Die Lösung liegt auf der Hand. Wer das Ziel hat, keine Covid-Ansteckungen zuzulassen, kann nicht gleichzeitig bis zu 25000 Menschen aus beinahe 100 Nationen zu sich ins Land einladen. Erst recht nicht in Zeiten von sich unkontrolliert und rasend schnell verbreitenden Virus-Mutationen.
So gesehen müsste China entweder seine Corona-Strategie anpassen oder die Olympischen Winterspiele (4. bis 20. Februar 2022) in Peking abblasen. Jenem Protokoll folgend, wie das kommunistische Reich seit Monaten keine Ausländer mehr willkommen heisst oder bei Bedarf innert Stunden Millionenstädte in den Shutdown befiehlt oder mit Hafenschliessungen kurzerhand den Welthandel lahmlegt.
Eine Absage von Olympia ist für Pekings Machthaber aber keine Option. Zu gross wäre der Gesichtsverlust. Und zu wichtig ist die politische Bedeutung, als erste Stadt nach Sommer- auch Winterspiele auszutragen und der Welt damit einmal mehr die Überlegenheit des eigenen Systems am Beispiel Sport zu beweisen.
Gleichzeitig auch das Virus erfolgreich in Schach zu halten, verlangt von China angesichts der baldigen Gäste – gemäss IOC insgesamt bis zu 25000 akkreditierte Personen, darunter 2900 Athletinnen und Athleten – eine unerbittliche Konsequenz. Doch während die eigene Bevölkerung im totalitären Land auch härteste Massnahmen klaglos in Kauf nehmen muss, kommen Aktionen an der Grenze zu Menschenrechtsverletzungen bei Besuchern aus dem Westen gar nicht gut an.
Offiziell ist alles gut. Das Internationale Olympische Komitee lobte in den letzten Tagen die Vorbereitungen der Chinesen in den höchsten Tönen. Man zeigt sich felsenfest davon überzeugt, das Virus bändigen zu können.
Auch die Verhaltensregeln für alle Olympia-Teilnehmenden, die am Montag mit der Herausgabe eines zweiten Playbooks konkretisiert wurden, suggerieren, dass sie in Eintracht und mit der Expertise von internationalen Fachleuten erstellt wurden. Doch jene, welche ins Geschehen involviert sind oder einen ersten Augenschein vor Ort nehmen konnten, bestätigen, dass China in Sachen Corona das absolute Sagen hat.
Das zeigt sich bereits darin, dass die bewährten Corona-Massnahmen der letztlich erfolgreich durchgeführten Sommerspiele von Tokio für Peking vielerorts abgeändert wurden. Auch der Schweizer Olympiaarzt Patrik Noack befürchtet: «Das wird eine brutale Herausforderung für uns punkto Administration und Testregime.»
Dies beginnt bereits vor der Anreise. Die Chinesen verlangen von allen Besuchern, dass sie sämtliche positiven Tests deklarieren – selbst wenn diese mehr als ein Jahr zurückliegen und die entsprechende Person inzwischen doppelt oder sogar dreifach geimpft ist. Die Chefmediziner verschiedener westlicher Länder sehen darin keinen Sinn.
Wer in der Vergangenheit an Corona erkrankt ist, muss neben dem umfangreichen «normalen» Papierkram weitere Dokumente und Untersuchungsergebnisse einreichen. Passiert dabei ein Fehler, kann es selbst einem Athleten so ergehen, wie jenem Nordisch-Kombinierer, der Anfang Dezember von Frankfurt aus an den Testevent nach China reisen wollte. Bei ihm leuchtete die chinesische App, welche er sich wie alle Olympia-Teilnehmenden im Voraus aufs Handy laden muss, beim Boarding rot auf. Er durfte nicht in den Flieger einsteigen.
Gewöhnungsbedürftig ist auch, dass die chinesische Botschaft dem Schweizer Olympiateam vorgibt, bei welchen 14 Testcentern man den letzten PCR-Test 72 Stunden vor Abflug vornehmen darf. Die gesamte Zentralschweiz sowie die Kantone Bern, Aargau, Solothurn und Baselland sind dabei nicht vertreten.
Der schlimmste Albtraum allerdings dürfte ein positiver Test vor Ort sein. Zwar sieht das Protokoll einen klaren Ablauf mit der Isolation in einem Krankenhaus oder einer anderen Einrichtung vor, es garantiert auch englischsprachiges Betreuungspersonal und Zugang von Teammitgliedern zum Betroffenen. Im Gegensatz zu Tokio (10 Tage) ist die Länge der Isolation jedoch nicht definiert.
Und Delegationsleiter aus westlichen Ländern berichten davon, dass die Realität bei den Testevents so gar nicht diesen Vorgaben entsprach. Da wurden positiv Getestete mit der Ambulanz weggekarrt. Englisch sprach niemand und es dauerte Stunden, bis der Aufenthaltsort der Delegation gemeldet wurde.
Inzwischen wurden der oder dem Betroffenen invasiv und mehrmals an der Leiste Blut genommen sowohl weitere Tests gemacht, welche auch angesichts der Sprachbarriere nicht nachvollziehbar waren. Der US-Olympiachefarzt zumindest zeigte sich angesichts der Abläufe empört.
Inzwischen ist die Omikron-Variante auch ohne Olympia in China angekommen. Am Dienstag meldete die Stadt Tianjin den ersten positiven Fall. (aargauerzeitung.ch)
semibo
Klausi Mausi
DerTaran