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Eismeister Zaugg

Lieber Jussi, willkommen in der rauen SCB-Wirklichkeit

SCB Cheftrainer Jussi Tapola reagiert im Eishockeyspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern am Dienstag, 31. Oktober 2023, in der Swiss Life Arena in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Le ...
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Lieber Jussi, willkommen in der rauen SCB-Wirklichkeit

Der SCB ist statistisch nach wie vor ein Playoff-Team. Aber in Ambri hat sich gezeigt, auf welch dünnem Eis die Berner nach wie vor stehen. Für den neuen Trainer Jussi Tapola beginnt die Wirklichkeit erst jetzt.
18.11.2023, 07:5618.11.2023, 15:03
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Ausreden? Es gibt keine mehr. Seit nunmehr vier Jahren ist der SCB auf der Suche nach einer Identität. Worum es geht, was es geschlagen hat, worauf es ankommt, dass es so nicht weitergehen darf, ist inzwischen allen klar.

Aber nach wie vor hat sich zu wenig geändert. Nur einmal in den letzten zwölf Partien hat der SCB drei Punkte geholt und dabei sieben Mal verloren. Noch halten sich die Berner in den direkten Playoff-Rängen.

Dem SCB fehlt nach wie vor die Kadertiefe, um ein Spitzenteam zu sein. Gegen Ambri fehlten Dominik Kahun (gesperrt), Joona Luoto und Verteidigungsminister Patrik Nemeth (beide verletzt). Das genügte, um eine Mannschaft, die nach wie vor auf dünnem Eis steht und keine charismatischen Führungsspieler mit Schweizer Pass hat, aus der Balance zu bringen. Am Sonntag gegen Gottéron ist Dominik Kahun wieder dabei, eventuell kehren auch Joona Luoto und Patrik Nemeth zurück.

Ein Team auf der Suche nach seiner Identität ist stark von seinen Ausländern abhängig. Was selbst Langnau oder Ambri mit weit geringeren finanziellen Mitteln gelingt, ist beim SCB auch diese Saison nicht möglich: Die sechs Ausländerpositionen gut zu besetzen.

Corban Knight ist noch nicht dazu in der Lage, als Center konstant für Stabilität zu sorgen (bisher -8). Julius Honka ist als Offensiv-Verteidiger keine defensive Hilfe (-3 in Ambri) und Martin Frk ist ohne Not bereits zu den Lakers abgeschoben worden. Deshalb musste der SCB in Ambri mit bloss vier Ausländern antreten.

Nach wie vor das Scouting beim SCB ungenügend. Kein anderer Club verzeichnet in den letzten vier Jahren eine so lange Liste von ausländischen Fehleinkäufen: Miika Koivisto, Christian Thomas, Andrew McDonald, Dustin Jeffrey, Cory Conacher, Cody Goloubef, Kaspars Daugavins, Phil Varone, Josh Teves, Eric Gélinas und diese Saison Martin Frk. Dazu passt, dass es letzte Saison nicht möglich war, Topskorer Chris DiDomenico ins Team zu integrieren.

Das ist die Wirklichkeit, mit der Jussi Tapola klarkommen muss. Immerhin ist es dem Finnen gelungen, das Spiel zu ordnen, eine gewisse Stabilität zu erreichen und dafür zu sorgen, dass der SCB nach wie vor auf einem Playoffrang (6.) klassiert ist.

Aber nach einem guten Herbst kehrt nun nach und nach der SCB-Alltag ein wie nach den Flitterwochen, die tägliche Routine. Ist der neue Trainer stark genug, um zu verhindern, dass der Schlendrian, dass die Nachlässigkeiten der letzten Jahre zurückkehren wie Dämonen? Lieber Jussi, willkommen in der rauen SCB-Wirklichkeit!

In den letzten vier Jahren sind die Spieler nicht in die Verantwortung genommen worden. Don Nachbaur, Mario Kogler, Johan Lundskog und Toni Söderholm standen seit Herbst 2020 an der Bande. Die Spieler haben sich daran gewöhnt, dass am Ende des Tages immer der Trainer als Sündenbock herhalten muss. Sie sind in den letzten vier Jahren zu mächtig geworden.

Auf den ersten Blick ist diese Saison bereits wieder vieles ähnlich wie in den letzten vier Jahren. Und doch gibt es eine Differenz, die Anlass zu Hoffnung gibt. Jussi Tapola ist nicht Don Nachbaur, Mario Kogler, Johan Lundskog oder Toni Söderholm. Er ist ein paar Nummern grösser.

Einen Trainer anzweifeln, der zu den Besten Europas gehört und der auf eindrücklichste Art und Weise längst bewiesen hat, dass er beides kann: Neuaufbau und Meister? Jussi Tapola zum Sündenbock machen, wenn die Erwartungen wieder nicht erfüllt werden? Es wäre die sportliche Bankrotterklärung. Der SCB wäre dann definitiv ein Lugano ohne Palmen und fortan uncoachbar.

Jussi Tapola ist so gross wie der SCB. Der erste grosse SCB-Trainer seit Kari Jalonen. Er ist auf diesen Job nicht angewiesen. Anders als seine Vorgänger kann er es sich leiten, seine Linie durchzuziehen, nach Leistung und nicht nach Verdiensten aus der Vergangenheit zu coachen und interne Machtverhältnisse zu ignorieren. My way or the highway.

Das Spiel in Ambri (2:5) war eines der schwächsten der Saison. Aber Jussi Tapola hatte den Mut, nach Leistungsvermögen zu coachen und die Namen auf dem Leibchen zu ignorieren: Die vierte Linie bekam mehr als 13 Minuten Eiszeit und ist bis zum Schluss eingewechselt worden.

Die Leistung in Ambri ist noch kein Grund zu tiefer Sorge. Sage mir, ob der SCB gegen Gottéron eine Reaktion zeigt, und ich sage dir, wie es um den Trainer und den SCB steht und ob es Hoffnung gibt, dass es besser als in den letzten vier Jahren geht.

Ein Trainer ist erst verloren, wenn die Spieler auf das, was er tut, nicht mehr reagieren. Wenn es egal ist, ob er tobt oder sich demonstrativ ruhig verhält. Wenn sie nach einer schmählichen Niederlage in der nächsten Partie keine Reaktion zeigen.

Am Sonntag kommt der Tabellenführer nach Bern. Unter diesen Voraussetzungen eigentlich der perfekte Gegner, um zu erkennen, wie es um den SCB steht.

  • Stürmer
  • Verteidiger
  • Torhüter
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Nation Flag

Aktuelle
Note

  • 7

    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

5,2

09.22

5,2

09.23

5,2

01.24

Punkte

Goals/Assists

Spiele

Strafminuten

  • Er ist

  • Er kann

  • Erwarte

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    42 Kommentare
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    Die beliebtesten Kommentare
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    Steve21
    18.11.2023 08:19registriert Januar 2020
    Die Liga ist einfach sehr ausgeglichen. Die Überperformer der letzten Jahre, Genf, Biel, Rappi haben Mühe diese Saison. Das vom Chronisten stets kleingeredete Ambri (und auch Langnau) haltet sich sehr gut und selbst die an sich „grossen“ wie Zürich oder Zug sind zwar vorne dabei, aber absetzen können auch die sich nicht.
    Ich find es super spannend so. Auch wenn die Qualität der Liga nicht sooooo toll ist, wie einige denken, womit der Bogen zur Nati gemacht wäre. Das ist aber ein anderes Thema …
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    Rodu
    18.11.2023 08:27registriert Oktober 2020
    "Aber nach einem guten Herbst kehrt nun nach und nach der SCB-Alltag ein wie nach den Flitterwochen, die tägliche Routine"

    - der SCB ist seit 4 Jahren in der Eheberatung bei Dr. Zaugg. Oberarzt Lüthi sieht kein Grund um vom Behandlungsplan abzuweichen. Die Rezeptur mit den 6 günstigen Generikas habe sich bewährt und werde von der kranken Kasse (Zuschauer, Sponsor) zur Zeit noch goutiert.
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    arnold werner
    18.11.2023 08:28registriert November 2023
    Der Text müsste sein : "Das Spiel in Ambri (2:5) war eines der stärksten der Saison. Trotz des extrem starken Gegners bewies Jussi Tapola den Mut, nach Leistungsvermögen zu coachen und die Namen auf dem Leibchen zu ignorieren: Die vierte Linie erhielt beeindruckende 13 Minuten Eiszeit und wurde bis zum Schluss eingewechselt."
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