Sport
Analyse

Mega-Event in der Pandemie: Chinas Corona-Spagat sorgt für Empörung

Analyse

Mega-Event inmitten der Pandemie: Chinas beispielloser Corona-Spagat sorgt für Empörung

Gleichzeitig als einziges Land eine Zero-Covid-Strategie fahren und mit den Olympischen Spielen den grössten Sportanlass der Welt durchführen – den Preis dafür bezahlen die Teilnehmenden.
15.12.2021, 22:05
Rainer Sommerhalder / ch media
Mehr «Sport»

Die Lösung liegt auf der Hand. Wer das Ziel hat, keine Covid-Ansteckungen zuzulassen, kann nicht gleichzeitig bis zu 25000 Menschen aus beinahe 100 Nationen zu sich ins Land einladen. Erst recht nicht in Zeiten von sich unkontrolliert und rasend schnell verbreitenden Virus-Mutationen.

So gesehen müsste China entweder seine Corona-Strategie anpassen oder die Olympischen Winterspiele (4. bis 20. Februar 2022) in Peking abblasen. Jenem Protokoll folgend, wie das kommunistische Reich seit Monaten keine Ausländer mehr willkommen heisst oder bei Bedarf innert Stunden Millionenstädte in den Shutdown befiehlt oder mit Hafenschliessungen kurzerhand den Welthandel lahmlegt.

Participants wearing face masks sit near a logo for the Olympic torch relay for the 2022 Winter Olympics during an event at the Beijing University of Posts and Communications in Beijing, Thursday, Dec ...
Gemäss IOC sind insgesamt bis zu 25000 Personen für die Olympischen Spiele akkreditiert – darunter 2900 Athletinnen und Athleten.Bild: keystone

Eine Absage von Olympia ist für Pekings Machthaber aber keine Option. Zu gross wäre der Gesichtsverlust. Und zu wichtig ist die politische Bedeutung, als erste Stadt nach Sommer- auch Winterspiele auszutragen und der Welt damit einmal mehr die Überlegenheit des eigenen Systems am Beispiel Sport zu beweisen.

Die inszenierte Harmonie hat beängstigende Risse

Gleichzeitig auch das Virus erfolgreich in Schach zu halten, verlangt von China angesichts der baldigen Gäste – gemäss IOC insgesamt bis zu 25000 akkreditierte Personen, darunter 2900 Athletinnen und Athleten – eine unerbittliche Konsequenz. Doch während die eigene Bevölkerung im totalitären Land auch härteste Massnahmen klaglos in Kauf nehmen muss, kommen Aktionen an der Grenze zu Menschenrechtsverletzungen bei Besuchern aus dem Westen gar nicht gut an.

Offiziell ist alles gut. Das Internationale Olympische Komitee lobte in den letzten Tagen die Vorbereitungen der Chinesen in den höchsten Tönen. Man zeigt sich felsenfest davon überzeugt, das Virus bändigen zu können.

Auch die Verhaltensregeln für alle Olympia-Teilnehmenden, die am Montag mit der Herausgabe eines zweiten Playbooks konkretisiert wurden, suggerieren, dass sie in Eintracht und mit der Expertise von internationalen Fachleuten erstellt wurden. Doch jene, welche ins Geschehen involviert sind oder einen ersten Augenschein vor Ort nehmen konnten, bestätigen, dass China in Sachen Corona das absolute Sagen hat.

Das zeigt sich bereits darin, dass die bewährten Corona-Massnahmen der letztlich erfolgreich durchgeführten Sommerspiele von Tokio für Peking vielerorts abgeändert wurden. Auch der Schweizer Olympiaarzt Patrik Noack befürchtet: «Das wird eine brutale Herausforderung für uns punkto Administration und Testregime.»

Die verheerenden Folgen von positiven Tests

Dies beginnt bereits vor der Anreise. Die Chinesen verlangen von allen Besuchern, dass sie sämtliche positiven Tests deklarieren – selbst wenn diese mehr als ein Jahr zurückliegen und die entsprechende Person inzwischen doppelt oder sogar dreifach geimpft ist. Die Chefmediziner verschiedener westlicher Länder sehen darin keinen Sinn.

Wer in der Vergangenheit an Corona erkrankt ist, muss neben dem umfangreichen «normalen» Papierkram weitere Dokumente und Untersuchungsergebnisse einreichen. Passiert dabei ein Fehler, kann es selbst einem Athleten so ergehen, wie jenem Nordisch-Kombinierer, der Anfang Dezember von Frankfurt aus an den Testevent nach China reisen wollte. Bei ihm leuchtete die chinesische App, welche er sich wie alle Olympia-Teilnehmenden im Voraus aufs Handy laden muss, beim Boarding rot auf. Er durfte nicht in den Flieger einsteigen.

Gewöhnungsbedürftig ist auch, dass die chinesische Botschaft dem Schweizer Olympiateam vorgibt, bei welchen 14 Testcentern man den letzten PCR-Test 72 Stunden vor Abflug vornehmen darf. Die gesamte Zentralschweiz sowie die Kantone Bern, Aargau, Solothurn und Baselland sind dabei nicht vertreten.

Der schlimmste Albtraum allerdings dürfte ein positiver Test vor Ort sein. Zwar sieht das Protokoll einen klaren Ablauf mit der Isolation in einem Krankenhaus oder einer anderen Einrichtung vor, es garantiert auch englischsprachiges Betreuungspersonal und Zugang von Teammitgliedern zum Betroffenen. Im Gegensatz zu Tokio (10 Tage) ist die Länge der Isolation jedoch nicht definiert.

Und Delegationsleiter aus westlichen Ländern berichten davon, dass die Realität bei den Testevents so gar nicht diesen Vorgaben entsprach. Da wurden positiv Getestete mit der Ambulanz weggekarrt. Englisch sprach niemand und es dauerte Stunden, bis der Aufenthaltsort der Delegation gemeldet wurde.

Inzwischen wurden der oder dem Betroffenen invasiv und mehrmals an der Leiste Blut genommen sowohl weitere Tests gemacht, welche auch angesichts der Sprachbarriere nicht nachvollziehbar waren. Der US-Olympiachefarzt zumindest zeigte sich angesichts der Abläufe empört.

Inzwischen ist die Omikron-Variante auch ohne Olympia in China angekommen. Am Dienstag meldete die Stadt Tianjin den ersten positiven Fall. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die erfolgreichsten Athleten der Olympischen Spiele 2020
1 / 11
Die erfolgreichsten Athleten der Olympischen Spiele 2020
9. Ariarne Titmus (Australien, Schwimmen): 2x Gold, 1x Silber, 1x Bronze.
quelle: keystone / valdrin xhemaj
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das Erbe der Olympischen Spiele. Brasilien in der Krise
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
48 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
semibo
15.12.2021 21:57registriert Oktober 2019
Die Schweiz sollte ebenfalls die Olympischen spiele boykottieren.
16713
Melden
Zum Kommentar
avatar
Klausi Mausi
15.12.2021 23:45registriert November 2019
Ich bin froh, hab ich meine Nichtqualifikation so souverän durchgezogen😅
1342
Melden
Zum Kommentar
avatar
DerTaran
15.12.2021 22:32registriert Oktober 2015
Ich wurde als Sportler nicht anreisen. China garantiert sich mehr Medaillen durch Ausdünnung der Konkurrenz.
906
Melden
Zum Kommentar
48
«Keine Anhaltspunkte»: Drogen-Ermittlungen gegen Handball-Goalie Portner eingestellt
Die Staatsanwaltschaft in Deutschland stellt die Ermittlungen gegen den Schweizer Handball-Goalie Nikola Portner ein. Es gab keine Anhaltspunkte für einen Verstoss gegen das Anti-Doping-Gesetz. Abgeschlossen ist der Fall nicht.

Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Nikola Portner wegen des Verdachts eines Verstosses gegen das Anti-Doping-Gesetz sind von der Staatsanwaltschaft Magdeburg eingestellt worden. Das teilte der SC Magdeburg am Montag über seinen Rechtsanwalt Professor Rainer Tarek Cherkeh mit. «Es lägen, so die Staatsanwaltschaft, keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte gegen das Anti-Doping-Gesetz oder das Betäubungsmittelgesetz verstossen habe», heisst es in der Mitteilung des Champion-League-Siegers. Demnach wurden die Untersuchungen mangels Tatverdachts beendet.

Zur Story