Die Berner sind nach wie vor zu stark «weyermannisiert». Zur Erklärung: 1997 gewinnt die Bernerin Anita Weyermann WM-Bronze-Medaille über 1500 Meter.
Auf die die Frage, was sie während des Endspurts gedacht habe, sagt sie vor laufender TV-Kamera in wunderbarstem Berndeutsch. «Gring ache u seckle» (Kopf runter und rennen). Der Ausspruch ist zu einem geflügelten Wort im Sinne von «durchbeissen» geworden. Und passt im Herbst 2014 gut zum Stil des SC Bern.
Es war ein Beissen und Würgen gegen Ambri (3:4 n.P.) und gegen Biel (2:1). Es war auch gegen Gottéron mit Ausnahme einer Blitz und Donner-Aktion zu Beginn des Schlussdrittels (in der 44. Minute in zehn Sekunden vom 1:1 zum 3:1) wieder ein Beissen und Würgen, Hoffen und Bangen und schliesslich doch noch ein Aufatmen.
Bud Holloway trifft in der Verlängerung zum 4:3. Er hat alle Voraussetzungen, eine elegante Version des einstigen meisterlichen Vorkämpfers Alan Haworth zu werden.
Passend zum neuen Stil ist auch der äussere Rahmen verändert worden: Diese Saison gibt es erstmals seit 20 Jahren im Berner Hockey-Tempel keine Cheerleaders mehr. Cheerleaders kommen aus der US-Kultur. Es handelt sich um kurzberockte Mädchen, die am Spielfeldrand (im Berner Hockey-Tempel auf einem Podest in der Stehplatzrampe) tanzen.
Nun hat SCB-General Marc Lüthi die Cheerleader auf diese Saison einfach ersatzlos aus dem Stadion verbannt. «Wir waren die ersten, die Cheerleaders hatten, nun sind wir die ersten, die die Cheerleaders wieder abschaffen. Es ist uns nicht mehr gelungen, dafür Sponsoren zu finden.»
Die Abschaffung der Cheerleader symbolisiert, dass beim SCB nicht mehr getanzt wird. Jetzt heisst es «chrampfen». Wie wir am Beispiel von Anita Wyermann sehen, ist durchbeissen in der Leichtathletik ein Erfolgsrezept. Im Eishockey weniger. Da braucht es auch kühlen Kopf, Schlauheit, Kreativität und Selbstvertrauen. Es wäre gut, wenn der SCB noch etwas mehr «sempachisiert» wäre.
Also etwas von der Nervenstärke, Schlauheit und vom Charisma des Schwingerkönigs und Kilchberg-Triumphator Matthias Sempach hätte. Er ist ja auch Berner. Nun erleben wir nach dem historischen Absturz der letzten Saison (als Meister die Playoffs verpasst) einen proletarischen SCB wie nie mehr seit den späten 1990er Jahren. Will heissen: Einen reinen Arbeits-SCB mit wenig Charisma und spielerischem Glanz. Keine Spur mehr von Arroganz. Die ist in der letzten Saison allen gründlich vergangen.
Aber wir sehen einen SCB mit viel gutem Willen, grosser Kampfkraft und Leidenschaft. Jeder gibt sich Mühe und läuft und läuft und läuft. Aber jeder hat halt auch spielerisch so früh in dieser Saison so seine liebe Mühe. Selbst die zwei Blitztore vom 1:1 zum 3:1 führten nicht zu einer Beruhigung. Ganz im Gegenteil.
Die Herrlichkeit der 3:1-Führung war schon sieben Minuten später wieder vorbei. Aber wer, wie Anita Weyermann, bis zum Schluss «secklet», wird am Ende belohnt. Das 4:3 n.V. gegen ein spielerisch limitiertes Gottéron mit nur drei Ausländern und ohne Vortänzer Andrej Bykow ist verdient.
Es ist offensichtlich, dass der «defensive Beton» von Trainer Guy Boucher noch nicht trocken ist. Es wird wohl noch acht bis zehn Spiele dauern, bis wir den wahren neuen SCB sehen können. Dass es spielerisches Nachrüsten braucht, ist Sportchef Sven Leuenberger klar. Er hat für nächste Saison ja bereits Klotens Nationalstürmer Simon Bodenmann unter Vertrag genommen.
Nun arbeitet er am Dossier Anthony Huguenin. Der offensiv brillante defensive Hallodri ist erst 22 und hat ein enormes Potenzial. Er kann einer der smartesten, kreativsten Offensiv-Verteidiger mit Schweizer Pass werden. Sein Vertrag mit Gottéron läuft Ende Saison aus.