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SCB-Eishockey von gestern in den «Herbstlaub-Playoffs»

SC Bern PostFinance Top Scorer Tristan Scherwey gegen SC Rapperswil-Jona Lakers Stuermer Sandro Forrer waehrend dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SC Rapperswil-Jona La ...
Der SCB kassierte bislang 63 Strafminuten in zwei Partien.Bild: PostFinance
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SCB-Eishockey von gestern in den «Herbstlaub-Playoffs»

Der SC Bern versucht mit Eishockey von gestern, nach vier Jahren wieder ein Titan der Gegenwart zu werden. Beste Unterhaltung ist garantiert. Wie erfolgreich die Berner sein werden, hängt davon ab, wie schnell sie die schlechten Gewohnheiten ablegen können.
18.09.2023, 04:4418.09.2023, 15:41
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Der SCB ist wieder böse. 63 Strafminuten in zwei Partien. 31,50 Minuten pro Spiel bedeuten Liga-Bestwert. Zum Vergleich: Die Lakers sind bisher mit 14 Minuten ausgekommen. Ajoie und Lugano sogar mit 8.

Diese Statistik lügt nicht. Nach vier Jahren voller Ausreden und ohne richtigen, charismatischen Trainer rockt es nun unter Jussi Tapola wieder. Erstmals seit vier Jahren hat der SCB einen erkennbaren Stil, gutes ausländisches Personal und dadurch gute Verteidiger und einen starken Torhüter. Aufgeputscht vom Publikum reichte es gegen Lausanne zum Startsieg (4:1). Aber gegen die taktisch smarten, leidenschaftlichen Lakers (die mit Roman Cervenka auf ihren besten Spieler verzichten mussten) erlitten sie bereits im zweiten Spiel die erste schmähliche Niederlage der Saison. Schmählich deshalb, weil die Lakers mit Schlauheit und Disziplin auch in den Zweikämpfen mehr erreichten als der SCB mit Wucht und Kraft. Wenn sich Jussi Tapola durchsetzen kann, wird der SCB solche Spiele spätestens ab Dezember nicht mehr auf so naive Art und Weise verlieren.

SCB-Eishockey von gestern: Die besten Verteidiger riskieren bei ihren Vorstössen in die gegnerische Zone häufig viel und sie werden arg forciert. 23:14 Minuten für Patrik Nemeth, 22:53 für Romain Loeffel, 23:15 Minuten für Ramon Untersander gegen die Lakers. Nemeth hält nach zwei Partien bereits Liga-Bestzeit und Ramon Untersander Ligabestzeit für Schweizer Spieler. Dafür null Eiszeit für Mika Henauer. Er hat bereits das erste Video-Interview mit Servettes Sportchef Marc Gautschi geführt. Obersportchef Martin Plüss und Untersportchef Andrew Ebbett sind gefordert.

Aber es geht vorerst nicht anders. Der SCB ist dazu verurteilt, «Herbstlaub-Playoffs» zu spielen: das beste Hockey bereits auszupacken, wenn noch Laub in den Bäumen ist. Das ist das Gebot der Wiedergutmachung nach vier verlorenen Jahren. Nur so kann das Publikum zurückgeholt werden. In der guten alten Zeit hat der SCB sein bestes Hockey gespielt, wenn schon wieder neues Laub in den Bäumen spriesste: in den Playoffs im März und April.

Trainer Jussi Tapolas Radikalkur hat erst einmal eine Rückkehr zum Hockey von gestern gebracht: im Zweifel vorwärts. Leidenschaftlich, mutig, ungestüm und mit mehr Energie als taktischem Verstand. Das, was SCB-Manger Marc Lüthi vor der Saison offiziell angekündigt hat: Bauern-Hockey.

SC Bern Trainer Jussi Tapola gibt seinen Spielern Anweisungen, beim ersten offiziellen Eistraining des SC Bern, am Montag, 7. August 2023 in der Trainingshalle der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE ...
SCB-Trainer Jussi Tapolas Radikalkur hat erst einmal eine Rückkehr zum Hockey von gestern gebracht.Bild: keystone

Der SCB hat einst unter dem taktischen Zuchtmeister Kari Jalonen in 20 Partien nicht so viele Konter zugelassen wie am Sonntagabend im Spiel gegen die Lakers. Aber wenigstens stimmt der Unterhaltungswert. Das Publikum ist bereits in den zwei ersten Partien besser unterhalten worden als in der letzten Meistersaison 2018/19. Diese Kombination aus Rumpel- und Laufhockey bleibt vorerst die einzige Möglichkeit, die Fans bei Laune zu halten und mit etwas Glück die taktisch durchwegs besseren Gegner doch vom Eis zu arbeiten. Aber es ist ein Stil, der enorm viel Energie verbraucht.

Je früher es Trainer Jussi Tapola gelingt, seinen Spielern die schlechten Gewohnheiten der letzten vier Jahre auszutreiben, die Mannschaft taktisch zu disziplinieren, Ordnung im taktischen Fadenkörbli zu machen, die Balance zwischen Offensive und Defensive zu finden und die Belastung in der Abwehr besser zu verteilen, desto länger reicht die Energie und desto eher ist der SCB wieder ein Titan.

Auf dem Weg zurück zum alten Glanz ist ausgerechnet eine gute Berner Tugend das grösste Problem: die Langsamkeit. Der Unterschied zwischen dem schnellsten und langsamsten Spieler ist beim SCB zu gross, mit ziemlicher Sicherheit ist diese statistisch nicht zu erfassende Differenz bei keinem anderen Team so gross. Dieser Unterschied beispielsweise zwischen Dominik Kahun und Simon Moser ist fast so gross wie zwischen einem Traktor und einem Auto. Zu viele Strafen sind der SCB-Langsamkeit geschuldet. Der SCB ist ein Titan auf hölzernen Füssen. Aber endlich, endlich auch wieder ein Titan der Unterhaltung auf dem Eis.

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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besserwisser#99
18.09.2023 07:41registriert September 2019
So viel Polemik an einem Montagmorgen nach dem 2. Spieltag, ist kaum auszuhalten. Die Strafen von gestern haben überhaupt nichts mit böse zutun. Es war nicht unfair und schon gar nicht so einseitig wie der Chronist hier suggeriert (5x2 Bern, 4x2 Rappi). Der Grossteil der Strafen (53min) kommt aus dem ersten Spiel gegen Lausanne (welches mit 86min an der Spitze liegt) und der Spieldauer von Ritzmann (25min).
Zudem war die Niederlage nicht Schmählich sondern verdient. Rappi war 45min lang das gefährlichere Team (E. G. 5,4 : 2,2).
Die Frage sei erlaubt: Schreibt hier ein Chronist von gestern?
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hocky
18.09.2023 07:38registriert März 2021
Enttäuschende Zuschauerzahl (Sonntagabend?). Und Chlöisu; Wie bist du nur um die Berner besorgt, als neutraler Journalist? Eigentlich wäre der Rappi-Sieg hervorzuheben (warum und wie). Mitte Saison ist es früh genug Analysen zu verfassen, warum und wie was suboptimal verlaufen ist.
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Dr no
18.09.2023 11:04registriert Mai 2018
Also das Spiel war doch unterhaltsam. Bern hat gekämpft und Leidenschaft gezeigt. Das ist doch mal ein Fortschritt gegenüber letzter Saison. Die Partie hätte auch auf die andere Seite kippen können. Es braucht noch keine Polemik. Scheinbar verliert der Chronist auf seine alten Tage die Geduld.
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