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Kloten – Operetten-Machtkampf gewonnen, aber Spiel verloren

EHC Kloten Verteidiger Luca Capaul, links, gegen SC Rapperswil-Jona Lakers Stuermer Gian-Marco Wetter waehrend dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem EHC Kloten und den SC  ...
Kloten muss gegen Rapperswil eine Niederlage einstecken. Kloten Verteidiger Luca Capaul, links, im Duell mit SC Rapperswil-Jona Lakers Stürmer Gian-Marco Wette.Bild: keystone
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Kloten – Operetten-Machtkampf gewonnen, Multimillionär gefunden, aber Spiel verloren

Aufsteiger Kloten verliert das erste Spiel nach der Rückkehr in die höchste Liga gegen die Rapperswil-Jona Lakers 1:4. Das ist aber vorerst unerheblich. Wichtiger: Der Verwaltungsrat hat einen Operetten-Machtkampf gewonnen und unter anderem einen Multimillionär als neuen Aktionär gefunden.
19.09.2022, 02:2819.09.2022, 06:22
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Kloten ist wieder da. Nach vier Jahren, vier Monaten, drei Wochen und drei Tagen. Am 25. April 2018 hatten die Zürcher die höchste Liga nach mehr als 50 Jahren verlassen. Nach einer 1:2-Verlängerungs-Niederlage im 7. Spiel der Liga-Qualifikation mussten sie ihren Platz in der National League den Lakers überlassen. Und nun das erste Spiel nach dem Wiederaufstieg. Wieder gegen die Lakers auf eigenem Eis.

Fast alles ist in Kloten anders geworden. Sportlich ausgezehrt nach einem rigorosen Sparprogramm sind die Klotener vor vier Jahren abgestiegen. Diese Abmagerungskur hatte damals Präsident Hans-Ulrich Lehmann verordnet. Weil sie nach Jahren des Grössenwahns und der exorbitanten Saläre notwendig geworden war. Der Dorfclub war hoffärtig geworden. Die wichtigste Veränderung ist deshalb jene neben dem Eis: die Rückkehr zur Bescheidenheit. Zur Identität des «Dorfclubs», der nicht mehr nach meisterlichem Ruhm trachtet. Sondern sich als sympathischer Aussenseiter, als Gegenentwurf zu den ZSC Lions im Markt positioniert. Mehr Gottfried Keller als Alfred Escher. Kloten ist eine Stadt mit gut 20'000 Einwohnern und gesunder dörflicher DNA. Mehr Seldwyla als Paradeplatz.

EHC Kloten Verteidiger Matteo Nodari, links, und Torhueter Juha Metsola gegen SC Rapperswil-Jona Lakers PostFinance Top Scorer Dominic Lammer waehrend dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National Le ...
Rapperswil Stürmer Dominic Lammer im Kloten Sandwich.Bild: keystone

Nicht mehr alimentiert von eitlen Millionären aus Zürich und Amerika, die sich ins Tagesgeschäft einmischen. Sondern getragen vom mittelständischen Geldausgebern aus dem Glatttal und diskreten Multimillionären: Das Unternehmen wird finanziell von acht Kernaktionären mit abgeschlossener Vermögensbildung getragen. Einer davon ist eine national bekannte Persönlichkeit aus dem Finanz-Business, deren Vermögen das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» reichlich konservativ auf 150 bis 200 Millionen schätzt. Klotens freundlicher Investor dürfte in Tat und Wahrheit über ähnlich grosse Geldspeicher verfügen wie die gescheiterten Ex-Präsidenten Philippe Gaydoul und Hans-Ulrich Lehmann. Aber weise geworden, nun seinen Namen nicht mehr in den Medien lesen möchte.

Wirtschaftlich steht also der Aufsteiger auf solidem Fundament. Auch klubpolitisch ist die Wetterlage stabil. Sportchef Patrik Bärtschi hat in einem Anflug von Selbstüberschätzung einen Operetten-Machtkampf mit dem Verwaltungsrat angezettelt – und verloren. In einem Anflug von Selbstüberschätzung reichte er seine Kündigung ein – und niemand kümmerte es. Er dürfte so lediglich seiner Amtsenthebung zuvorgekommen sein. Gewährsleute aus der dörflichen Stadt erzählen: Grund für das Zerwürfnis seien unterschiedliche Vorstellungen über die sportliche Strategie. Der Sportchef habe mit der grossen Kelle anrichten und partout nicht verstehen wollen, warum es nach wie vor kein Budget (bzw. eine «Kriegskasse») für nächste Saison gibt. Kein Wunder: Sein Geschäftsfreund ist Spieleragent Sven Helfenstein).

Der Verwaltungsrat, klug geworden aus der jüngeren Klubgeschichte, hält jedoch an einer Politik der kleinen finanziellen und sportlichen Schritte fest. Vorbild ist der Weg der Vernunft, den die Lakers seit dem Aufstieg von 2018 gehen. Zum Weg der Vernunft gehören weiter kleine Schritte. Wie es im Dorf heisst, werde es wohl noch ab und an einen finanziellen Entlastungstransfer geben um finanziellen Spielraum für die Verpflichtung von neuen Spielern zum bekommen. Sportchefs, die zwecks Kaderverbreiterung noch Ergänzungsspieler für die vierte Linie benötigen, sollten sich melden.

Ehre, wem Ehre gebührt. Patrik Bärtschi, ZSC-Meisterstürmer von 2012 und 2014, hat das Aufstiegsteam zusammengestellt und in der Kabine soeben hoch und heilig versprochen, seinen Job noch getreulich bis Ende der Saison zu machen. Er ist allerdings nach dem verlorenen internen Machtkampf eine Lame Duck. Kein Schelm, wer vermutet, dass sein Nachfolger in nicht allzu ferner Zeit engagiert wird. Allerdings ein Romantiker, wer vermutet, dass der alte Sportchef den neuen dann einvernehmlich ins schwierige Amt und in die Besonderheiten der Klotener Hockey- und Dorfkultur einarbeiten wird.

Vor acht Jahren war das Ziel noch der Titel (Finalniederlage gegen die ZSC Lions). Nun wird der Gewinn der Kellermeisterschaft angestrebt: die vorzeitige Sicherung des Liga-Erhalts auf Rang 12. Diese Kellermeisterschaft werden Kloten, Ajoie und Langnau unter sich austragen. Oder doch nicht? Die finanziellen Spiesse dürften ungefähr gleich lang sein. Kloten investiert insgesamt 14,50 Millionen ins Hockeygeschäft: Das Budget ist etwas höher als bei Langnau und Ajoie. Aber kleiner als bei Ambri. Kloten ist also der Krösus der Kellermeisterschaft.

Langnau (2:1 n.V gegen die ZSC Lions) und Ajoie (4:2 gegen Gottéron) haben bereits überraschend, ja schon fast sensationell ein Spiel gewonnen. Kloten ist nach dem 1:4 gegen die Lakers Schlusslicht. Stimmt die Prognose noch, dass die Klotener die Favoriten auf den Kellermeister-Titel sind? Korrigieren müssen wir diese Prognose noch nicht. Aber es wird ein langer, beschwerlicher Weg zum 12. Platz. Sicher ist bereits nach dem Startspiel: Diese Klotener sind eine Bereicherung für die Liga. Sie spielen ein Lauf- und Tempohockey, wie es ihrer Kultur entspricht. Juha Metsola ist ein vorzüglicher Goalie und der Kanadier Jonathan Ang, letzte Saison ein Überflieger in der Swiss League bei Thurgau, ist auch in der National League einer der schnellsten Spieler.

Der Aufsteiger war gegen die Lakers nicht chancenlos und hätte vielleicht gegen einen überheblichen Titanen wie die ZSC Lions oder Gottéron so triumphieren können wie Langnau und Ajoie. Aber die Lakers waren sportlich der schlimmstmögliche Gegner: Schon die jüngste Geschichte (die Liga-Qualifikation von 2018) sorgte dafür, dass sie dieses Kloten sicher nicht unterschätzten. Zumal in Kloten auch noch ihr damaliger Aufstiegstrainer Jeff Tomlinson an der Bande steht.

Vor allem aber ist Kloten mit den eigenen Qualitäten besiegt worden: auch die Lakers zelebrieren ein Lauf- und Tempohockey. Aber viel intensiver als der Aufsteiger und sie lassen ihren Gegner in allen drei Zonen nie zur Ruhe kommen. Sie spielen dieses Spektakelhockey sicherer, präziser, ruhiger und konzentrierter, sie haben mit Melvin Nyffeler (er war schon 2018 der Aufstiegsheld) einen sicheren Rückhalt und sie stehen nun an der Tabellenspitze. Dem glücklosen Eifer und dem Mut der Klotener setzten sie die Erfahrung und das Selbstvertrauen eines Etablierten der Liga entgegen. Die Lakers sind vom Stil her so etwas wie das bessere Kloten. Deshalb war die Partie optisch ausgeglichen (32:34 Torschüsse), aber das Resultat (1:4) logisch. Und deshalb lautet die bange Frage: Haben die Klotener die Füsse, die Tempofestigkeit, die sie zur Kellermeisterschaft tragen?

Kloten steht als Neuling mit einer Startniederlage in der Tradition der letzten drei Aufsteiger: Langnau verlor 2015 das erste Spiel in Bern (1:7), die Lakers 2018 in Langnau 2:5 und Ajoie vor einem Jahr gegen Biel auf eigenem Eis 1:3. Langnau und die Lakers feierten den ersten Sieg dann gegen Lausanne. Ein gutes Omen: Am Dienstag kommt Lausanne nach Kloten.

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quelle: keystone / ennio leanza
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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eau Rouge
19.09.2022 10:16registriert Mai 2019
Werde noch Rappi-Fan! Wie Cervenka beim letzten Tor den Torhüter ausgespielt, das lerre Tor vor sich, den Puck trotzdem noch rüber spielt war schlicht WELTKLASSE! Einfach geil!
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team eberhofer-birkenberger
19.09.2022 03:54registriert Dezember 2020
früher oder später wird doch der bärtschi, falls er wirklich bis saisonende noch sportchef bleibt, in interessenskonflikte kommen.
da ist ja auch noch die firma Skillz Consulting GmbH von bärtschi/helfenstein, artikel vom 07.03.22.
es wäre wohl besser er würde dieses jahr schon frei- und ein neuer sportchef eingestellt.
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simu1986
19.09.2022 06:14registriert April 2015
Hat der Eismeister letzte Saison nicht geschrieben, dass nur Ajoie das kleinere Budget als Ambri hat😉?
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