
Sag das doch deinen Freunden!
Ach, welch ein Schauspiel im Kabinengang des prächtigen neuen Bieler Hockey-Tempels! SCB-General Marc Lüthi schreitet nach dem Spiel, bebend vor Zorn, Richtung SCB-Kabine, schmettert die Türe zu und tobt drinnen. Hie und da geht die Türe wieder auf und man hört Wortfetzen. Es ist eine einfach strukturierte Kabinenpredigt. Eigentlich eine zornige Aneinanderreihung von Kraftwörtern.
Ein gewaltiges verbales Donnerwetter geht über der Mannschaft nieder. Cheftrainer Lars Leuenberger wirkt, als er hinterher den Chronisten Red und Antwort steht, noch kleiner als er eigentlich schon ist (173 cm). Er bestätigt auf Nachfrage, so habe er den Chef noch nie erlebt.
Marc Lüthis heiliger Zorn ist verständlich. Denn dümmer kann eine Mannschaft fast nicht verlieren. Sein SCB war in Biel ein disziplinloser Haufen. Die Stadtberner brachten es fertig, ein Spiel zu verlieren, das von Anfang an für sie lief. Sie vergeigten eine 2:0-Führung in nur 18 Sekunden.
Der Auftakt zur «Überlebenswoche» mit den Partien in Lausanne, Ambri und gegen Zug ist also missglückt. So wie der längst abgesetzte Guy Boucher die Karikatur eines Bandengenerals war, so sind Lars Leuenberger und sein Assistent Marco Bayer nun das andere Extrem. Ohnmächtige Banden-HD-Soldaten ohne jede Autorität. Beim SCB ist ein überdrehter Bandengeneral durch HD Läppli ersetzt worden.
Das mag respektlos klingen und sagt nichts über die fachliche Qualifikation von Lars Leuenberger und Marco Bayer. Aber die beiden haben kein Charisma und strahlen die Autorität eines Küchenburschen in einem Fünfsternhotel aus. Und sowieso gilt: Die Kabine ist das Königreich des Trainers. Wenn er hier unfreiwillig einem anderen das grosse Wort überlassen muss, dann ist seine Autorität bei den Spielern für immer dahin.
Das 3:3, das 3,9 Sekunden vor der zweiten Pause den Weg in die sechste Niederlage de suite ebnete (3:4 n.V), war die Folge einer Strafe die sich Lars Leuenberger und Marco Bayer durch wiederholtes Reklamieren bei den Schiris einhandelten. Noch nie seit dem Wiederaufstieg von 1986 hat der SCB sechsmal hintereinander verloren. Der schwächste SCB seit 30 Jahren.
Lars Leuenberger monierte hinterher, man habe die Schiris vergeblich auf die nicht laufende Uhr aufmerksam gemacht. «Und wenn man etwas anständig sagt und nicht verstanden wird, dann muss man deutlicher werden. Wäre die Uhr korrekt gelaufen, dann hätten wir das 3:3 Sekunden vor der zweiten Pause nicht kassiert.»
Aber nicht nur die Schiedsrichter hören Lars Leuenberger und seinem Assistenten nicht mehr zu. Auch die Spieler tun es nicht. Die Niederlage in Biel ist die Folge von vielen Disziplinlosigkeiten und Fehlern, die gut gecoachte Spieler einfach nicht begehen.
Inzwischen ist die Analyse der SCB-Krise einfacher geworden. Die schlimmsten Fehler sind korrigiert. Trainer Guy Boucher ist längst gefeuert, das Torhüterproblem durch einen ausländischen Goalie gelöst. Die Mannschaft ist nicht auseinandergefallen und ist talentiert genug für den Playoff-Final. Die Berner haben zwar sechsmal hintereinander verloren. Aber dabei haben sie viermal gepunktet. Die Spieler wollen. Sie versuchen alles. Aber sie wissen nicht mehr, was sie tun sollen. Löwen, geführt von Eseln. Die Trainer sind hilflose Helfer.
Das Bayern München unseres Hockeys taumelt nun führungslos in die sportliche «Überlebenswoche.» Es ist ein gewagtes Spiel, die Mannschaft und die Trainer einfach dem Schicksal zu überlassen. Weil sich weitere Investitionen in eine missglücke Saison nicht mehr rechnen. In der Hoffnung, man werde am Ende den Ligaerhalt ja sowieso schaffen und dann werde in der nächsten Saison sowieso alles gut. Eigentlich müsste jemand im Büro so mit Marc Lüthi toben wie Marc Lüthi soeben in der SCB-Kabine getobt hat.
Wir dürfen uns bei dieser Ausgangslage auf grossartige Unterhaltung freuen. Lars Leuenberger und Marco Bayer werden in der Kabine noch einmal mächtig Dampf machen. Es ist allerdings ein gefährliches Spiel. Es ist nicht auszuschliessen, dass sich der immense Frust bald einmal in Form eines «Rumpelspiels» auf dem Eis entlädt. Ganz wie Goethes Zauberlehrling, der die Geister, die er gerufen hatte, nicht mehr unter Kontrolle brachte.
So bleiben nur noch zwei Varianten. Wenn es dem SCB irgendwie gelingt, doch noch in die Playoffs zu stolpern, so ist dort ein grandioses Schlussfeuerwerk zu erwarten. Befreit von allem Druck und aller Nervosität könnte es gelingen, das grosse Potenzial abzurufen.
Sollten die Playoffs allerdings verpasst werden, dann drohen in diesem Zustand die Playouts gegen Biel, anschliessend die Liga-Qualifikation und dort, weil nur noch zwei Ausländer eingesetzt werden dürfen – der SCB müsste eine Ausländerlizenz für den Goalie einsetzen – nichts anderes als der Abstieg.
Eigentlich müsste der SCB noch einmal den Trainer wechseln. Lars Leuenberger schliesst einen freiwilligen Rücktritt allerdings aus. Er sagt: «Zu tausend Prozent.» Das ist richtig so. Wenn er jetzt das Handtuch wirft, ist seine Karriere als Klubtrainer zu Ende. Dann bleibt nur noch ein Verbandsjob (U20-Nationaltrainer).
Aber wen an die Bande stellen? Der beste zur Verfügung stehende Mann heisst Larry Huras. Ihn hat SCB-General Marc Lüthi im Oktober 2011 ohne jede sportliche Not entlassen. Mit der Begründung, er biete zu wenig Spektakel. Die Mannschaft stand auf Rang 5. Mit 11 Punkten Vorsprung auf den «Strich».
Zumindest an Spektakel, Blitz und Donner geizt der SCB unter Lars Leuenberger nicht. Aber es ist triviale, billige Unterhaltung, nicht sportlich hochstehende. Marc Lüthi wird sich sicherlich auch schon gedacht haben, es ginge dem SCB besser mit einem Trainer, der ein bisschen weniger Spektakel veranstaltet und dafür genügend Punkte holt. Wie damals Larry Huras.