Es ist das Wochenende der Wahrheit. Und die grosse Frage lautet: Gewinnen die Schweizer Eishockey Frauen endlich wieder einmal eine Medaille? Alina Müller lacht ins Telefon und sagt: «Es wäre langsam wieder einmal Zeit!»
Seit 2014 und den Olympischen Spielen von Sotschi warten die Schweizerinnen auf Edelmetall. Nun wartet die nächste Chance. Am Samstag um 22:00 Uhr fordert die Nati im Halbfinal Gastgeber Kanada. Ein Sieg wäre eine Sensation. Schliesslich bestritten seit 1990 die erste Frauen-WM stattfand stets Kanada und die USA das Endspiel. Wahrscheinlich ist darum, dass die Schweiz am Sonntag auf Tschechien trifft und um Bronze spielt.
Ob der Coup gelingt, hängt auch von Alina Müller ab. Zusammen mit der künftigen EVZ-Spielerin Lara Stalder bildet sie auch an dieser WM das Schweizer Paradeduo. 18 Skorerpunkte haben die beiden in fünf Spielen gesammelt.
Wer Alina Müller zuhört, merkt rasch, wie wichtig ein solcher für die Schweizerinnen wäre. «Gerade für die Jüngeren im Team. Für sie wäre es besonders wichtig, zu erleben, dass sich der ganze Aufwand lohnt. Ich sage das auch, weil es in letzter Zeit einige Spielerinnen gab, die ihre Karriere sehr früh beendeten.»
Tönt das nach einem Hilferuf? Vielleicht. Müller hat keine Hemmungen, die Realitäten im Schweizer Frauen-Eishockey anzusprechen. «Wenn wir künftig nicht mehr selbst dafür bezahlen müssten, um ins Fitness zu gehen - das wäre schon einmal etwas.» Es gibt auch im Jahr 2023 Eishockeyspielerinnen, die während der Saison via den eigenen Verein keinen Zugang haben zu einem Gym. «Das muss sich ändern - schliesslich ist die Physis die Basis, wenn wir mit den Top-Nationen mithalten wollen», sagt Müller.
Wobei sie das nur feststellend sagt, nicht anklagend. Und auch erwähnt, dass sie gerade auch einigen Aufwind spürt. Das Bemühen von einigen Schweizer Klubs, die Frauen in den Verein zu integrieren. «Das ist mega cool, führt zu mehr Sichtbarkeit, zu mehr Sponsoren, zu mehr Geld letzten Endes. Und davon profitieren wir.»
An den Olympischen Spielen 2014 war Müller noch nicht einmal 16 Jahre alt. Mittlerweile gehört sie zu den besten Spielerinnen der Welt, manch eine Expertin oder Experte hält sie sogar für die allerbeste. Trotzdem steht nun mit 25 Jahren eine persönliche Zäsur an. Nach fünf Jahren darf sie ab dem kommenden Sommer nicht mehr im College spielen. Es stellt sich die Frage: In Nordamerika bleiben? Oder nach Europa zurück?
Das Problem: Es fehlt weiterhin eine wirkliche Profi-Liga, wo die besten Spielerinnen der Welt vereint spielen - analog zur NHL bei den Männern.
Noch in der letzten Saison betrugt die Gehaltsobergrenze in der «Premier Hockey Federation» pro Team 300'000 Dollar, das macht etwas mehr als 10'000 Dollar pro Spielerin pro Saison. Davon kann niemand leben niemand. Darum gibt es in Nordamerika eine Art «Boykott-Liga». Keine echte Meisterschaft zwar, aber bei den diesen Show-Spielen nehmen die Besten teil. Nun könnte die Lage jedoch einige Dynamik erfahren. «Es gibt Gerüchte, dass die Versuche fruchten, endlich eine echte Profi-Liga aufzubauen. In dieser zu spielen, wäre ein Traum.»
Auch auf Grund dieser Aussicht hat sich Alina Müller entschieden, über diese Saison hinaus in den USA zu bleiben. Wo genau sie spielen wird, lässt sie noch offen. «Schauen wir einmal, wie genau diese neue Liga aussieht. Dann entscheide ich mich.» Auch ein Jahr in der «Premier Hockey Federation» sei denkbar. Zumal nun die Gehaltsobergrenze pro Team auf 1.5 Millionen Dollar angestiegen ist. «Das würde es mir ermöglichen, zumindest für eine gewisse Zeit als Profi zu leben», sagt Müller, «hätte ich diese Möglichkeit nicht gesehen, wäre die Rückkehr nach Europa logisch gewesen.»
Zurück ins kanadische Brampton, wo die WM stattfindet. Müllers Zwischenbilanz vor dem Halbfinal lautet: «Das Mindestziel haben wir erreicht. Jetzt wollen wir mehr!» Das Duell mit den Kanadierinnen wird eine riesige Herausforderung, das ist allen bewusst. «Wir wollen ihnen keine Geschenke machen. Sie sollen für ihre Tore arbeiten. Und wer weiss, gegen Schweden spürten sie den Extra-Druck aus der Heimat bereits, mussten in die Verlängerung. Vielleicht wiederholt sich das.»
Wobei zu hoffen ist, dass nicht allzu viele Kräfte verloren gehen für den Sonntagabend. Dann steht das letzte WM-Spiel an. Mit Tschechien hätte die Schweiz noch eine Rechnung offen. Die Partie in der Gruppenphase ging 2:5 verloren. (bzbasel.ch)
Die zwingende Frage ist doch, wer es stattdessen zahlen soll. Frauen-Eishockey erzielt einfach nicht die Einnahmen des Männer-Pendants. Ich kann die Rechnung meines Fitnessabos bzw. der Laufschuhe auch nirgendwo einreichen.