
Sag das doch deinen Freunden!
Das Gespräch mit dem vereinseigenen Web-TV muss Martin Stranzl abbrechen. Der Trainer bittet zur Unterredung in der Kabine. Borussia Mönchengladbach verliert die Generalprobe beim Zweitligisten VfL Bochum eine Woche vor dem Start der Bundesliga-Rückrunde mit 2:5. Eine herbe Klatsche, die Coach André Schubert später im Kreise der Journalisten weglächelt. Es sei doch gut, so könne die Namensvetterin aus Dortmund für kommenden Samstag nicht allzu viele Schlüsse aus der Spielbeobachtung ziehen.
Die Scouts des BVB sehen eine Gladbacher Mannschaft, die im Bochumer Rewirpowerstadion ohne ihren besten Mann im Mittelfeld vor allem im Spielaufbau fahrlässig agiert. Granit Xhaka fehlt als Antreiber, als Umschaltzentrale und als aggressiver Leader. Zu sagen, dass er schmerzlich vermisst wird, wäre bei einem Vorbereitungsspiel, selbst wenn es der letzte Test für den Rückrundenstart ist, zu hoch gegriffen. In den anstehenden drei Partien könnte die Formulierung allerdings reifen. Wenn es schlecht läuft für die Borussia.
Der Schweizer Nationalspieler ist nach seinem überflüssigen Foul im letzten Spiel vor der Winterpause zum Zuschauen von der Tribüne verurteilt. Das Sportgericht des DFB sperrte Xhaka nach seinem Tritt in den Allerwertesten von Darmstadts Peter Niemeyer für drei Ligaspiele. Eine gnädige Strafe für den Wiederholungstäter: Es ist schon der fünfte Platzverweis für den 23-Jährigen – Negativrekord in der Bundesliga.
Der Boulevard spekulierte schon von «psychischen Problemen». «Nein, nein, nein. Granit hat selbst auf eine provokante Frage gesagt, er sei ‹kein Psycho›», stellt Mönchengladbachs Manager Max Eberl deutlich fest. Xhaka habe sicherlich keine psychischen Probleme. Vorausgegangen war eine Zitat Eberls, dem der entscheidende einleitende Satz in einigen Medien einfach weggelassen wurde. «Er muss sich helfen lassen» klingt ohne «wir wollen ihm hier alle Möglichkeiten geben, ein grosser Spieler zu werden» natürlich ziemlich vorwurfsvoll.
Der Sportdirektor klärt auf. «Wir reden bei Fussballprofis häufig von Potenzial: menschlichem Potenzial, taktischem, technischem, aber auch von emotionalem Potenzial. Während der eine eher sportlich lernen muss, muss Granit emotional lernen», so Eberl. Xhaka müsse seine Emotionen behalten, davon lebe sein Spiel, das sei seine Qualität.
«Aber das, was er gegen Darmstadt gemacht hat, darf er nicht so häufig machen. Das weiss er selbst. Es schadet ihm, der Mannschaft und dem Verein.» Der 42-Jährige lässt ein bisschen hinter die Kulissen blicken. «Wir sprechen sehr viel mit ihm und wollen ihm an der Stelle auch Hilfe geben – auf allen uns möglichen Wegen. Er lässt die Hilfe auch zu und will weiter lernen.»
Rückhalt für den Regisseur der Gladbacher. Wohl wissend, dass sich das eventuell im Sommer auch auszahlen könnte. Denn dann könnte es sein, dass sich finanziell potente Klubs erneut nach dem talentierten Mittelfeldspieler strecken. Vereine aus England wie Arsenal oder Chelsea sollen interessiert sein und auch der deutsche Rekordmeister Bayern München hat schon sein Interesse am Schweizer angedeutet.
«Es hängt ein Stück weit von unserem sportlichen Erfolg ab, es hängt von der Leistung von Granit ab und natürlich von Zahlen, die Dimensionen erreichen, da wird's einem schwindlig», sagte Max Eberl in einem Radio-Interview bei WDR 2. Für das Jahr 2017 hat Xhaka eine Ausstiegsklausel von 30 Millionen Euro. Ein Transfer schon im kommenden Sommer könnte wesentlich mehr Geld in die Kassen am Niederrhein spülen.
Vielleicht schrumpft die Delegation der Eidgenossen in Mönchengladbach in ein paar Monaten sogar noch weiter. Für Josip Drmic stehen die Wochen der Wahrheit auf dem Programm. «Das ist für Josip ein wichtiges Halbjahr», weiss Eberl und sagt: «In der Hinrunde hat er nicht die Einsätze bekommen, die er sich erhofft hat. Am Anfang habe er gespielt, Gladbach verlor, der Trainer ging, ein neuer Trainer setzte auf andere Spieler und fuhr damit Sieg um Sieg ein. Als Spieler habe man es dann nicht einfach, wieder reinzukommen. «Josip hat sich reingekämpft und in der Kabine höchst professionell verhalten», lobt der Manager.
Es sei kein Murren von ihm zu hören gewesen, auch wenn er unzufrieden war. Nur ein unzufriedenes Grundrauschen. «Aber Unzufriedenheit ist in diesem Fall ein gutes Zeichen von Motivation», so Eberl über den Schweizer Nati-Stürmer. Man habe sich im Winter zusammengesetzt und nochmals gesprochen. «Er will spielen, weil er natürlich auch die EM 2016 im Hinterkopf hat. Es liegt an ihm, jetzt weiter ranzuklotzen, weiter Gas zu geben. Wir brauchen ihn und seine Qualität.»
Drmic habe im Trainingslager einen sehr guten Eindruck hinterlassen, traf in Belek gegen Sivasspor und zeigte sich motiviert bis in die nicht mehr vorhandenen Haarspitzen. Drmics Problem: Die Borussia tanzt nur noch auf einer Hochzeit. Im Europa- und DFB-Pokal ist der Klub Ende des vergangenen Jahres ausgeschieden – die grosse Rotationsmaschine muss Trainer Schubert für seine Stammkräfte nicht mehr anschmeissen. «Die Konkurrenz in der Mannschaft ist da und er muss um seine Einsätze kämpfen», mahnt der Manager. Nur über das Training kann sich Drmic aufdrängen – und wenn Raffael, Lars Stindl und Co. schwächeln.
Ab Samstag gilt’s. Gladbach empfängt Borussia Dortmund ohne Xhaka und ohne Stindl. Während der eine – Xhaka – auf jeden Fall in drei Spielen wieder auf dem Platz stehen wird, muss der andere – Drmic – um seine Minuten bangen. Und damit vielleicht auch um die EM 2016. «Ich werde alles geben, um meine Ziele zu erreichen», erklärte der Angreifer vor wenigen Tagen – in Bochum konnte er allerdings nicht glänzen. Wieder nicht.