann ein Lauftraining absolviert.
  • Wenig später sass ich bereits im Flugzeug in Richtung Dortmund, um die letzten Details zu klären.
Am 15. Januar 2018 wurde ich dann offiziell beim BVB vorgestellt.Video: YouTube/Borussia Dortmund

Viele Spieler wechseln regelmässig, das wär nichts für mich. Du musst dich einerseits jedes Mal in der neuen Mannschaft integrieren, aber es geht auch um Dinge wie Versicherungen organisieren, Wohnung suchen und Einrichten der neuen Wohnung. Und so ein Umzug ist ja auch für eine allfällige Partnerin ein grosser Schritt, mit Kindern sowieso.

Wenn gute Teamkollegen wechseln, ist das schon noch etwas emotionaler. Julian Weigl ist ein sehr enger Freund von mir, er ging im Winter nach Lissabon. Vorhin sahen wir uns täglich, nun telefonieren wir immerhin noch regelmässig.

Das Fussball-Business ist sehr schnelllebig, da ist es keine Selbstverständlichkeit, Freunde fürs Leben zu finden. Eine richtig dicke Verbindung habe ich neben Weigl auch noch zu Breel Embolo. Aber oft ist es halt so, dass jeder weiss, dass man nicht ewig zusammen spielt und auch die meisten Freundschaften dementsprechend nicht ewig halten. Es ist aber auch gut so, es muss ja nicht jeder Teamkollege zum besten Freund werden – wir haben bei Dortmund auch so eine richtig tolle Stimmung.

Ob man selber wechselt oder nicht, es gibt jede Saison neue Gesichter. Bei unseren diesjährigen Neuzugängen wie Jude Bellingham (17), Reinier (18) oder auch Youssoufa Moukoko (15) sind einige ganz junge Spieler dabei. Ich muss sagen, ich fühle mich mit meinen 25 Jahren manchmal schon fast etwas alt. Aber mir bereitet es Freude, mit diesen Jungs zu arbeiten. Man merkt, dass sie Hilfe gebrauchen können und sind dementsprechend sehr dankbar.

Den 17-jährigen Giovanni Reyna nehme ich zum Beispiel jeweils mit ins Training und lade ihn bei uns zuhause zum Essen ein. Seine Familie lebt in den USA, für solche jungen Spieler ist diese Hilfe bei der Integration ins Team und Umfeld sehr wichtig. Auch auf dem Platz versuche ich, die jüngeren Spieler zu unterstützen. Es kommt sehr auf den Charakter an, aber meist versucht man schon, sie bewusst zu loben und mit Kritik etwas zurückhaltender zu sein.

Als ich noch zu den Jüngsten gehört habe, war es noch so, dass wir sämtliches Material getragen und den älteren Spielern sogar die Schuhe geputzt haben. Das ist heute schon nicht mehr so. Klar, wenn es um kleine «Ämtli» geht, dann sind die Jungen in der Pflicht, aber es ist nicht mehr so extrem wie früher.

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bild: sven germann

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Von Wiesendangen auf die grosse Fussballbühne: Manuel Akanji hat sich als Bundesligaspieler und in der Schweizer Nati etabliert.

In seinem Blog auf watson erzählt der 25-Jährige aus dem Leben eines Profifussballers. Unverblümt, authentisch, anekdotenreich – mit einem spannenden Einblick auf und neben das Spielfeld.

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15 Kommentare
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Pille
11.09.2020 10:54registriert Juli 2016
cooler Einblick, danke dafür!!👏🏻🤘🏻👍🏻
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Nothingtodisplay
11.09.2020 11:31registriert November 2014
"Man sollte also nicht alles glauben, was geschrieben wird."...

Plot-Twist! Warum sollten wir den das glauben, was er hier schreibt? ;-)

Sowieso, interessanter Blog.
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Fisherman
11.09.2020 11:17registriert Januar 2019
Danke. Immer sehr spannend. Und am meisten freut es mich, dass er bei Dortmund spielt.
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