Ein letztes Mal noch zeigt er seinen Anstand. Marcel Koller greift dazwischen, als sein Assistent Carlos Bernegger verbal auf Jean-Pierre Nsame losgehen will. Koller hält Bernegger zurück, schiebt ihn in Richtung Bank. Er will auch im Moment der Niederlage, dieser so bitteren Niederlage, ein gutes Bild abgeben. Mit Klasse gehen. Es ist ein Bild, das Marcel Kollers Zeit beim FC Basel in Sekundenbruchteilen zusammenfasst.
Auch wenn alles rund um ihn herum zerfällt, wenn er wieder einen Tiefschlag erleiden muss, wahrt er sein Gesicht. In einem Moment, der eigentlich ihm gehören sollte, kümmert er sich um einen anderen. Es ist 19.21 Uhr, und der FC Basel hat soeben den Cupfinal gegen YB verloren.
Wenige Augenblicke danach läuft Marcel Koller gesenkten Hauptes aufs Feld. Seine Spieler, die ihm auf dem Weg begegnen, grüsst er mittels Faustschlag. Bis sich Kollers und Fabian Freis Weg kreuzen. Der Mittelfeldspieler tätschelt seinen Trainer mitfühlend, tröstend gar, auf den Rücken. Eine schöne Geste. Und eine, die zeigt, dass zwischen Team und Trainer mittlerweile Harmonie herrscht.
Trotz schwieriger zwei Jahre, die geprägt waren von Nebenschauplätzen, aber auch von Uneinigkeiten bei Aufstellungen oder Wechseln in den Partien. Aber die Schlussszenen dieses Cupfinals zeigen: Die Unruhen in der Chefetage haben zusammengeschweisst. So auch Frei und Koller, der im vergangenen Sommer aus dem Captainteam geworfene Spieler und sein Trainer.
Mit diesen bedeutungsschwangeren Szenen endet die Zeit Marcel Kollers in Basel. 101 Partien lang stand der 59-Jährige an der Seitenlinie. Er kann den Cupsieg 2019 aufweisen, die Teilnahme am Final von gestern und den Vorstoss in den Viertelfinal der Europa League. «Für die ganz grossen Erfolge hat es aber nicht gereicht», sagt Koller nach dem Spiel selber und spricht damit den zweimal verpassten Meistertitel an. In seinen Worten schwingt aber nicht nur die Enttäuschung darüber mit, sondern auch jene über die Geschehnisse in seiner gesamten Amtszeit. «Es gab viele Turbulenzen im Verein», sagt er bestimmt, aber sachlich.
Seiner Wut hatte er bereits am Freitag freien Lauf gelassen, als er erstmals in bemerkenswerter Deutlichkeit davon sprach, was er alles habe ertragen müssen. Er und das Team hätten einen Orden verdient, meinte er da. Weil die Mannschaft immer wieder Substanzverluste hinnehmen musste, Streit auf den Rücken der Spieler und dem Trainerteam ausgetragen wurde. Weil man von den hochbezahlten Klubangestellten immer nur forderte, nie aber Verständnis für sie zeigte.
Dass diese zwei Jahre nun mit einer herben Niederlage im Cupfinal enden, in dem der FC Basel in der ersten Halbzeit besser war, ist bitter. Der scheidende Trainer hätte den Titel verdient gehabt. «Es ist eine Leere da. Eine Enttäuschung», sagt er. Daher könne Koller nur schwer eine Bilanz ziehen. Er wirkt etwas müde, tatsächlich so niedergeschlagen wie selten in seiner Basler Zeit.
Er werde ein paar Tage und Wochen brauchen, um abzuschalten und Energie zu sammeln für neue Gedanken und Projekte. Und um zu verdauen und zu verarbeiten. «Ich bin schon 23 Jahre im Trainerjob und habe nicht gedacht, dass ich da noch viele neue Dinge erfahren kann. Aber es war der Fall.» Sein Hauptziel sei gewesen, seine Spieler nie spüren zu lassen, dass er nervös sei oder Druck habe. Und man kann sagen: Das hat er geschafft.
Dass ihm der grosse, versöhnliche Abschied ausgerechnet durch einen Fehler von einem seiner Spieler, Djordje Nikolic, verwehrt wird, passt. Dass es ein Spieler auf einer Position ist, auf der es nach dem Abgang Jonas Omlins keine Alternativen gab, auch. Beklagen will sich Koller nicht. Er rügt Nikolic nicht, sagt, er habe die Bilder nicht gesehen. Diese einwandfreie Kommunikation wird dem FCB abhandenkommen.
Marcel Koller hat gestern Abend seine sieben Sachen im Joggeli geholt. Er wird eine Leere in seinem Spind hinterlassen, vielleicht aber auch eine im Verein puncto Souveränität und Ruhe.
Was er der Mannschaft, die er zwei Jahre betreute, in der neuen Saison zutraut, wird er abschliessend noch gefragt. «Das ist nicht mehr meine Aufgabe», sagt er dezidiert. Und mit einer dann doch spürbaren Erleichterung. Dann ist Schluss. Er hat es geschafft. Und verlässt erhobenen Hauptes ein letztes Mal das Stadion als Trainer des FC Basel.
An Koller hats nicht gelegen.
Nikolic ist hoffentlich nicht gebrochen, das hat er nicht verdient.
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