Die unruhigen Jahre seit dem letzten Titel von 2019 haben in Bern auch etwas mit der Besetzung der Torhüterposition zu tun. Im Sommer 2019 hat Leonardo Genoni den SCB Richtung Zug verlassen. Und seither sind die Berner mit ihren Goalies nie mehr ganz glücklich geworden. Was ganz und gar nicht der DNA dieses Klubs entspricht: Seit dem ersten Meistertitel 1959 kannte der SCB bis 2019 mit Titanen wie René Kiener, Jürg Jäggi, Edgar Grubauer, Renato Tosio, Marco Bührer oder Leonardo Genoni das Wort «Torhüter-Problem» nicht.
Die Ausgangslage für nächste Saison ist interessant, ja brisant. Es gibt mindestens sechs Optionen. Realistische und unrealistische.
Den Kopf bei heraufziehender Gefahr in den Sand stecken wie der Vogel Strauss und das Problem weder in der ganzen Tragweite erkennen noch lösen: Der SCB hat mit Adam Reideborn (33) einen ausländischen Torhüter unter Vertrag, der höheren Ansprüchen nicht genügt. In den entscheidenden Playoff-Partien setzte Jussi Tapola auf Philip Wüthrich (nächste Saison in Ambri). Die zwei Schweizer Goalies Christof von Burg (24) und Andri Henauer (23) waren in der höchsten Liga noch nie die Nummer 1 oder 2. Bei dieser Variante beginnt der SCB die nächste Saison mit Unruhe auf der Goalie-Position.
Zur Absicherung einen routinierten Schweizer Goalie, der sich seit Jahren in der National League bewährt hat und risikolos 20 bis 25 Spiele bestreiten kann. Einer wie Sandro Zurkirchen (35). Er ist zu haben und war soeben einer der Gründe, warum Kloten bis in die Playoffs gekommen ist. Er hatte sich in 26 Qualifikationspartien bestens bewährt und sucht nach wie vor einen neuen Arbeitgeber.
Aus Kostengründen verzichtet Kloten auf seine Dienste und setzt auf Ludovic Waeber (28) als Nummer 1 und die kostengünstigen Talente Davide Fadani (24) und Ewan Huet (20). Gauthier Descloux (28) wäre auch zu haben und eigentlich ein valabler letzter Mann. Aber er hat in dieser Saison in Genf verletzungsbedingt keine einzige Partie bestritten.
Ein zweiter ausländischer Goalie neben Adam Reideborn. Er müsste allerdings klar besser sein als der Schwede. Der Vorteil dieser Lösung: keine Umstellungen mehr. Das Problem bei einem ausländischen und einem helvetischen Goalie: Wenn der Ausländer im Tor steht, fehlt vorne entweder einer der ausländischen Stürmer oder Verteidiger. Bei dieser Variante hat der SCB mehr Stabilität und kein Goalie-Problem.
Der SCB zahlt Adam Reideborn aus und holt einen ausländischen Torhüter als unumstrittene Nummer 1 wie Simon Hrubec (33) in Zürich oder Harri Säteri (35) in Biel, der problemlos 35 bis 40 Partien bestreiten kann. Bei dieser Variante muss Marc Lüthi das Portemonnaie zücken und Adam Reideborn (sein Vertrag läuft noch bis Ende nächster Saison) auszahlen. Diese Variante ist die teuerste, aber am Ende des Tages wohl die mit dem geringsten Risiko – sofern es tatsächlich gelingt, einen ausländischen Goalie mit der Kragenweite von Harri Säteri oder Simon Hrubec zu verpflichten.
Connor Hughes (28) kehrt zu Lausanne zurück, Kevin Pasche (22) verliert seine Position als Nummer eins und sucht eine neue Herausforderung beim SCB. Ein wunderbarer und teurer Wunschtraum. Erstens hat Kevin Pasche in Lausanne einen Vertrag bis 2027 und alle gehen davon aus, dass er im Falle eines Falles die Herausforderung in Lausanne wahrnehmen wird: Lausanne hätte dann mit Connor Hughes und Kevin Pasche das beste Schweizer Goalie-Duo der Liga. Es wäre eine Torheit sondergleichen von Sportdirektor John Fust, ausgerechnet dem direkten Konkurrenten SCB bei der Lösung des Goalie-Problems zu helfen. Kommt dazu, dass Antoine Keller (20), die aktuelle Nummer 2, über die sich auch der SCB erkundigt hatte, den Klub verlässt und nächste Saison in Nordamerika spielt.
Natürlich hätte er das Profil zum SCB-Schlussmann. Aber der 24-jährige Langnauer hat erstens in der NHL-Organisation Las Vegas einen Vertrag bis Ende der nächsten Saison und denkt zweitens nicht einmal im Traum daran, vorzeitig in die Heimat zurückzukehren – und sein Agent nimmt nicht einmal Anfragen aus Europa entgegen.
Offiziell gibt es keine SCB-Stellungnahme zum Problem. Die ist auch nicht erforderlich. Übereinstimmende Berichte von Gewährsleuten aus nah und fern zeigen, dass die sportliche SCB-Führung an den Transfer-Kartentischen über die verschiedenen Optionen brütet. Der Agent von Sandro Zurkirchen und Antoine Keller ist bereits kontaktiert worden und bei den international tätigen Spieleragenten wird hin und wieder der guten Ordnung halber nach guten Goalie-Angeboten auf dem Ausländermarkt nachgefragt. Das ist ja eigentlich sowieso Pflicht.
Die Prognose sei gewagt: Wenn der SCB auf die Option Vogel Strauss setzt und das Problem aussitzt, dann wird es nicht November, bis diese oder jene Optionen ein Thema wird und Jussi Tapola Federn lassen muss. Vielleicht ergeben sich ja im Laufe des Sommers noch weitere Lösungsmöglichkeiten. Das kann unter Umständen teuer und auf jeden Fall unterhaltsam werden. Aber Geld ist beim SCB kein Problem.