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Für Bayern München entscheidet sich in den kommenden gut vier Wochen nicht nur wie erfolgreich die Saison war, sondern die dreijährige Ära von Trainer Pep Guardiola in seiner Gesamtheit. Die Meisterschaft haben sich die Münchner schon so gut wie gesichert, und im Cup spielen sie am 21. Mai gegen Dortmund um den Titel. Doch nur der sechste Triumph in der Champions League würde dem Fussball-Jahr von Bayern München die aussergewöhnliche Note geben.
Zweimal in Folge ist Guardiola in der Champions League im Halbfinal gescheitert und das ausgerechnet gegen Landsleute, 2014 gegen Real Madrid und 2015 gegen den FC Barcelona. Für den im Sommer zu Manchester City wechselnden Katalanen ist es die letzte Gelegenheit, um sich in München unsterblich zu machen. Die perfekte Saison, die bislang als Bayern-Coach nur Jupp Heynckes 2013 gelungen ist, bleibt in Reichweite, obwohl Guardiolas Truppe seit einigen Wochen längst nicht mehr so begeisternd aufspielt wie auch schon.
Am Dienstagabend wird aber auch nicht unbedingt der grosse Sturm auf das Tor von Atlético gefordert sein, sondern vielmehr ein kluges Angreifen mit kontrolliertem Risiko. «Wir haben 90 Minuten lang Zeit», mahnte Guardiola, der nach dem verloren Hinspiel in die Kritik geriet, weil er zunächst auf Franck Ribéry und vor allem auf Thomas Müller verzichtet hatte. Der Einsatz von Ribéry ist wegen Rückenproblemen genauso fraglich wie jener von Abwehrchef Jérôme Boateng, der noch Trainingsrückstand hat. Auf Müller dürfte Guardiola diesmal aber nicht verzichten.
Zusammen mit Robert Lewandowski hat Müller 16 der 28 Tore von Bayern München in der laufenden Champions-League-Saison erzielt. Es gibt allerdings kaum eine Mannschaft in Europa, gegen welche das Toreschiessen schwerer fällt als gegen Atlético. Zuletzt blieb das Team des Argentiniers Diego Simeone sechsmal ohne Gegentreffer. In der laufenden Meisterschaft hat der aktuell Zweite nach 36 Runden erst 16 Treffer kassiert. Das Rezept, um das Abwehrbollwerk zu überwinden und die Kontergefahr klein zu halten, verriet Müller: «Wir müssen zielstrebig nach vorne spielen, dürfen aber nicht blind nach vorne rennen wie kleine Kinder.»
Atlético Madrid besitzt Spieler, die in der Offensive ein allzu forsches Bayern München bestrafen können. Letzte Woche war es der spanische U21-Internationale Saul Niguez, der mit seinem herrlichen Solo fehlende defensive Disziplin der Bayern ausnützte. Mit Routinier Fernando Torres und Topskorer Antoine Griezmann besitzt Atlético einen schlagfertigen Sturm, der allerdings die meiste Zeit mit Verteidigen beschäftigt ist. «Jeder verteidigt, das ist unser Spiel», sagte Griezmann, der in dieser Saison trotzdem schon 30 Mal getroffen hat.
Atlético, das nach 1974 und 2014 zum dritten Mal in den Final des wichtigsten Europacups vorstossen will, kann in München wohl wieder auf Abwehrchef Diego Godin zählen. Trotz der für die Spanier fast optimale Ausgangslage belassen sie die Favoritenrolle gern bei den Gastgebern. «Niemand wäre überrascht, wenn Bayern München daheim mit mehr als einem Tor Unterschied gewinnen würde», sagte Fernando Torres in einem Radiointerview.
Bayern München hat die letzten elf Heimspiele in der Champions League gewonnen, davon acht mit mehr als einem Treffer Unterschied. Im Achtelfinal-Rückspiel gegen das wie Atlético defensiv gefestigte Juventus Turin gelangen Müller und Co. innerhalb einer knappen halben Stunde vier Tore. Gegen Atlético ist keine Torflut nötig, aber doch Aussergewöhnliches: Die Spanier haben in dieser Saison nur achtmal verloren und nie mit mehr als einem Treffer Unterschied. (sda)